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Der Historiker Alberto Grandi will herausgefunden haben, dass viele Mythen um italienische Traditionsgerichte frei erfunden sind. Hat er recht?

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Transkript
00:00Dieser Mann stellt alles auf den Kopf,
00:03was wir über italienische Küche zu wissen glaubten.
00:07In den großen italienischen Touristenstädten
00:10wie Florenz, Rom und Venedig ist es zum Volkssport geworden,
00:13den Touristen zu betrügen, ihn mit Mist zu füttern und zu behaupten,
00:17dass es sich dabei um die gute italienische Küche handele.
00:20Dabei gibt es keinen Grund, warum die Italiener besser kochen können
00:24als die Franzosen, Deutschen oder Österreicher.
00:28Alberto Grandi ist Professor für Wirtschaftsgeschichte
00:31an der Universität Parma und behauptet in seinen Büchern,
00:34Pizza kennt man in Italien erst seit den 1950er-Jahren,
00:39den einzig echten Parmesan gibt es in Wisconsin
00:43und italienische Omas können nicht kochen.
00:45Doch was ist dran an seinen Thesen?
00:47Bei der Einordnung hilft uns Maralena Fossati,
00:51Chefredakteurin von La Cucina Italiana.
00:53Sie setzt sich dafür ein, dass die italienische Kochkunst
00:56als immaterielle Kulturerbe der UNESCO aufgenommen wird.
00:59Und natürlich fragen wir auch Italiener und Italienerinnen.
01:03These 1, neapolitanische Pizza ist nicht in Italien entstanden.
01:11Die Pizza, die wir heute essen, die neapolitanische Pizza,
01:14ist eher amerikanisch als italienisch.
01:19Wie bitte? Dabei ist Pizza doch das italienische Gericht schlechthin.
01:23Jeder kennt und liebt sie.
01:27Tatsächlich gab es schon im 18. Jh. Vorläufer der Pizza in Neapel.
01:31Gut, sie sah damals noch etwas anders aus.
01:33Die Pizza war ein günstiges Essen für die arme Unterschicht Neapels.
01:37Ein Brot, das man mit dem belegte, was man noch zu Hause hatte.
01:41Die Pizza, die in Neapel vor der großen Auswanderung
01:44Ende des 19. und Anfang des 20. Jh. gegessen wurde,
01:47war ein sehr simples Produkt, das aus unserer Küche verschwinden würde,
01:51weil es ein Produkt war, das die Neapolitaner selbst verabscheuten.
01:55Natürlich hat sich die Pizza weiterentwickelt
01:58und verändert, wie alle Rezepte.
02:00Aber das bedeutet nicht, dass es keine Urheberschaft gibt.
02:03Eine Herkunft der Pizza aus Neapel.
02:06These 2.
02:08Olivenöl war bis in die 1980er-Jahre hinein nur als Lampenöl zu gebrauchen.
02:12Heute konsumieren die Italiener bis zu 13 l Olivenöl pro Person im Jahr.
02:19Und das soll eine neue Entwicklung sein?
02:22Bei der berühmten mediterranen Diät
02:25wurde noch nie Olivenöl, sondern Schweinefett als Kochfett verwendet.
02:29Bitte?
02:31Dabei schwärmen doch schon Reisende im 19. Jh.
02:33vom Wohlgeschmack italienischer Öle.
02:36Sicherlich gab es jemanden, der hochwertiges Olivenöl herstellte.
02:40Aber für die große Mehrheit der Italiener
02:42war es unbekannt und von sehr schlechter Qualität.
02:45Weil es knapp war, weil es so viel kostete,
02:47weil es für alles verwendet wurde, außer für die Herstellung von Lebensmitteln.
02:51These 3.
02:52Der eigentlich echte Parmesan-Käse wird im US-Bundesstaat Wisconsin produziert.
02:57Parmigiano-Reggiano als solcher ist für mich ein italienischer Käse,
03:01der im Mittelalter entstand. Punkt.
03:04Das stimmt auch.
03:05Allerdings hat er sich in den vergangenen Jahrhunderten stark verändert.
03:09Der ursprüngliche Parmesan ist nämlich weicher und seine Textur ist fester.
03:13Erst nach dem 2. Weltkrieg wurde der Parmesan in Italien
03:16zu dem bröckligen Hartkäse weiterentwickelt, den wir heute kennen.
03:20Und wie man ihn hier sieht.
03:22In Wisconsin wird er jedoch hergestellt wie vor 100 Jahren.
03:25Wenn wir den Parmesan unserer Großeltern probieren wollen,
03:28müssen wir nach Milwaukee fahren, nicht nach Parma.
03:31Aber ein 1.000 Jahre alter Käse ist einfach schrecklich.
03:35These 4. Italienische Großmütter können nicht kochen.
03:42Die Großmütter dieses Landes wissen nicht nur, wie man kocht.
03:46Sie sind das Herzstück der italienischen Küche.
03:49Selbst die italienischen Großmütter wussten nicht, wie man kocht.
03:52Oder besser gesagt, sie konnten vielleicht drei Gerichte,
03:55so wie alle in der Welt das können.
03:57Festtagsgerichte, Tortellini, Lasagne und so etwas.
04:00Aber der Rest war einfach nur ein Auskommen mit dem Wenigen,
04:04das es gab.
04:05Aber geht es in der italienischen Kochtradition überhaupt
04:08um Perfektion und unveränderte Rezepturen?
04:13Die ganze Welt kennt die italienische Küche also, glaube ich, nicht,
04:17dass sie nur 100 Jahre oder 50 Jahre oder zehn Jahre alt ist.
04:20Schließlich wurden diese Gerichte bereits vom Urgroßvater zum Großvater
04:24zu den Kindern usw. über Generationen hinweg weitergegeben.
04:27Das ist der eigentliche Kern meiner Arbeit, nämlich zu zeigen,
04:30dass Traditionen erfunden und vor allem verändert werden können.
04:34Denn darum geht es im Grunde.
04:36Natürlich waren wir vor 1.000 Jahren anders gekleidet,
04:39haben anders gelebt und hatten andere Zutaten.
04:41Das heißt aber nicht, dass es nicht trotzdem unsere Tradition war.
04:45Ich finde, dass in Italien viel Liebe
04:47in die Zubereitung des Essens gesteckt wird.
04:49Ob 400 oder 50 Jahre alt, am Ende ist die italienische Küche
04:53mehr als die Summe ihrer Zutaten.
04:55Und auch ihre schärfsten Kritiker können ihr meist nicht widerstehen.

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