Sie bieten viel mehr als nur ein schnelles Feierabendbier. Für viele Deutsche sind Kneipe, Späti & Co. Orte des Austauschs und der Gemeinschaft.
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00:00Kneipe, Späti, Kiosk. Hier kommen Menschen in Deutschland fast täglich zusammen. Ein
00:10schneller Treffpunkt zwischen Arbeit und Zuhause.
00:12Man hat wie so eine kleine Familie, das ist super.
00:17Eigentlich geht man immer mit einem guten Gefühl.
00:19Das Gesellige, das hat man zuhause nicht. Das ist hier.
00:24Orte des Austauschs, die wichtiger sind denn je. Denn immer mehr Menschen in Deutschland
00:28leiden unter Einsamkeit, die Gesellschaft ist gespalten, die Stimmung oft feindselig.
00:33Helfen solche Treffpunkte die Menschen zusammenzubringen und mit welchen Herausforderungen haben sie
00:37zu kämpfen?
00:38In Berlin kult der Spätkauf, von allen Späti genannt.
00:56Es gibt mehr als 1000 dieser kleinen Geschäfte in der deutschen Hauptstadt, an allen Ecken.
01:01Sie bieten das Nötigste für den täglichen Bedarf und oft noch viel mehr.
01:09Tunca Karablud betreibt seit vier Jahren diesen Späti.
01:12Er ist in seinem Stadtviertel, dem sogenannten Kiez, bekannt und beliebt.
01:16Wir machen auch gleichzeitig eine Sozialarbeit hier, für die Menschen hier im Kiez.
01:22Das Konzept des Spätkaufs stammt noch aus der DDR.
01:30Arbeiter, die damals in der Spätschicht eingeteilt waren, sollten auch noch eine Chance haben,
01:34das Nötigste einzukaufen.
01:36Tuncas Späti hat in der Woche bis zwei Uhr und am Wochenende sogar bis drei Uhr nachts
01:40geöffnet.
01:41In Deutschland schließen Supermärkte oft zwischen acht und zehn Uhr und am Sonntag
01:45sind sie komplett zu.
01:47Der Ladeninhaber, der hat die Arschkarte, der arbeitet, der hat keine Ahnung, was drauf
01:52ankommt.
01:53Manchmal 15, 16 Stunden.
01:55In vielen Spätis gibt es heute nicht nur Getränke, Snacks und Zigaretten.
01:59Um überleben zu können, ist von den Betreibern Flexibilität gefragt.
02:03Immer müssen sie sehen, womit sie noch Geld verdienen können.
02:05Ein Zuverdienst, das Postgeschäft.
02:08Denn in Deutschland gibt es immer weniger Postfilialen und immer mehr Versandhandel.
02:12Also für ein Paket bekommt man 30, 40 Cent ungefähr.
02:16Das kommt drauf an, wie groß, wie schwer, wo es hingeht.
02:19Also wenn die Kunden reinkommen, 30, 40 Prozent davon geben auch was anderes mit.
02:25Und dadurch wird es sich lohnen.
02:28Aber ansonsten nur allein die Post.
02:30Wie ist es?
02:32Sag mal.
02:34Das ist der beste Mann.
02:36Das ist der beste Mann.
02:38Hör auf, hör auf.
02:40Den nennen sie Onkel, ja?
02:42Auf der Straße.
02:43Auf der Straße trifft man auch immer Freunde.
02:45Immer Leute, mit denen man sich gut versteht.
02:47Ja, das liebe ich so sehr hier.
02:48Es hat so was familiäres tatsächlich.
02:50Also weil man natürlich durch die Regelmäßigkeit alle Mitarbeiter kennt.
02:53Und die einen auch kennen.
02:54Und dadurch kommt man automatisch ins Gespräch.
02:56Wenn du mal irgendwie nachts noch Bock auf einen Snack hast, kannst du schnell hergehen.
03:00Das Geschäft mit Getränken und vor allem mit Bier ist für alle Spätis essentiell.
03:06Also wir haben ja heute neue Ware bekommen.
03:09Unser Laden ist dafür sehr bekannt.
03:11Wir haben ja, ich glaube, über 250 Biersorten.
03:14Ein gut gekühltes Bier nach Feierabend, dafür war schon in der DDR der Spätkauf da.
03:19Im Sommer wird der Späti manchmal fast zur Kneipe.
03:24Ob man jetzt noch auf eine Party geht, dann kriegt man unterwegs noch einen mit.
03:31Oder die treffen sich hier draußen.
03:33Manchmal wird das dann 30, 40, 50 Leute.
03:36Selbst im Winter, bei Temperaturen um den Gefrierpunkt, stehen einige vor der Tür für ein Bierchen.
03:41Nicht nur, weil sie Durst haben.
03:43Das ist eine soziale Gelegenheit, Leute kennenzulernen.
03:52Manchmal wirklich nette Leute.
03:59Wenn ich noch schnell ein Bier vor einer Party möchte, so wie jetzt gerade, ist das eine schnelle Sache.
04:06Auf Tunca Karablud und sein Team verlassen sich alle im Kiez.
04:11Manchmal möchte ich nach Hause gehen, aber ich kann nicht nach Hause gehen,
04:14weil die sich mit mir unterhalten wollen.
04:16Oder die kommen hierher, die haben Probleme.
04:18Und welche Probleme? Zuhause Probleme mit der Frau.
04:22Oder umgekehrt, mit dem Mann, oder mit dem Kind, oder mit der Nachbar.
04:26Und die kommen hierher, wollen was loswerden, mit jemandem darüber reden.
04:29Und das wird hier so oft gemacht, sehr, sehr oft gemacht.
04:34Ich denke, bei den anderen Spätis ist es genauso.
04:38Der Kiosk, auch Büdchen- oder Trinkhalle genannt, ist das Pendant zum Späti in vielen Städten im Westen Deutschlands.
04:44Oft Retter in der Not, für viele Heimat- und Kindheitserinnerung.
04:48Nirgends gibt es so viele wie hier im Ruhrgebiet.
04:52Mansur Faraci hat sein Dortmunder Kiosk in Sektoren aufgeteilt.
04:56Die Seite ist deutsche Seite, die andere Seite ist pelsische Seite.
05:00Aber schon beides. Manchmal verkaufe ich die Seite, manchmal die.
05:03Am Wochenende meistens ist es wegen Fußball, kommt die Seite mehr.
05:06Manchmal die Familie von Heimat, kommt die Seite.
05:11Seit zehn Jahren betreibt der 51-jährige Iraner seinen Laden.
05:15Vor knapp drei Jahren erweiterte er sein Angebot um persische Feinkost.
05:20So wird sein Kiosk auch zum Ort des Kulturaustauschs.
05:24Gefällt mir das, unsere Kultur zu verkaufen, die Sache zu verkaufen.
05:29Viele kennen uns, weil viele vertauschen sie das, unser Land.
05:34Iran ist Irak, weil viele Leute unter 20 Jahre kennen unser Land nicht.
05:39Ich will aber unser Land, unsere Kultur bei vielen einmal zeigen.
05:45Deswegen, das dauert ein bisschen.
05:48Heute auf morgen geht nicht, zwei, drei Jahre passt nicht.
05:51Entschuldigung, bitte sehr.
05:54Etwas über 20 Quadratmeter nennt er sein Eigen.
05:57Mansur ist stolz darauf, mehr als 360 verschiedene Artikel anzubieten.
06:01Das kommt bei der Kundschaft an.
06:06Weil es hier alles gibt.
06:08Freitags kann ich Kuchen bekommen, Lebensmittel, alles.
06:14Ich komme häufig hier, weil die Atmosphäre sehr freundlich ist.
06:17Es ist sehr nett, immer wieder was Neues gibt es.
06:20Immer wieder was auszuprobieren.
06:23Einmal im Jahr fährt er selbst in den Iran
06:26und kümmert sich um Waren und Lieferanten.
06:29Reich wird er mit seinem Geschäft nicht, trotz der vielen Arbeit.
06:34Nur Montag habe ich Ruhetag, weil ich 12 Stunden am Tag arbeiten muss.
06:39Wir sehen jeden Tag, wir sind auf.
06:42Kurze Zeit kann ich zumachen,
06:44mehr als eine Woche oder vier, fünf Nächte kann ich nicht.
06:47Die Leute akzeptieren das nicht.
06:50Die meisten Kioske betreiben heute Einwanderer wie Mansur.
06:53Er wohnt direkt nebenan.
06:55Mittags kommt manchmal seine Tochter nach der Schule vorbei.
06:58Mit vielen in seiner Nachbarschaft fühlt er sich eng verbunden.
07:03Ich habe mit vielen Leuten zu tun.
07:06Ab unter 10 Jahren alt Korgummi, Weingummi oder andere Sachen kaufen.
07:11Bis 70, 80 Jahre alte Leute.
07:14Ich kenne viele Kulturen, viele Ausländer.
07:17Ich kenne als Nachbar Arzt, Ingenieur usw.
07:20Ausgebildete Leute, Schüler, Schülerinnen, Studenten.
07:24Deswegen gefällt mir das, mit vielen Leuten Kontakt zu haben.
07:27Jeden Tag komme ich gerne zur Arbeit.
07:31Der Soziologe Paul Eisewicht weiß,
07:33warum Kioskbütchen und Trinkhallen so wichtig sind.
07:38Die Grundfunktion ist bequeme Nahversorgung.
07:41V.a. bei den Zeitungskiosken war das damals,
07:44es gab kein Internet, kein Fernsehen.
07:46Das waren die Orte, wo Informationen gehandelt wurden.
07:49Zeitungen, die aber auch verkauft wurden.
07:51Zwischendrin gab es Klatsch und Tratsch
07:53zwischen den Verkäufern und den Anwesenden.
07:56Ihn erstaunt es oft,
07:58wie flexibel die Kioskbetreiber sind mit ihrem Angebot.
08:01Ständig müssen sie sich an gesellschaftliche Veränderungen
08:04und neue Bedürfnisse anpassen.
08:06Auf der anderen Seite ist es etwas, was unter Druck gerät.
08:09Durch Lieferdienste, Online-Shoppen, Supermärkte,
08:12die längere Ladenöffnungszeiten haben.
08:14Das ist auch immer etwas, wo man sieht,
08:16dass die Bedingungen, unter denen das gemacht wird,
08:19durchaus schwerer sind.
08:21Und dass das eine Herausforderung ist.
08:24Trotzdem, der Kiosk gehört zum Ruhrgebiet
08:27und ist hier sogar Teil des immateriellen Kulturerbes.
08:33Wie Kiosk und Späti ist auch die Kneipe in Deutschland
08:36eine soziale Anlaufstelle im Alltag.
08:38Hier kommen Menschen nach der Arbeit zusammen.
08:41Doch zwischen 2012 und 2022
08:43hat die Anzahl der Kneipen deutschlandweit
08:46um rund 30% abgenommen.
08:49Ein Kneipenabend in Wechmar.
08:51Was früher eine Selbstverständlichkeit war,
08:54ist hier nun eine Ausnahme.
08:56Eine volle Kneipe am Freitagabend.
08:58Das gibt es jetzt nur noch einmal im Monat.
09:01Wir haben eine halbe Stunde auf. Die Kneipe ist schön gefüllt.
09:05Da kann man nichts dagegen machen.
09:07Die Freunde kommen aus anderen Dörfern.
09:09Es spricht sich auch um.
09:11Es ist sehr schön.
09:13Genauso wie es sein soll, wie man es sich vorgestellt hat.
09:16Wechmar liegt in Thüringen in Ostdeutschland
09:19und hat rund 3000 Einwohner.
09:21Jörg Faulstech ist hier geboren.
09:23Ihm liegt eine lebendige Gemeinschaft am Herzen.
09:26Er ist auch Präsident des Fußballvereins.
09:29Wir hatten früher zusammen 8 Kneipen.
09:31Jetzt haben wir 0 Kneipen.
09:34Das Kneipensterben ist v.a. auf dem Land ein großes Problem.
09:38Inflation, Corona, mangelnde Nachwuchskräfte.
09:41Die Gründe sind vielfältig.
09:43In Wechmar schloss die letzte Kneipe 2022.
09:46Vielen fehlt sie.
09:48Im Ort suchte man nach einer Lösung und kam auf eine besondere Idee.
09:52Im ehemaligen Gasthaus zum Goldenen Löwen
09:55kehrt nun einmal im Monat wieder Leben ein.
09:5815 Leute haben sich zur Initiative Kneipenabend Wechmar
10:01und machen nun einfach alles selbst.
10:03Unentgeltlich.
10:05Aufgaben teilen wir uns jedes Mal neu ein.
10:08Je nachdem, wer Zeit hat, wer kann.
10:11Es gibt immer entweder Bedienung oder Zapfen oder Spülen
10:15oder in der Küche.
10:17Ansonsten Donnerstag die ganze Vorbereitung,
10:20Samstag die ganze Aufräumarbeit.
10:22Morgen früh um 9 Uhr stehen wir wieder hier.
10:2522-mal gab es den Kneipenabend nun schon.
10:28Im Jahr 2023 ging es los.
10:30An jedem letzten Freitag des Monats öffnet der Goldene Löwe wieder.
10:35Für uns war es aber wichtig,
10:37dass es eine Sache ist, die einmal im Monat stattfindet.
10:41Dass es für jeden erträglich ist.
10:43Und dass es für die Leute auch was ist,
10:45wo man sich drauf freuen kann.
10:51Man ist schon mehr Leben und Gemeinschaft im Dorf.
10:54Wenn man schon keine Kneipe mehr hat,
10:56ist es schön, das alle 4 Wochen mal zu haben.
10:59Es ist einfach ein gemeinschaftliches Gefühl.
11:02Es macht Spaß.
11:03Das Gesellige, das hat man zu Hause nicht.
11:06Das ist hier.
11:08Und worüber redet man so?
11:10Politik lassen wir eigentlich außen vor.
11:13Das geht in die falsche Richtung.
11:15Das gehört nicht hierher.
11:17Wir sind da, um den Alltag zu vergessen.
11:20Klatsch und Tratsch.
11:21Alles durcheinander, aber gestritten wird nicht.
11:24Man kann verschiedener Meinung sein.
11:26Aber im Endeffekt kommen wir da schon auf eine Runde.
11:29Weil alle an dem Kneipenabend ehrenamtlich arbeiten
11:32und die Gemeinde den Raum zur Verfügung stellt,
11:35sind die Getränke im Verkauf sehr günstig.
11:38Auch das bringt die Menschen zusammen.
11:41Die Preise in der freien Wirtschaft sind relativ hoch.
11:45Es kostet 4-5 Euro in der Kneipe.
11:48Die haben ja auch Personalkosten, die wir hier nicht haben.
11:52Wir bieten es für 2 Euro an.
11:54Es wird ja auch gut angenommen.
11:56Der Kneipenabend in Wechmar ist ein Erfolg.
11:59Inzwischen wurde das Konzept der selbstorganisierten Kneipe
12:03auch schon in 2 Nachbardörfern übernommen.
12:06Eigentlich tue ich das aus Spaß und Freude.
12:09Weil es unser Dorf ist.
12:11Ich sage mal, ich lebe hier.
12:13Das sieht man nicht als Last.
12:15Das macht man im Gange.
12:17Das ist das Schöne an der Garnison.
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