Trotz Klimakrise - in den USA wird derzeit so viel nach Öl gebohrt wie nie zuvor, vor allem in Texas. Neue Fracking-Technologien ermöglichen den Zugang zu immer neuen Ölreserven – mit drastischen Folgen für menschliche Gesundheit und die Umwelt.
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00:00Es ist heiß für diese Jahreszeit auf der Fahrt nach West-Texas,
00:04nahe der Grenze zu New Mexico. Überall Ölbohrtürme.
00:09Schau mal, da sind auch welche.
00:11Im August 2024 förderte Texas rund 5 Millionen Barrel Öl pro Tag,
00:16was etwa der Ölproduktion Kanadas entspricht.
00:23Fast die Hälfte des landesweit geförderten Öls stammt aus Texas.
00:28Das Öl ist also zentral für die ganze Wirtschaft hier.
00:32Die Universität von Texas besitzt Millionen von Hektar Land.
00:36Je mehr Öl gefördert wird, desto mehr verdient auch die Uni.
00:41Auch die Museen hier leben vom Öl, darunter das Petroleum Museum in Midland.
00:46Sie liegt im Herzen eines riesigen Ölfeldes, das von West-Texas bis nach New Mexico reicht.
00:53Hier gibt es viele alte Ölanlagen.
00:55Texas war jahrzehntelang das Zentrum des amerikanischen Ölbooms.
01:00Und all diese alten Anlagen stammen aus den 1920er Jahren.
01:05Der erste Schritt der Ölförderung, das Bohren. Dann kommen die Pumpen.
01:10Da drüben gibt es Pumpen, die wir uns ansehen können.
01:14Wenn man auf Öl stößt, explodiert es regelrecht heraus.
01:17Aber nach einer Weile, wenn der Druck nachlässt, muss man pumpen. So wie diese hier.
01:24Das ist kein einfacher Prozess.
01:27Um mehr zu erfahren, spreche ich mit Brian Grant.
01:31Das Öl ist im Gestein eingeschlossen, in diesen verschiedenen Schichten.
01:38Wir müssen also nicht nur bohren, sondern auch das Gestein aufbrechen.
01:42Seit über 100 Jahren wird das Gestein gebohren.
01:45Seit über 100 Jahren wird das Gestein durchbrochen, um an Öl zu kommen, meist mit Sprengstoff.
01:51Danach wird Sand injiziert, der die Risse offen hält.
01:55Sand ist mit Wasser und Chemikalien ein wesentlicher Bestandteil des modernen Frackings.
02:01Es gibt aber auch horizontale Bohrungen, die produktiver sind als die vertikalen.
02:06Seit es Fracking gibt, haben die USA ihre Produktion fast verdreifacht.
02:10Er kennt ja jedes Bohrloch. Hollis Eubanks, der Ingenieur, arbeitet seit fast 10 Jahren in der Öl- und Gasbranche.
02:21Wir gehen mit einer Art Kanonenrohr unter die Erde. So machen wir die Löcher.
02:29Sie machen also die Explosionen? Das haben wir im Museum gesehen.
02:34Hollis zeigt uns einige Baustellen in der Nähe der Stadt.
02:37Warum arbeiten Sie in der Ölbranche?
02:44Es ist das viele Geld. Ich kenne Leute, die nicht einmal einen Highschool-Abschluss haben und sechsstellig im Jahr verdienen.
02:52Es ist schwer, in ein normales Leben zurückzukehren. Wer Blut geleckt hat, wird oft süchtig.
02:58Auch für die Branche geht's ums große Geld. Dieser große Öl- und Gasfonds hat das zweitbeste Geschäft seiner Geschichte gemacht.
03:06Das Gehalt von Chevron-CEO Mike Wirth stieg 2023 um 12 Prozent auf über 26 Millionen Dollar.
03:15Ein Teil des Geldes bleibt in Texas. Die Uni von Texas ist nach Harvard die zweitreichste.
03:20Und die Industrie zahlte dem Staat im Jahr 2023 über 26 Milliarden Dollar an Steuern.
03:27Das Öl bringt immer mehr Geld. Aber wir zahlen dafür auch einen immer höheren Preis.
03:35Denn der Öl-Boom hat nicht nur gute Jobs geschaffen.
03:39Dies hier ist eine Baustelle.
03:42Eine Baustelle?
03:44Ja, Wartungsarbeiten. Die Leute arbeiten bei Regen, Schnee, Hitze und Kälte. Immer. Das ist hart.
03:51Ich glaube, viele Leute zögern das zu machen.
03:55Zuletzt kam es in der Branche zu massiven Entlassungen. Ein Grund, das Überangebot durch Fracking.
04:00Hinzu kommt, dass aufgrund neuer Technologien weniger Arbeitskräfte gebraucht werden.
04:06Wir haben Unternehmen rund um Midland gefragt, was das bedeutet, aber keine Antwort erhalten.
04:14Hollis sagt, dass immer mehr Menschen abwandern.
04:20Viele Leute kehren in ihre Heimat zurück und arbeiten dort, wo sie etwas finden.
04:26Andere sind weggegangen und arbeiten jetzt in der Wind- und Solarbranche.
04:31Auch er denkt über einen Wechsel nach, damit er mehr Zeit zu Hause hat.
04:36Landesweit wachsen die Jobs bei den erneuerbaren Energien doppelt so schnell wie im übrigen Energiesektor und in der US-Wirtschaft.
04:44Eine andere Behauptung ist, je mehr Bohrungen, desto energieunabhängiger die USA.
04:51Und weil es so viel Öl gibt, wird es häufig in Erdölprodukte wie Benzin umgewandelt.
04:58Das geschieht landesweit in Raffinerien und sehr viel in Texas.
05:03Die meisten Raffinerien wurden jedoch vor dem Fracking-Boom gebaut, was eine andere Art von Öl produziert.
05:10Die letzte Raffinerie mit voller Kapazität wurde 1977 gebaut.
05:15Heißt, viel durch Fracking gewonnenes Rohöl wird exportiert, vor allem nach Europa und China.
05:19Die USA importieren ein anderes Öl, vor allem aus Kanada.
05:24Der Öl-Boom hat die Importe zwar verringert, aber ganz darauf verzichten können die USA nicht.
05:30Und mehr Bohrungen führen nicht direkt zu niedrigeren Preisen.
05:34Das spielt zwar eine Rolle, ist aber nur ein Teil eines komplizierten globalen Puzzles.
05:39Außerdem wollen die Firmen einen hohen Ölpreis.
05:42Dann können sie gute Löhne anbieten, in neue Infrastruktur investieren und theoretisch alte Bohrlöcher schließen.
05:49Das ist genauso wichtig wie das Bohren an sich.
05:53Denn wenn ein Loch stillgelegt wird, muss man es auch sichern.
05:57Das ist hier aber oft nicht der Fall.
06:00Diese nicht stillgelegten Bohrlöcher können massive Schäden anrichten.
06:05Und das kostet.
06:07Aus ihnen können Chemikalien ins Grundwasser und Methan in die Luft gelangen.
06:10Eine Untersuchung hat ergeben, etwa 1000 Bohrlöcher haben so viel Methan ausgestoßen wie 4000 Autos in einem Jahr.
06:18Und die Unternehmen lassen die Steuerzahler mit dem Problem allein.
06:26Wir fahren außerhalb von Midland zu Farmen, die auf ihrem Land verlassene und problematische Brunnen haben.
06:41Wie viele Menschen hier ist auch Laura Briggs eng mit der Ölbranche verbunden.
06:46Mein Großvater arbeitete für Enko Ambel Esso Exxon.
06:51Mein Vater arbeitete für Exxon.
06:53Jetzt lebt sie auf tickenden Zeitbomben.
06:56Dieser Brunnen hier war einer der alten, der am 1. August explodierte.
07:02Explodiert?
07:05Dieses produzierte Wasser floss überall hin.
07:10Produziertes Wasser ist Abwasser, das nach der Bohrung einer Öl- und Gasquelle übrig bleibt.
07:15Wir wissen also nicht einmal, was da drin ist. Es ist ihr Geschäftsgeheimnis, womit sie fracken.
07:20Es ist das, was sie in den Boden einleiten und dann später Probleme macht.
07:24Dieses Abwasser kam in Kontakt mit Lauras Tieren. Es füllte sich wie Abflussreiniger an auf ihrer Haut.
07:30Neben der Explosionsgefahr können diese Abwasserinjektionen auch Erdbeben verursachen.
07:35Viele Bohrlöcher sind in ländlichen Gebieten. Dort kann man sie leicht ignorieren.
07:40Laura muss warten, bis dieses Bohrloch explodiert, bevor jemand kommt, um es zu stopfen.
07:46Hawk Dunlap ist einer von denen, der das Problem gut kennt.
07:52Er repariert problematische Brunnen und weiß, wie groß das Problem mit dem Brunnen wirklich ist.
07:57Es handelt sich hier um ein Chevron-Bohrloch, das 2010 gestopft wurde.
08:02Wir haben es vor etwa einem Monat ausgegraben.
08:06Sie können Überreste des Bohrlochs sehen, das verstopft werden sollte.
08:12Aber es tritt Rohöl aus dem Loch aus.
08:17Das ist Rohöl, da ist Gas drin. Wir haben es getestet. Es enthält auch das giftige Wasser.
08:25Vor zwei Jahren haben wir mit der Ausgrabung von Bohrlöchern begonnen und die ersten sieben waren undicht.
08:30Alle? Die ersten sieben, ja.
08:34Seitdem haben wir auf dieser Ranch 100 ausgegraben und ich würde sagen, 95 davon sind undicht.
08:41Bei den anderen fünf bin ich mir nicht sicher.
08:47Auf der offiziellen texanischen Liste stehen fast 8500 nicht abgeschaltete plus mehr als 780.000 ungenutzte Bohrlöcher.
08:54Darin nicht enthalten unsachgemäß verschlossene Löcher, deren ordnungsgemäße Schließung teuer wird.
09:01Das bedeutet, dass Chevron für jedes dieser Bohrlöcher bis zu einer Million Dollar zahlen muss.
09:09Für jedes Bohrloch? Klar.
09:12Es gibt zwar staatliche und bundesstaatliche Sanierungsprogramme, aber sie haben nicht annähernd genug Geld.
09:25Ich gehe davon aus, dass die meisten der bereits gestopften Löcher irgendwann noch einmal überprüft werden müssen.
09:33Das sind Billionen von Dollar.
09:36Ja, man kann eine Ölgesellschaft in den Bankrott treiben.
09:40Auch Sarah Staubner kennt das Problem. Sie und Hawk planen, Chevron wegen dieser stillgelegten Bohrlöcher vor Gericht zu bringen.
09:48Sarah glaubt, dass für die Unternehmen aufgrund der schlecht verschlossenen Bohrlöcher und der entstandenen Schäden die Kosten höher sind als die künftigen Einnahmen.
09:57Sie haben sogar eine Stelle gefunden, an der das Grundwasser ölhaltig ist.
10:01Wir subventionieren das Entgiften. Das Geld, das die Industrie an Steuern zahlt, wird dann dazu verwendet, ihren Dreck wegzuräumen.
10:09Ein Grund für mehr Bohrungen, die Kosten für die Steuerzahler zu senken.
10:12Doch die Folgekosten zur Entgiftung der Umwelt sind da nicht mit einkalkuliert.
10:18Laut einer Studie könnte Texas bis 2050 emissionsfrei werden und die Wirtschaft würde sogar wachsen.
10:26Grund dafür ist auch die Zunahme von Jobs bei den erneuerbaren Energien.
10:31Texas steht für seine Energieproduktion.
10:35Doch trotz aller Versprechungen, das Herz für Öl und Gas schlägt hier höher als das für die Umwelt.