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Nach den gescheiterten Verhandlungen um eine Dreierkoalition hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen nun FPÖ-Chef Herbert Kickl den Regierungsbildungsauftrag erteilt. Das Statement in voller Länge.

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Transkript
00:00Guten Tag, meine Damen und Herren. Danke, dass Sie sich wieder die Zeit genommen
00:18haben und sich für unsere Demokratie interessieren. Eine der wichtigsten
00:24verfassungsmäßigen Aufgaben des österreichischen Bundespräsidenten ist es, dafür zu sorgen,
00:30dass unser Land eine arbeitsfähige Bundesregierung hat. Als Voraussetzung für eine erfolgreiche
00:39Arbeit muss diese Regierung robust sein. Das heißt, sie benötigt also verlässlich mehr
00:47als 50 Prozent der Mandate im österreichischen Nationalrat. Wie findet sich nun eine solche
00:55Mehrheit? Das herauszufinden ist unter anderem meine Aufgabe. Dabei kann ich, was die Zusammensetzung
01:02dieser Mehrheit betrifft, bestimmte Wünsche und Vorstellungen haben. Aber der Respekt vor
01:09dem Wählervotum gebietet es, dass der Bundespräsident die Mehrheit achtet, die sich im Nationalrat
01:16findet oder eben nicht findet. Das ist der beruhigend klare Kern unserer Demokratie, festgelegt
01:24in der Bundesverfassung. Meine Damen und Herren, Sie haben selbst miterlebt, welche Möglichkeiten
01:31sich nach der Wahl im September eröffnet oder eben nicht eröffnet haben. Für eine Mehrheit im
01:38Nationalrat, zur Erinnerung, müssen angesichts des Wahlergebnisses zwei der drei größeren Parteien
01:45kooperieren. Eine Zusammenarbeit der ÖVP und SPÖ mit der FPÖ und der Herbert Kickl wurde aber von
01:54den damals Verantwortlichen grundsätzlich und kategorisch ausgeschlossen. Auch nach weiteren
02:01von mir geforderten Gesprächen blieben Karl Nehammer und Andreas Babler dabei, dass sie nicht
02:08mit der FPÖ und der Herbert Kickl koalieren würden. Karl Nehammer hat daraufhin versucht, mit der
02:15SPÖ und den NEOS eine Dreierkoalition zu bilden. Alle drei Parteichefs haben in Gesprächen mit mir
02:24ihren klaren Willen geäußert, artikuliert, zu gemeinsamen Ergebnissen und damit zu einem
02:30tragfähigen Regierungsprogramm zu kommen. Und wie Sie wissen, sind diese Verhandlungen gescheitert.
02:37Herr Nehammer ist zurückgetreten und hat den Regierungsbildungsauftrag zurückgegeben. Und wie
02:44wir alle miterlebt haben an diesem Wochenende, hat die ÖVP ihr kategorisches Nein zu einer
02:52Koalition unter der Führung von Herbert Kickl aufgegeben. Der neu bestimmte ÖVP-Obmann Christian
02:59Stocker hat gestern bereits öffentlich mitgeteilt, dass die ÖVP nunmehr für Regierungsverhandlungen
03:07mit der FPÖ bereitsteht. Das ist die neue Situation. Aber es ist noch immer meine
03:15verfassungsmäßige Pflicht, die Chance auf eine Regierung mit über 50 Prozent Mehrheit im
03:20Nationalrat auszuloten. Und aus diesem Grund habe ich heute den Parteichef der FPÖ, Herbert Kickl,
03:28zu mir in die Hofburg gebeten, um mit ihm die neue Situation zu besprechen. Wir haben verschiedene
03:36Inhalte und Optionen angesprochen und diskutiert, auch angesichts der aktuellen Lage, in der sich
03:43Österreich befindet. Das wirtschaftliche Umfeld ist schwierig. Österreich ist in einer anhaltenden
03:50Rezession. Die Arbeitslosigkeit steigt. Gleichwohl muss unser Staatshaushalt, unser Budget saniert
03:57werden. Nicht alle Maßnahmen werden vermutlich populär sein, aber sie werden umgesetzt werden
04:04müssen. Und nicht zu vergessen die geopolitische Bedrohungslage, der wir ausgesetzt sind, insbesondere
04:11durch den Angriffskrieg Russlands. Die konstruktive Stärkung der europäischen Zusammenarbeit in der
04:18Union, auch im Interesse der österreichischen Industrie und der Exportwirtschaft. Und wir haben
04:25auch länger über die Freiheit der Medien in Österreich gesprochen. Herr Kickl traut sich zu,
04:31im Rahmen von Regierungsverhandlungen tragfähige Lösungen zu finden und er will diese Verantwortung.
04:39Ich habe ihn das explizit gefragt. Ich habe ihn daher beauftragt, dass er Gespräche mit der ÖVP zur
04:47Bildung einer Bundesregierung aufnimmt. Herbert Kickl wird mir laufend über den Fortgang dieser
04:54Gespräche berichten. Meine Damen und Herren, ich habe mir diesen Schritt nicht leicht gemacht. Ich
05:03werde auch weiterhin darauf achten, dass die Prinzipien und Regeln unserer Verfassung korrekt
05:09beachtet und eingehalten werden. Und wie immer werde ich Sie informieren, wenn es etwas Neues
05:16gibt. Vielen Dank und einen schönen Tag.

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