Italien: Das Verschwinden der Amalfi-Zitronen

  • vor 2 Monaten
An der italienischen Südküste sterben Zitronenbäume durch Pilzbefall – die Früchte sind dort mehr als nur ein Kulturgut.

Category

🗞
News
Transcript
00:00Die Amalfiküste, für viele das schönste Landstrich Italiens. Von dieser Schönheit nicht wegzudenken,
00:08die Zitronen. Die aus Amalfi wachsen auf Terrassen, die vor Jahrhunderten ins steile Gelände gebaut
00:15wurden. Selbst die Luft, sie riecht hier nach Zitronen, vermischt sich mit den Gerüchen des
00:20Meeres. Auch Francesco Bonocore baut hier seine Zitrusfrüchte an. Tausend Bäume gehören ihm,
00:26die Ernte hat begonnen. Diese Arbeit gefällt mir. Ich mache das, seit ich sieben bin. Die
00:35Zitronen sind für mich ein Traum. Doch seit dieser Saison ist sein Traum zu einem Albtraum
00:42geworden. Ein schädlicher Pilz hat Francescos Zitronenhain erreicht. Normalerweise sollte hier
00:48alles dicht zugewachsen sein. Die offenen Stellen zeigen, wie das sogenannte Malsecco die Bäume von
00:54innen heraus austrocknet. Schau hier, das ist der Malsecco. Immer mehr Pflanzen vergilben,
01:04auch diese hier. Mit der können wir nichts mehr anfangen. In zwei, drei Jahren wird hier alles
01:15vom Malsecco befallen sein. Schau da oben, auch diese Pflanze hat es bereits erwischt. Das ist
01:24der Pilz, jetzt ist auch dieser Baum infiziert. Auch dieser ist infiziert, hat sich aber noch
01:30nicht verbreitet. Francesco Bonocore hat um die Hälfte seiner diesjährigen Ernte verloren und
01:3825 Prozent der gesamten Zitronenhaine entlang der Amalfi Küste sind mittlerweile vom Pilz
01:44befallen. Enzo Tropiano vom Bauernbund Colbiretti ist alarmiert, die Landwirte sind machtlos.
01:50Die Wissenschaft hat bisher keine Lösung gegen den Malsecco gefunden. Wichtig ist es,
01:59die kranke Pflanze zu entwurzeln, denn dieser Pilz befindet sich im Inneren der Wurzel. Daher
02:05muss man die Wurzeln entfernen, dann das Stück Land ein Jahr lang brach liegen lassen, damit alles
02:12gut abfaulen kann. Und erst dann kann man einen neuen Zitronenbaum pflanzen, in der Hoffnung, dass
02:18dieser nicht schon infiziert ist. Der wirtschaftliche Schaden ist riesig, doch die Amalfi Zitronen sind
02:25mehr als nur Früchte. Sie gehört zum Lebensgefühl dieser Gegend, erzählt Tropiano. Aus den Zitronen
02:32pressen wir nicht nur den Saft, sondern gewinnen auch daraus Essenzen für den Limoncello-Likör,
02:37für Eis oder Süßweißen. Für all das ist die Amalfi-Küste auf der ganzen Welt bekannt.
02:42Etwas besser geht es den Hainen, die direkt am Meer liegen. Aber im Vergleich zu früher findet
02:51die Ernte um ein paar Monate früher statt, erzählt Chiara Gambardella. Sie leitet die Genossenschaft
02:57der Zitronenanbauer von Amalfi. Ihre 400 Zitronenbäume sind vom Malsecco größtenteils verschont
03:03geblieben. Beim ersten Anzeichen hat sie die kranke Pflanze verbrannt.
03:07Dieser Pilz, der Malsecco, hat sich wegen der Veränderungen der klimatischen Bedingungen
03:18verbreitet. Kalte und dann warme Temperaturen im Februar und März und ein starker Wind
03:23beschädigen unsere Zitronenbäume, denn sie sind gegen diese starken Temperaturschwankungen nicht
03:29gerüstet und so hat der Pilz ein leichtes Spiel. Amalfi ohne Zitronen wäre auch für den Tourismus
03:39eine Katastrophe, denn Meer und Strand findet man überall. Doch dazu den Duft nach Zitronen,
03:45den findet man nur hier. Das hier ist unser gelbes Gold. Schaut euch doch diese Terrassen an.
03:52Fortunato della Mornica ist der Bürgermeister von Cetara und der Sprecher aller Gemeinden der
03:58Amalfi-Küste. Die Zitronenblüte im Frühling, die Farben, das Grün, all dies könnte es in
04:03fünf Jahren nicht mehr geben, falls nicht etwas passiert. Ohne Zitronen würde die Amalfi-Küste
04:10alles verlieren. Viele Terrassen mit Zitronenbäumen wurden bereits aufgegeben. Die Folgen sind schnell
04:15sichtbar und das Risiko von Erdrutschen und Überschwemmungen steigt. Die Früchte waren
04:21bereits für Francesco Bonacordes Großvater die Lebensgrundlage. Heute weiß er nicht,
04:26wie seine Zukunft aussehen wird. Solange es geht, werden wir hier weitermachen. Vielleicht
04:33müssen wir aber irgendwann diesen Ort aufgeben und gehen. Immerhin auch die italienische Regierung
04:39hat jetzt Hilfsmaßnahmen für die Zitronenbauern der Amalfi-Küste versprochen. Francesco hofft,
04:44dass er so zumindest bis zur nächsten Ernte über die Runden kommt.

Empfohlen