Miriam und Tua, zwei junge Muslimas, aufgewachsen in Deutschland. Sie erzählen ihre ganz persönliche Geschichte.
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NewsTranskript
00:00Warum kann keine Frau mit Kopftuch eine krasse Superheldin sein? Warum nicht, wenn ich mir Frauen
00:18in meiner Familie angucke, wolle die sind Superhelden, aber anders? Wir haben noch keine
00:24Kopftuch-Tragende muslimische Superhelden gehabt. Und wenn mir jemand diese Idee klaut,
00:29ich störe krass aus. Es sind viele der Meinung, das Kopftuch oder der Islam gehört einfach nicht
00:39nach Deutschland. Ja, dann kannst du ja jetzt dann zurück in deine Heimat gehen. Okay,
00:48ich habe eine deutsche Mama. Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen.
00:51Ich bin da, wo ich hergekommen bin.
01:08Ich bin Toal Fawal, ägyptisches Feuer. Ich bin Muslima, gewollt, nicht unterdrückt.
01:16Ich bin Schauspielerin, die erste meiner Sorte. Ich bin in Ägypten geboren und aufgewachsen,
01:25bis ich fast zehn war. Und dann sind wir nach Deutschland gezogen, nach Berlin City.
01:29Mein Glaube spielt eine sehr große Rolle in meinem Leben.
01:55Es ist wie so ein Leitfaden, der mich dazu bringt, ein guter Mensch zu sein.
02:00Es gibt viele Schauspieler, an die ich tendenziell während ihrer Arbeitszeit beten.
02:07Und dass er so Angst hat, weil es schon scheinbar anders ist, noch mehr anders rüberzukommen und
02:15sagen, hey, ich mache das aber nicht zu Hause mit. Dass ich noch weniger Casting-Anfragen überhaupt
02:20bekomme, liegt auch schon auf jeden Fall an meiner Besonderheit als erste Schauspielerin
02:25mit Kopftuch. Ich habe jetzt keine klare Antwort von irgendwelchen Castern oder den Leuten,
02:31die an den Hebeln sitzen. Aber es ist schon so, die spielt halt nur mit Kopftuch und die macht
02:37keine Kuss-Szenen und keine Sex-Szenen. Auch wenn das meiner Meinung nach, du siehst es ja in den
02:44Rollen, so komplett unbedeutend ist. Aber es ist so direkt so, du bist gehandicapt.
02:47Ich bin Miriam Moussouari. Ich bin 28 Jahre alt und alleinerziehende Mama von einem fast
02:57dreijährigen Sohn und trage seit fast zwei Jahren den Hijab.
03:02In meiner Kindheit und Jugend spielte Religion nicht wirklich eine große Rolle. Ich habe einen
03:14marokkanischen Vater und eine deutsche Mama und bin so ein bisschen mehr oder weniger zwischen den
03:21Religionen oder mit beiden Religionen ein bisschen aufgewachsen. Und bis auf meine Tanten oder meine
03:26Onkels irgendwie aus Marokko, hatte ich auch jetzt mit dem Islam nicht große Berührungspunkte in der
03:33Kindheit. Meine Eltern haben damals schon entschieden, dass sie möchten, dass wir selber unseren Weg
03:38wählen, dass wir die Religion wählen, mit der wir uns identifizieren können. Dass ich gesagt habe,
03:47ich setze mich damit näher auseinander, kam vor allem durch meine Schwangerschaft, weil ich mich
03:52da hauptsächlich eigentlich eher mit Erziehung beschäftigt habe und einfach für mich herausfinden
03:57wollte, welche Werte und was möchte ich meinem Sohn mitgeben, wie möchte ich ihn erziehen, was möchte
04:01ich, was aus ihm hinterher für einen Mann wird. Nach meiner Trennung von meinem Mann damals war das
04:11dann für mich so ein bisschen so Startschuss in ein neues Kapitel und ja schon so, dass ich dann
04:17gedacht habe, okay, ich möchte das jetzt. Ich muss auch keinen mehr irgendwie fragen, ob mein Mann
04:22das okay findet. Ja und das war dann mein erster Tag. So bin ich dann zum allerersten Mal mit Hijab
04:29rausgegangen. Das mag jetzt vielleicht irgendwie komisch klingen, aber ich habe mich total frei
04:34gefühlt. Ich bin wirklich sehr, sehr froh, dass ich den Schritt gewagt habe damals, also nicht nur die
04:50Trennung, sondern auch den Hijab zu tragen. Und ja, ich bin schon auch ziemlich stolz, dass ich das geschafft habe.
05:12Also das ist eine Frauenschisha-Bar, nur für Frauen. Da dürfen auch nur Frauen sein ab 18.
05:18Und ich finde es einfach richtig nice, weil das so ein entspannter Safe-Space ist für Frauen, wo man
05:23nicht irgendwie aufpassen muss, was man gerade sagt, nicht diesen typischen Catwalk-mäßig hat,
05:30weil man in eine Shisha-Bar reinläuft, wo man das Gefühl hat, dass jeder einen anglotzt. Man kann
05:37einfach so mit seinen Girls chillen. Und wenn man möchte, kann man auch so auf Halle-mäßig seine
05:41Party-Maus hier rauslassen. Von der weißen Mädels-Gesellschaft kriege ich ganz oft das Bild,
05:46eine Frau mit Kopftuch ist eine unterdrückte Frau. Eine Frau, die keinen starken Charakter,
05:50beziehungsweise keinen richtigen Charakter hat, weil sie sich unterdrücken lässt. Von der
05:54muslimischen Community bist du quasi die Unantastbare. Du darfst keine Fehler machen. Du darfst das
06:01Kopftuch nur so und so tragen. Dann nehmen wir auch noch in einem Patriarchat. Das heißt, Männer
06:05dürfen Fehler machen, Frauen ja nicht. Und wenn du dann halt aus der Reihe tanzt, dann bist du, was
06:09ich halt tue, dann bin ich für die muslimische Community zu deutsch, zu offen. Und für die
06:15weiße Mädels-Gesellschaft bin ich zu muslimisch.
06:18Wart ihr alle bei der Deküre? Meine Füße sind noch nicht gemacht.
06:25Bezüglich des Kopftuches war das eigentlich quasi erst mal so ein bisschen geheim. Ja,
06:34man hat das irgendwie erst mal so voll für sich behalten und hat uns eigentlich mehr
06:39oder weniger damit konfrontiert. Die Menschen in meinem Umfeld haben eigentlich durchweg positiv
06:47reagiert. Also von meinen Freundinnen oder so oder auch von meiner Familie gab es vielleicht
06:52Nachfragen, wie es jetzt dazu kam oder ob ich mir sicher bin, dass ich das machen möchte. Aber wenn
06:58ich dann bestätigen konnte, dass ich das wirklich aus Überzeugung mache und dass ich mir sicher bin,
07:03dass ich das machen möchte, war eigentlich von allen, dass sie mich unterstützen. Also positive
07:10Reaktionen darauf. Wir sind also jetzt so vom Glauben her Christen. Ich bin Muslima. Dann haben
07:16wir aber auch eine, die jetzt ja eher nicht so unbedingt fest an irgendwas glaubt. Aber das hat
07:24jetzt so in der Freundschaft oder auch als Mamas oder so nie eine Rolle gespielt. Eigentlich bist
07:31du ja auch eher islamisch groß geworden oder ja mehr oder weniger kulturell gezwungen islamisch
07:39geworden. Und dann eigentlich ziemlich zeitgleich, wie ich gesagt habe, ich ziehe das Kopftuch an.
07:42Hast du gesagt, so ich lasse mich jetzt mit meinen Kindern tauschen. Ja, das war wirklich so.
07:46Und du? Warum bist du hier? Wie konntest du all das zulassen? Wie konntest du all das zulassen?
08:09Das Gefühl nicht genug zu sein in deinem Job. Das ist, was mir am meisten Angst macht. Egal,
08:13was du machst. Du kriegst Preise. Eines der renommierten Preise, die es in Deutschland
08:18gibt. Mit als erste Rolle, ohne Geschlechtsspielerfahrung. Du bist ein Naturtalent. Wo sind die Jobs?
08:24Trotzdem nimmt dir irgendjemanden, der nicht so krass spielen kann und gibt ihm irgendwelche Jobs,
08:32weil man einfach verbissen darauf ist, dass man sich nicht mehr vorstellen kann,
08:41dass man aus einer Frau mit Kopftuch mehr rauskommen kann als nur das Kopftuch.
08:45Sonst ist halt jetzt in meinem mehreren Umfeld wirklich niemand, der muslimisch ist,
09:01dass ich darauf zurückgreifen könnte. Oder mehr? Reicht? Das ist schon schwierig,
09:09wenn man damit komplett alleine ist und morgens weiß, okay, ich bin jetzt die Einzige,
09:14die so früh aufsteht und das Morgengebet betet. Oder ich bin jetzt irgendwie die Einzige,
09:19die darauf achtet, kein Schwein zu essen. Oder so eigentlich mehr oder weniger banale Dinge
09:25im Alltag. Das ist schon manchmal so ein bisschen beklemmendes Gefühl. Du schaffst das schon alleine?
09:35In Deutschland ist man immer schon irgendwie der Ausländer gewesen und in Marokko natürlich
09:42irgendwie immer die Deutsche. Man konnte die Sprache nicht, brauchte immer Papa zum Übersetzen
09:46und natürlich hat man, obwohl wir äußerlich in Deutschland eher südländisch angesehen werden,
09:51ist man da dann trotzdem irgendwie immer noch der hellere Südländer. Und das war immer ganz
09:56schwierig, sich da irgendwie richtig zugehörig zu fühlen. Aber trotzdem ist da von mir aus die
10:01Zugehörigkeit schon eher in Deutschland. Das Leben hier ist ja schon ziemlich doll abgesichert. Und
10:08selbst wenn man jetzt sagt, im schlimmsten Fall dadurch, dass er ein muslimischer Mann ist oder
10:15wird, dass er vielleicht Probleme hat bei der Jobsuche oder irgendwie irgendwo Anschluss zu
10:20finden, wird man ja im schlimmsten Fall eigentlich nie im Ring stehen gelassen.
10:25Hallo! Ich bin ein Löwe. Bist du ein Löwe? Ja. Ich bin ein Löwe? Aus muslimischer Sicht ist es halt schwierig, weil
10:38man ja davon ausgeht, jemand der nicht den muslimischen Glauben hat, den wird man hinterher
10:43im Paradies nicht wieder treffen. Deswegen wünschte man sich das natürlich schon, dass er
10:50dann den eigenen Glauben halt auch annimmt. Aber natürlich im Hinblick so auf seine Wurzeln, den
10:55Glauben, den ich habe, je nachdem wofür er sich entscheidet, wird er da auf jeden Fall schon mit
11:01Problemen irgendwann konfrontiert werden. Aber ich glaube schon, dass er da ganz gut eigentlich
11:07durchs Leben gehen kann. Ich sehe meine Zukunft hier nicht. Weil ich mich hier mit meinem Aussehen, mit meiner Herkunft
11:20oder mit meiner Religion, woher ich komme, nicht so wohl fühle. Weil ich mir hier keine Zukunft mit
11:32Kindern irgendwann vorstellen kann.
11:42Weil ich mir auch nicht vorstellen kann, den passenden Partner für mich zu finden.
11:45Wohin? Das ist eine gute Frage. Es ist schwierig, weil du hast überall Rassismus, du hast überall Diskriminierung.
11:55Aber ich könnte mir erst mal vorstellen, erstmal für ein paar Jahre nach London zu gehen. Weil ich da
12:01schon da war und ich das Gefühl hatte, dass es dort besser ist.
12:05Wie ist dein Ziel?