Ein Junge verschwindet. Ein Albtraum für die Eltern. Während die Polizei nach dem Kind sucht, wird ein zweiter Junge vermisst. Die Polizei steht unter Druck. Ist ein Serientäter am Werk? Zwei Kriminalbeamte der damals zuständigen Sonderkommission reden mit Sven Voss über die schwierigen Ermittlungen in diesem Fall und die aufwändigen Suchmaßnahmen. Schließlich ist es ein überraschender Anruf, der sie auf die Spur des Täters führt. Außerdem spricht Sven Voss mit der erfahrenen Kriminalpsychologin Lydia Benecke über den Mörder und sein Doppelleben zu Hause als braver Sohn. (Text: ZDF)
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00:00Es ist der absolute Albtraum aller Eltern. Ihr Kind ist verschwunden und sie wissen nicht, wo es gerade steckt und ob es überhaupt noch am Leben ist.
00:09Täglich verschwinden so in Deutschland Kinder, tauchen aber zum Glück innerhalb von kürzester Zeit wieder auf.
00:15Der Fall, der sich 2015 in Potsdam zugetragen hat, entwickelt sich allerdings zu einem besonders dramatischen Verbrechen.
00:22Die ganze Dimension offenbart sich aber erst, als ein weiteres Kind spurlos verschwindet.
00:30Brandenburg, 8. Juli 2015. Seit drei Wochen wohnt der sechsjährige Leon mit seiner Mutter Franca in Potsdam.
00:39Und mit wem hast du heute in der Pause gespielt? Mit Dennis, der ist mein Freund. Siehst du? Wie ich gesagt habe, du findest ganz schnell neue Freunde.
00:47Hier möchte Franca gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten und ihrem Sohn einen Neustart wagen.
00:53Kommst du? Mama, ich hab Hunger. Mittagessen ist doch gleich fertig. Hallo Schatz, wir sind da. Hallo ihr zwei.
01:03Hast du deinen Apfel gegessen? Na, hab ich ja ganz vergessen. Na Leon, wie war's in der Schule? Gut, ich hatte meinen Freund.
01:13Ist doch super. Mama, kann ich spielen? Klar, aber zieh erst mal deine Schuhe aus. Ja.
01:24Leon ist ein sensibler Junge. In seiner neuen Umgebung fühlt er sich immer mehr zu Hause.
01:38Mama, Papa, ich fahre nochmal weg. Alles klar, tschüss.
01:53Hier ist langweilig. Kann ich noch raus? Klar, aber nur in den Innenhof, ja? Weiß ich noch. Ich hole dich dann später, wenn das Essen fertig ist. Okay.
02:23Gegen 16 Uhr geht Leon in den Innenhof zum Spielen.
02:53Spätsommer
03:23Na, kommst du klar? Ja, natürlich. Essen ist schon so gut wie fertig.
03:36Leon kann schon mal hochkommen. Okay, ich hole ihn.
03:44Leon?
03:49Leon?
03:53Leon?
03:59Leon?
04:05Leon, wo steckst du?
04:09Leon, das ist nicht witzig.
04:12Leon?
04:16Leon?
04:20Leon?
04:23Leon?
04:30Bei mir ist Kriminalhauptkommissar Ulf Brünsing. Herr Brünsing, jetzt sind wir an dem Ort, wo 2015 Leon verschwunden ist.
04:37Wenn ich mich hier so umschaue, ich kann es mir gar nicht vorstellen, dass hier ein Kind verschwindet.
04:41Das stimmt. Viele Anwohner haben hier freies Blickfeld auf diesen Spielplatz. Deshalb steht hier ein hohes Risiko, für den Täter gesehen zu werden.
04:49Leons Mutter war in großer Sorge, hat sofort mit der Suche begonnen. Was hat sie und ihre Kolleginnen und Kollegen zu so einem frühen Zeitpunkt so in Alarmbereitschaft versetzt?
04:58Wenn Kinder vermisst werden, muss die Polizei schnell reagieren. Kinder könnten aus den unterschiedlichsten Gründen als vermisst gelten.
05:05Einmal können sie eigenständig von zu Hause aus abgehauen sein. Sie könnten natürlich auch einen Unfall gehabt haben und sich nur in hilfloser Lage befinden.
05:13Oder die dritte Möglichkeit, Opfer einer Straftat geworden sein.
05:16Trotzdem sagt man ja, dass die meisten Kinder relativ schnell wieder auftauchen. In dem Fall haben sie aber einen sehr großen Aufwand betrieben, um Leon zu finden. Ist sowas üblich?
05:25Ja, die polizeilichen Maßnahmen wurden sehr schnell eingeleitet und dann auch mit Nachdruck durchgeführt.
05:31Grundsätzlich ist es so, dass wenn ein Kind vermisst wird, die Chance von Stunde zu Stunde sinkt, es unverletzt zu finden.
05:39Die Hilfsbereitschaft war enorm. Viele Nachbarn wollten sich an der Suche beteiligen. Und Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen haben natürlich auch gesucht. Was haben Sie alles unternommen?
05:49Wir haben diese ganze Umgebung hier abgesucht. Wir waren hier im Wohngebiet. Die Kollegen waren hier in jedem Keller und haben nach dem Jungen gesucht.
05:56Wir wurden auch unterstützt durch einen Polizeihubschrauber aus der Luft. Wir haben die Krankenhäuser informiert und haben Nachfrage gehalten, ob dort ein Junge eingeliefert wurde.
06:06Und wir haben auch sämtliche Überwachungsvideos der öffentlichen Verkehrsmittel hier aus dem Bereich gesichert und auch ausgewertet.
06:13Am Tag nach Leons Verschwinden ruft die Kripo Potsdam eine Sonderkommission ins Leben.
06:19Gibt es schon irgendwelche Hinweise, die uns weiterhelfen können?
06:22Ja, wir haben einige Zeugenaussagen von Anwohnern, die Leon noch am Nachmittag gesehen haben wollen. Demnach soll er allein am Spielplatz gewesen sein.
06:31Dass der Junge weggelaufen ist, scheint mir unwahrscheinlich. Vielleicht ein Unfall? Das ist doch ein Fluss in der Nähe des Wohngebiets.
06:39Wir müssen auch in diese Richtung denken. Was mit Autos, die im Umfeld gesehen wurden, wer ist da dran?
06:45Da haben wir bisher einen Hinweis. Ein Nachbar will ein Auto gesehen haben, das mit geöffneter Kofferraumklappe im Hof stand.
06:51Daneben soll ein Mann mit einem Kind gestanden haben. Der Zeuge hat das nur flüchtig gesehen.
06:56Und die Farbe?
06:57Konnte er nicht genau sagen. Er glaubt blau. Auf jeden Fall dunkel.
07:01Er konnte sich nicht an den Fahrzeugtyp erinnern, an kein Kennzeichen, kein Kennzeichenfragment.
07:06Konnte lediglich die Fahrzeugfarbe benennen. Und aufgrund dieses Wagenhinweises haben wir dann die Fahrzeuge, die Kraftfahrzeuge aller Anwohner dort ermittelt und mit diesem Hinweis abgeglichen.
07:16Um zu gucken, handelt es sich um einen jemand dort berechtigten Anwohner, der mit seinem eigenen Kind spricht oder eventuell um den Entführer, der mit dem vermissten Jungen spricht.
07:25Leider hat uns dieser Hinweis nicht weitergebracht. Es hat uns zu keinem Ergebnis geführt.
07:30Seit 48 Stunden gibt es kein Lebenszeichen von Leon. Seine Mutter ergreift selbst die Initiative.
07:42Entschuldigen Sie bitte. Hätten Sie vielleicht unseren Sohn gesehen? Sie kommen doch so viel rum. Vielleicht ist er Ihnen aufgefallen.
07:50Ich habe davon gehört, aber ich habe ihn nicht gesehen. Tut mir leid.
07:56Wir waren tagelang dort mit der Bereitschaftspolizei im Wohngebiet im Einsatz und hatten die Anwohner befragt.
08:03Es hätte ja auch sein können, dass der Junge dort in einer Wohnung festgehalten wird. Und natürlich auch um zu schauen, wer hat den Jungen als letztes gesehen.
08:10Wir haben auch Suchflyer ausgehängt im gesamten Stadtgebiet und im öffentlichen Personennahverkehr in der Hoffnung, dass jemand das Kind gesehen hat und eventuell den entscheidenden Hinweis geben kann.
08:26Eine Woche ist vergangen, seit Leon verschwunden ist. Auch Aktenzeichen XY ungelöst berichtet über den vermissten Jungen.
08:42Willkommen bei XY. Seit genau einer Woche wird aus Potsdam der sechsjährige Junge vermisst.
08:48Hunderte Polizisten und freiwillige Helfer haben nach ihm gesucht, gefunden haben sie nichts.
08:53Michael, wo ist er? Wieso finden Sie ihn nicht?
08:59Sie werden ihn finden. Ganz bestimmt.
09:06Ich will einfach nur mein Kind zurück.
09:09Er weiß, was mit dem Kind passiert ist.
09:12Schlimm. Vor allem für die Mutter.
09:15Ja. Schlimm.
09:19Er weiß, was mit dem Kind passiert ist.
09:24Schlimm. Vor allem für die Mutter.
09:28Ja. Schlimm.
09:49Zwei Tage nach der XY-Sendung schlägt ein Leichenspürhund am nahegelegenen Fluss Nute an.
10:00Die Polizei lässt dort den Schlamm abtragen. Der Fluss wird 20 Zentimeter künstlich abgesenkt.
10:07Aber wieder kein Hinweis auf den vermissten Leon.
10:12Inzwischen erreicht die Vermisstensuche bei der SoCo einen kritischen Punkt.
10:18Leute, wir haben in den letzten Tagen zwar alles unternommen, um den Jungen zu finden,
10:23aber eine wirkliche heiße Spur haben wir nicht.
10:26Wir müssen diesen Jungen finden. Jede Minute zählt da.
10:30Uns läuft die Zeit davon, Leute.
10:33Ich habe mit dem Staatsanwalt gesprochen.
10:36Wir gehen inzwischen nicht mehr von einem Unfall aus, sondern von einer Straftat.
10:40Unsere Suche konzentriert sich jetzt auf Sexualstraftäter im Umfeld der Wohnung.
10:44Annika, Ulf, nehmt euch die registrierten Sexualstraftäter im näheren Umfeld der Wohnung vor.
10:51Ich bin hier in der Dienststelle in Potsdam.
10:54Von hier aus hat die SoCo die Suche nach Leon koordiniert.
10:58Und ich treffe jetzt die Kriminalhauptkommissare Annika Dörner und Ulf Brünsing.
11:03Frau Dörner, das ist ja der Raum, in dem Sie wirklich unzählige Stunden verbracht haben mit der SoCo.
11:08Wer kam hier alles zusammen?
11:09Ja, das war damals sozusagen unsere SoCo-Zentrale.
11:12Wir hatten uns hier alle paar Stunden zusammengesetzt, um über die neuesten Erkenntnisse zu sprechen,
11:17über das Ergebnis der Suchmaßnahmen, über die Ermittlungsergebnisse,
11:21um sich gegenseitig auf den neuesten Stand zu bringen.
11:24Die Ermittlungen waren ja an einem schwierigen Punkt.
11:27Hunderte Einsatzkräfte suchen nach Leon, aber sie haben keinen richtigen Ansatz.
11:31Was war der nächste Schritt für Sie?
11:33Ja, also wir haben uns bestimmte Personenkreise näher angeguckt.
11:36Das waren Personen, die der Polizei einschlägig bekannt waren.
11:40Darunter befanden sich auch haftentlassene Sexualstraftäter, dort aus dem erweiterten Umfeld.
11:45Die haben wir befragt, insbesondere natürlich zu ihren Alibis, haben diese Alibis auch gegengeprüft
11:51und haben auf freiwilliger Basis auch deren Wohnungen durchsucht,
11:55in der Hoffnung, dort einen Hinweis auf den Verbleib des Jungen finden zu können.
11:59Gab es da irgendwelche Erkenntnisse? Den Jungen haben Sie offenbar nicht gefunden.
12:02Leider nein. Diese Ermittlungen haben uns leider nicht weitergebracht.
12:05Die nächste Sache ist dann, Herr Brünsing, fallanalytische Beratung.
12:09Versteht es richtig, Sie holen sich nochmal einen externen Blick auf diesen Fall?
12:13Das ist richtig. Das machen speziell ausgebildete Kollegen der Brandenburger Polizei.
12:17Die gucken sich die einzelnen wenigen Fakten des Falls an,
12:20vergleichen die mit anderen gleichgelagerten Fällen und im Ergebnis geben sie dann an,
12:26wie hoch die Wahrscheinlichkeit hinsichtlich bestimmter Versionen ist.
12:29Das Ergebnis zeigte eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit dafür,
12:33dass der Junge Opfer eines Gewaltverbreches geworden ist durch fremde Personen.
12:38Aber Stand jetzt gibt es weiterhin keinen Hinweis darauf auf die Frage,
12:43wo ist Leon und bei Familien, bei Helfern, aber auch bei Freunden
12:47schwindet langsam die Hoffnung, den Jungen noch Leben zu finden.
12:5118 Tage nach Leons Verschwinden geben die freiwilligen Helfer die Suche auf.
12:55Ihre letzte Aktion, sie lassen symbolisch bunte Luftballons in den Himmel von Potsdam fliegen.
13:01Daran Fotos von Leon.
13:08Drei Wochen nach Leons Verschwinden erreicht ein Bestattungsunternehmen
13:13in Brandenburg eine seltsame Nachricht.
13:16Das verstehe ich jetzt nicht.
13:19In tiefer Trauer um den verstorbenen Leon.
13:24Todeszeitraum in der Nacht vom 11. Juli bis 12. Juli zwischen 22 und 6 Uhr.
13:30Todesursache ersticken.
13:33Was?
13:36In Klammern sorry.
13:39Das ist ja grausam. Von wem ist die denn?
13:42Verstehe ich nicht.
13:44Das ist ja grausam. Von wem ist die denn?
13:48Da steht unser Bestattungsinstitut als Absender drauf.
13:52Sollte an eine Franca S. aus Potsdam gehen.
13:56Kam da aber nicht an.
13:59Der Nachname steht nicht drauf.
14:02Vielleicht sollten Sie das der Polizei zeigen.
14:05Unbedingt.
14:08Das war natürlich für die Kollegen und auch für mich erst mal irritierend.
14:11Auch der Inhalt der Karte war natürlich erst mal befremdlich.
14:15Man fragte sich, handelt es sich wirklich um den Täter,
14:19der jetzt eventuell mit der Familie des Opfers Kontakt aufnehmen möchte.
14:23Oder ist es jemand, der uns einfach nur beschäftigen möchte
14:26und eine Trugspur legt sozusagen.
14:29Wir haben die dann auf Spuren untersucht und konnten dort
14:32einen Teilfingerabdruck feststellen, der dann zwar als Fingerabdruck
14:36nicht mehr auswertbar war, aber aus dem man eine DNA-Spur,
14:39ein DNA-Profil gewinnen konnte.
14:42Das DNA-Profil konnten wir zu dem damaligen Zeitpunkt
14:45aber keiner Person zuordnen.
14:48Doch die DNA war in keiner Datenbank erfasst.
14:51Drei Monate nach dem Verschwinden von Leon
14:54stecken die Ermittlungen in einer Sackgasse.
14:57Niemand ahnt zu dieser Zeit,
15:00dass der Täter bereits ein weiteres Verbrechen plant.
15:10Es ist der 1. Oktober 2015.
15:13Tahira aus Bosnien-Herzegowina lebt seit einem Jahr
15:16in einer Flüchtlingsunterkunft in Berlin.
15:19An diesem Tag möchte sie ihre Sozialleistungen
15:22für ihre Familie abholen.
15:28Hunderte Flüchtlinge kommen zu dieser Zeit täglich
15:31zum Landesamt für Gesundheit und Soziales, kurz LAGESO,
15:35in Berlin-Westfalen.
15:37Es herrschen chaotische Zustände.
15:40Die dreifache Mutter kennt die Situation auf dem Gelände
15:43und ist deswegen früh hier.
15:53Ich muss da jetzt ins Amt rein.
15:56Ich kann euch nicht alle mitnehmen.
15:59Esma, du musst auf Cerim aufpassen.
16:02Dauert das lange?
16:04Ich weiß nicht. Pass einfach auf ihn auf.
16:07Okay. Esma, wir können doch fangen.
16:10Wartet hier, bis ich zurückkomme.
16:13Esma, wir können doch fangen spielen.
16:16Okay. Dann bis später.
16:22Eigentlich wäre der 4-jährige Cerim an diesem Tag im Kindergarten.
16:26Doch seine Mutter entscheidet spontan, ihn mitzunehmen.
16:34Cerim, wo bist du?
16:37Cerim!
17:05Hallo, kleiner Mann. Na?
17:10Mehrere Stunden vergehen.
17:13Um 14.15 Uhr ist Cerims Mutter endlich fertig mit ihrem Termin.
17:17Ich habe ihn noch da drüben gesehen, und dann war er weg.
17:21Was?
17:28Los, wir suchen ihn.
17:30Wir suchen ihn.
17:33Hallo, haben Sie meinen Sohn gesehen? Cerim.
17:37Nein? So gross. Cerim, er ist 4 Jahre.
17:40Haben Sie meinen Jungen gesehen? So gross.
17:43Nein? Er war hier. Er hat hier gespielt.
17:46Cerim. So gross. Sie?
17:49Kleiner Junge, 4 Jahre. Cerim!
17:52Jessy! Cerime!
17:55Haben Sie einen kleinen Jungen gesehen?
17:57Kleiner Junge, er hat hier gespielt.
18:02Noch am selben Tag sucht die Polizei Berlin intensiv nach dem verschwundenen Cerim.
18:07Leider vergeblich.
18:10Am Folgetag erhält die Kripo Potsdam einen Anruf der Berliner Kollegen
18:14über den neuen vermissten Fall.
18:17Ja, das Opferbild passt.
18:20Ein Junge, sehr klein und natürlich der örtliche Bezug.
18:23Haltet uns bitte auf dem Laufenden, wenn ihr was Neues habt. Danke.
18:27Die Kollegen aus Berlin?
18:30Ja, die suchen mit einem Großaufgebot nach dem Kind.
18:35Die Polizei prüft einen Zusammenhang mit dem Fall des verschwundenen Leon.
18:40Anfangs gerät sogar Cerims Familie selbst in den Fokus der Ermittlungen.
18:45Es kursieren Gerüchte darüber, dass die Entführung inszeniert wurde,
18:49um einer Abschiebung zu entgehen.
18:52Cerim soll sich angeblich bei Verwandten in Deutschland aufhalten.
18:54Währenddessen sucht die Berliner Bereitschaftspolizei
18:58die gesamte Umgebung des Lageso nach Überwachungskameras ab,
19:02um Hinweise auf den vermissten Vierjährigen zu erhalten.
19:06Eine Woche nach Cerims Verschwinden ergibt sich daraus eine erste wichtige Spur.
19:12Schau mal, ich glaube, ich habe was.
19:18Das ist der Junge, ganz sicher.
19:21Ja, an der Hand eines Mannes.
19:24Ganz klar, der Junge wurde entführt.
19:27Problematisch daran war, dass die Bildqualität so schlecht war,
19:31dass man zwar eine männliche Person darauf erkennen konnte,
19:35aber es nicht dazu geeignet war, um diese Person auch zu identifizieren.
19:39Die Mutter konnte jedoch ihren Sohn, der in Begleitung einer fremden Person war,
19:44eindeutig erkennen und so den Berliner Kollegen weiterhelfen.
19:48Jey, Cerim.
19:51Der hat mir meinen Sohn weggenommen.
19:54Na mal, du platschst. Die Polizei findet ihn.
19:58Wir beten für Cerim.
20:03Auch die Kripo Potsdam ermittelt in ihrem vermissten Fall Leon
20:08mit den Aufnahmen der Überwachungskamera aus Berlin.
20:11Die Qualität ist einfach zu schlecht.
20:13Ja, leider.
20:14Ich kann kaum die Gesichtskonturen von dem Mann erkennen.
20:18Sie durchforsten Fotos aller Straftäter der Umgebung aus der Datenbank,
20:23die eine Ähnlichkeit mit der Aufnahme des Mannes aus der Überwachungskamera aufweisen.
20:28Die Berliner Bereitschaftspolizei gibt nicht auf
20:32und sucht nach weiteren Überwachungskameras in der Umgebung.
20:35Wir suchen nach einem vermissten Jungen.
20:37Deshalb prüfen wir die Aufnahmen von Überwachungskameras hier in der Gegend.
20:41Ihre da draußen, läuft die?
20:42Ja.
20:44Dann bräuchten wir bitte die Speicherkarte.
20:46Wieso?
20:48Zur polizeilichen Ermittlung.
20:50Während der folgenden zwei Wochen werden zahlreiche Videos gesichtet,
20:53die am 1. Oktober in der Umgebung der Flüchtlingsanlaufstelle entstanden sind.
20:58Und wie läuft's?
21:00Geht so.
21:02Am 26. Oktober 2015 kommt es zu einer entscheidenden Wendung.
21:08Matthias?
21:10Komm mal her.
21:12Was gibt's denn?
21:14Ich hab was.
21:16Das ist er.
21:18Das ist der Täter.
21:20Das ist ja der Hammer.
21:221A Qualität.
21:24Wo wurde das aufgenommen?
21:26Scheinbar in der Umgebung der Flüchtlingsanlaufstelle.
21:29Wo wurde das aufgenommen?
21:31Ein Wild aus einer Gaststätte in der Nähe des La Geso hat zufällig auf dem Fußweg gefilmt.
21:38Anhand der Kleidung und anderer Merkmale können die Beamten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
21:44einen unbekannten Mann als Tatverdächtigen identifizieren.
21:48Okay, das Ding muss sofort raus an die Fahndung.
21:50Ja.
21:52Diese neuen Bilder werden daraufhin bundesweit in den Nachrichten und in allen Tageszeitungen verbreitet.
22:00Immer Salz fehlt hier.
22:03Für mich nicht, danke.
22:07Schon wieder Kartoffelsuppe.
22:22Alles in Ordnung, Junge?
22:24Ja, ja.
22:26Sicher, dass alles okay ist?
22:30Ich muss noch was erledigen.
22:33Hey, du hast noch gar nichts gegessen.
22:37Schon gut, lass ihn.
22:41Sag mal.
22:44Das gibt's doch nicht.
22:46Was ist denn jetzt los?
22:48Das ist Mike.
22:50Auf dem Foto.
22:52Die Polizei, sie suchen ihn.
22:55Wie, die suchen ihn?
22:56Der kleine Junge.
22:58Das ist nicht Mike.
23:00So was würde der niemals ...
23:05Ich geh zu ihm.
23:07Ich red' mit ihm.
23:16Mike, mach mal auf.
23:18Mike!
23:22Ich hab's nicht verstanden.
23:24Ich hab' doch gesagt, dass ich noch was erledigen muss.
23:27Bist du das?
23:29Nee.
23:31Und jetzt lasst mich in Ruhe.
23:40Ich hab' die ganze Nacht nicht geschlafen.
23:43Was machen wir?
23:45Wir müssen das jetzt klarstellen.
23:48Wenn er aufgewacht ist, dann ...
23:51Mike.
23:54Du bist das eindeutig auf dem Foto.
23:58Hä?
23:59Du hast deine Mutter schon verstanden.
24:02Was soll das denn jetzt?
24:06Was wollt ihr hören?
24:08Mike!
24:11Okay, ja.
24:14Ich hab' die ganze Nacht nicht geschlafen.
24:17Was soll das denn jetzt?
24:18Okay, ja.
24:20Das bin ich.
24:22Was?
24:25Du hast ein Kind entführt?
24:28Warum?
24:30Was hast du mit dem Jungen gemacht?
24:34Der ist tot.
24:37Was?
24:39Tot?
24:41Bist du wahnsinnig geworden?
24:43Hau aus!
24:45Du stellst dich der Polizei sofort!
24:46Hast du verstanden?
24:48Okay, ja.
24:50Mach ich.
24:53Aber ich muss da vorne was erledigen.
24:55Du bleibst hier!
24:58Lass mich.
25:05Moni.
25:07Ruf die Polizei.
25:11Als ich die Mutter am 29. Oktober 2015 bei der Polizei meldete,
25:15haben uns die Berliner Kollegen sofort informiert.
25:19Wie relevant er dann tatsächlich auch für unseren Fall geworden ist,
25:23konnten wir damals noch nicht abschätzen.
25:27Mike.
25:33Das ist er.
25:34Mein Sohn.
25:36Guten Tag.
25:39Mein Name ist Mertens.
25:41Wir haben einen Anruf bekommen von Ihrer Mutter.
25:44Die sagt, es geht um den vermissten Jungen aus Berlin.
25:47Und Sie sollen wissen, wo er ist.
25:53Sie sind beschuldigt, den Jungen getötet zu haben.
25:56Als Beschuldigter müssen Sie keine Angaben machen und können die Aussage verweigern.
26:00Sie können jederzeit einen Rechtsanwalt hinzuziehen.
26:02Wenn Sie keinen Anwalt benennen können, wird Ihnen einer zur Seite gestellt.
26:04Ich habe schon einen angerufen.
26:06Gut.
26:08Was haben Sie mit dem Verschwinden von Sherin zu tun?
26:14Kann man dem Kind noch irgendwie helfen?
26:17Nein.
26:18Der ist schon tot.
26:22Wo ist er?
26:24Schaut doch mal in meinen Kofferraum.
26:28Zeigen Sie uns den jetzt.
26:33Er war ein unscheinbarer junger Mann.
26:36Er war 32 Jahre alt, lebte noch bei seinen Eltern,
26:40wirkte auf der einen Seite schüchtern,
26:43aber zugleich auch gleichgültig.
27:06Die Polizei findet heraus, der tote Sherin lag nicht die ganze Zeit im Kofferraum,
27:11sondern war wochenlang unbemerkt im Zimmer von Mike T. versteckt.
27:15Eine geradezu verstörende Vorstellung.
27:20Lüder, du hast dich intensiv mit dem Fall beschäftigt,
27:23warst auch bei einem Verhandlungstag dabei.
27:26Warum hat der Täter den toten Jungen drei Wochen in seinem Wohnraum behalten?
27:31Das kann ganz pragmatische Gründe gehabt haben.
27:34Wenn ein Täter nicht sicher ist,
27:36ob er sich einer Leiche unentdeckt entledigen kann,
27:38dann kann das dazu führen, dass er diese eben in seinen Wohnräumen behält.
27:42Und dieser Täter hat ja mitbekommen,
27:44dass die Ermittlungen immer näher an ihm dran waren.
27:47Letztendlich hat er sogar gesehen,
27:49dass Aufnahmen von ihm veröffentlicht wurden.
27:51Und dann wurde ihm zunehmend klar,
27:53dass bald auch die Polizei sicherlich bei ihm zu Hause sein würde.
27:56Und offenbar in dieser Zeit hat er dann entschieden,
27:58die Leiche des Kindes in sein Auto zu tun.
28:01Eine mögliche Erklärung wäre die, dass er nicht wollte,
28:04dass diese Leiche zu Hause gefunden wird,
28:06wo seine Eltern lebten.
28:08Und dass er ihnen wenigstens das ersparen wollte,
28:10weswegen er die dann in den Kofferraum getan hat.
28:12Wenn man versucht, ganz unauffällig zu sein,
28:14ist man meist sehr auffällig.
28:16Warum ist es diesem Täter gelungen?
28:18Es gibt tatsächlich viele Täter,
28:20die nach einer solchen Straftat ein etwas verändertes Verhalten zeigen.
28:23Sie können zum Beispiel sich zurückziehen vor anderen
28:26oder nervös wirken.
28:28Nur gibt es ganz viele Gründe dafür,
28:30warum Menschen mal so eine Phase haben.
28:32Und wenn wir mit jemandem befreundet sind,
28:34und der zieht sich in letzter Zeit zurück,
28:36vielleicht hat die Person ein Tötungsdelikt begangen.
28:38In dieser ganzen Zeit,
28:40warum haben seine Eltern nichts gemerkt?
28:42Die lebten mit ihm zusammen.
28:44Ja, wenn du jetzt an die drei Menschen denkst,
28:46die dir am nächsten stehen,
28:48welcher dieser Personen traust du so einem Verbrechen zu?
28:50Natürlich keiner Person.
28:52So geht es allen Menschen.
28:54Und die Eltern dieses Täters,
28:56die konnten sich sicherlich auch überhaupt nicht vorstellen,
28:58dass ihr Sohn zu so etwas in der Lage sein würde.
29:00Vielen Dank, Lydia.
29:02Also die Festnahme des Täters
29:04war für die Ermittler erst der Anfang.
29:06Aber sie erschütterte alle Beteiligten zutiefst.
29:09Wie sind Sie auf Cerium gestoßen?
29:16Ich wollte den Flüchtlingen helfen,
29:18ihnen etwas zum Spielen schenken.
29:21Ich hatte in den Nachrichten gelesen,
29:23dass sie ja nichts haben.
29:25Und dann habe ich diesen Jungen,
29:27diesen Cerium getroffen.
29:31Er ist mir praktisch hinterhergelaufen.
29:34Ehrlich.
29:37Und dann habe ich ihm einen Teddy geschenkt.
29:42Er hat sich so gefreut.
29:45Das war süß.
29:47Dann habe ich ihm einen Becher Wasser besorgt,
29:49weil er so durstig war.
29:51Und dann,
29:55dann ist es eben einfach passiert.
29:59Und Sie sind sich sicher,
30:01dass Sie nicht gezielt an diesem Ort
30:03nach einem Kind gesucht haben?
30:04Nein, ich wollte Gutes tun.
30:08Welche sexuelle Präferenz haben Sie?
30:10Dazu will ich nichts sagen.
30:12Okay, weiter.
30:16Haben Sie Cerium missbraucht?
30:25Ja.
30:28Haben Sie noch einen Menschen getötet?
30:30Da,
30:33da gibt es noch einen Jungen.
30:38Was war das für ein Junge?
30:41Er hat gesagt, dass er Leon heißt.
30:48Wo ist Leon?
30:50Im Kleingarten.
30:52Ich habe einen angemietet.
30:55Wo genau da?
30:56Könnten Sie uns das aufzeichnen?
31:04Hier ist das Haus.
31:08Hier ist der Weg.
31:11Und hier ist so ein Teich.
31:15Und hier bei dem Kreuz,
31:18können Sie das Kreuz sehen?
31:22Da können Sie ihn finden.
31:24Okay.
31:26Was haben Sie mit Leon gemacht?
31:29Haben Sie ihn auch missbraucht?
31:31Ich ...
31:33Stopp, wir möchten hier gerne abbrechen.
31:36Mein Mandant ist müde
31:38und wird keine weiteren Fragen beantworten.
31:42Das ist auf der einen Seite eine Erleichterung,
31:45dass man den Fall gelöst hat,
31:48aber parallel zu diesem Fall
31:50auch das Wissen darum,
31:52dass jede Menge Ermittlungsarbeit notwendig ist,
31:55um das später vor Gericht beweisen zu können.
31:59Die Kleingartenanlage
32:01liegt 25 km vom Wohnort des Täters entfernt.
32:04Sofort wird an der markierten Stelle
32:06nach dem vermissten Leon aus Potsdam gegraben.
32:09Auch Gerichtsmediziner Sven Hartwig ist dabei.
32:12Und?
32:14Kollege Hartwig, Fund?
32:16Oh, tatsächlich.
32:17Können wir mit den Fotoaufnahmen bitte beginnen?
32:20Danke.
32:22Wir nehmen alles mit in die Rechtsmedizin.
32:25Ob es sich wirklich um Leon handelt, können wir erst dort klären.
32:29Herr Dr. Hartwig,
32:31Sie waren dabei in der Kleingartenanlage
32:34bei der Bergung des Leichnams von Leon,
32:37so haben wir ihn im Film genannt.
32:39Was haben Sie dort wahrgenommen, was haben Sie dort gefunden?
32:42Also wir wussten, dass wir jetzt dorthin fahren,
32:44um eine Kinderleiche zu bergen.
32:47Und nach Graben an einer Stelle, die wir schon kannten,
32:51weil die bezeichnet worden war vom Tatverdächtigen,
32:54fanden wir in 50 cm Tiefe einen Karton,
32:57in dem sich zwei Plastiksäcke befanden.
33:00In dem einen war die Kleidung des Kindes
33:03und in dem anderen das Kind selbst.
33:06Hier bei Ihnen in der Rechtsmedizin
33:08wurde auch der Leichnam des bosnischen Jungen Cerem untersucht.
33:11Ist es generell ein Unterschied für Sie
33:12als Rechtsmediziner, ob dort ein Kind ist
33:15oder ob Sie einen Erwachsenen untersuchen?
33:18Also für die Arbeitsvorgänge hat das keine Relevanz,
33:21ob das jetzt ein Kind oder ein Erwachsener ist.
33:24Kinder bleiben aber eher im Gedächtnis,
33:26weil sie tatsächlich im Alltag auch bei uns eher seltener sind,
33:30insbesondere Kinder, die eines gewaltsamen Todes sterben.
33:33Was konnten Sie dann relativ schnell über den Tathergang sagen?
33:37Wir konnten also bei dem bosnischen Jungen
33:39Spuren einer Gewaltanwirkung am Körper feststellen,
33:43an Armen und Beinen und Hinweise
33:45auf eine den Tod letzten Endes begründende Strangulation.
33:49Und dieser Erkenntnisvorteil hat uns geholfen,
33:52zu verstehen, was mit dem Potsdamer Jungen passiert ist.
33:55Das heißt, Sie konnten auch sehr schnell
33:57einen Zusammenhang zwischen den beiden Taten nachweisen,
34:00so wie es der Täter ja auch beschrieben hat.
34:02Also wir haben tatsächlich zum Teil recht identische Verletzungen
34:06an beiden verstorbenen Kindern festgestellt.
34:09Und dass hier kein Zweifel aufkommen konnte,
34:12dass hier der gleiche Begehungsmechanismus angewendet wurde.
34:16Die Indizien verdichten sich.
34:18Jetzt nehmen die Ermittler auch das Zimmer des Tatverdächtigen
34:21genauer unter die Lupe.
34:23Was ist das denn? Puppenkleidung?
34:26Von wegen Puppen. Schaut mal hier.
34:31Und sieh mal hier. Das ist eine Wildkamera.
34:35Vielleicht was Entscheidendes drauf.
34:37Der Täter hat sich hier seine eigene Welt aufgebaut.
34:40Schaut mal, hier habe ich noch Notiz gefunden.
34:43Mädchen oder Junge Messer besoffen machen.
34:49Der scheint nicht auf Jungen festgelegt zu sein.
34:52Hier sind auch viele Sachen für Mädchen.
34:54Es war für mich persönlich erschütternd,
34:56die Sachen dort zu sehen, die der Täter angehäuft hatte,
35:01um Kinder zu fesseln, wehrlos zu machen.
35:04Und dann zu missbrauchen.
35:10Die Verletzungen sind ziemlich eindeutig.
35:13Der Junge muss auf jeden Fall gefesselt worden sein.
35:16Das sieht man an den Armen und an den Beinen.
35:18Wahrscheinlich, um zu verhindern, dass er nicht weglaufen konnte.
35:22Leon muss gegen 17 Uhr auf den Täter getroffen sein.
35:26Der Todeszeitpunkt, können Sie dazu schon was sagen?
35:29Mittag des nächsten Tages, also spätestens am 9. Juli 2015,
35:33in seinem Magen habe ich noch Rückstände von dem Haselnussjoghurt gefunden,
35:37den er zu Hause noch gegessen hatte.
35:39Die Todesursache?
35:41Eindeutig ersticken.
35:43Der Täter wollte den Missbrauch vertuschen.
35:47Und das andere Opfer?
35:49Ja, wir konnten feststellen, dass der Junge so gegen Abend
35:55ungefähr 21 Uhr Schlafmittel bekommen hat.
35:57Und dann am nächsten Tag, also am 2. Oktober,
36:00gegen 15 Uhr ist Cedim dann erdrosselt worden.
36:04Bei dem bosnischen Jungen konnten wir zum Tatabläufen,
36:08was die zeitlichen Verhältnisse betrifft, nicht so viel beitragen.
36:12Das waren eher Ermittlungsergebnisse und Videoaufzeichnungen,
36:16die der Täter selber von sich und dem Kind angefertigt hatte.
36:20Jetzt ist die Indizienkette vollständig.
36:23Gegen 18 Uhr ist der Todeszeitpunkt.
36:26Gehen wir noch mal alles für den Prozess durch.
36:29Der Täter hat kaum soziale Kontakte.
36:32Mit Erwachsenen kommt er nicht klar.
36:34Sexuelle Kontakte zu Frauen oder Männern hatte er noch nie.
36:38Dafür bestellt er dutzendweise SM-Artikel im Internet.
36:43Was ihm irgendwann offenbar nicht mehr reicht.
36:49Päckchen für dich.
36:51Danke.
36:56Am Montag, den 8. Juli 2015, hat der Täter Urlaub.
37:01Er plant, an diesem Tag ein Kind zu entführen.
37:06Sein Ziel, das Wohngebiet in Potsdam.
37:10Gegen 17 Uhr trifft er dort auf Leon und lockt ihn zu seinem Auto.
37:17Hey, ich bin der Mike. Wer bist du?
37:20Ich möchte dir mal was zeigen.
37:24Nö.
37:26Na komm, ich zeig dir was. Eine kleine Überraschung.
37:33Deine Mama hat gesagt, ich soll hierbleiben.
37:37Na komm schon, und danach kannst du direkt weiterspielen.
37:41Im Auto muss er den Jungen dann mit Chloroform betäubt haben.
37:45Und ist mit ihm weggefahren.
37:48An einem uns unbekannten Ort, hat er den gefesselten Jungen dann missbraucht.
37:55Und kurz darauf erdrosselt.
37:59Danach vergräbt er die Leiche des Jungen,
38:02um ihn zu entführen.
38:04Und kurz darauf erdrosselt.
38:08Danach vergräbt er die Leiche des Jungen und die Kleidung in einem Kleingarten.
38:13Den er extra dafür angemietet hat.
38:16Zwei Wochen nach der Tat, schickt er ein Kondolenzschreiben an Leons Mutter.
38:22Die kommt aber fälschlicherweise als Rückläufe an ein Bestattungsinstitut.
38:27Seine DNA haben wir in der Zwischenzeit mit der DNA des Teilfingerabdrucks auf dieser Karte verglichen.
38:34Die passt.
38:38Ungefähr acht Wochen später beschließt er erneut ein Kind zu entführen.
38:43Aus den Nachrichten erfährt er,
38:46dass am La Giesu in Berlin ein wahrer Flüchtlingsstrom eingetroffen ist.
38:51Darunter viele Kinder und viele davon unbeaufsichtigt.
38:57Hier wittert der Täter die Chance, ein weiteres Kind entführen zu können.
39:02In der Menge entdeckt er den vierjährigen Cerim und erschleicht sich sein Vertrauen.
39:07Bist du ein Teddy? Das ist der Felix. Und wer bist du?
39:11Der Cerim. Der Cerim ist aber ein schöner Name.
39:14Magst du ihn mal streicheln?
39:18Der ist schön weich, oder?
39:21Er führt ihn zu seinem Auto, das er ein paar Straßen weiter geparkt hat.
39:26Dann fährt er mit ihm an einen unbekannten Ort.
39:31Gegen 21 Uhr muss er das Kind dann mit in seine Wohnung genommen haben.
39:36In das Haus seiner Eltern, die zu diesem Zeitpunkt auch zu Hause sind.
39:42In seinen Wohnräumen filmt er dann seine Taten mit seinem Handy.
39:47Wir konnten inzwischen alle Videos und Fotos von seinem Handy wiederherstellen.
39:52Er selbst hatte sie gelöscht.
39:54Cerim war bis zum nächsten Tag noch am Leben.
39:58Erst dann hat er Tetein getötet.
40:01Wären die Bilder der Überwachungskamera nicht aufgetaucht, dann hätte er so weitergemacht.
40:07Wir haben jetzt übrigens herausgefunden, dass er noch weitere Grundstücke anmieten wollte.
40:12Er hatte schon konkrete Gespräche geführt.
40:15Offenbar hatte er geplant, weitere Kinder zu entführen.
40:18Ja, der hätte nicht aufgehört.
40:23Und wir wissen auch nicht, für welche Taten er noch verantwortlich ist.
40:28Jetzt wird er erstmal für zwei Morde angeklagt.
40:33Da nicht gänzlich auszuschließen war, dass der Täter weitere Kinder ermordet hat,
40:38haben wir nach der Bergung des Potsdamer Jungen dort im Kleingarten den gesamten Kleingarten mittels Baggern umgegraben.
40:45Zum Glück mussten wir keine weiteren Leichen bergen.
40:47Wir haben den Sachverhalt dann natürlich im Nachgang auch mit anderen vermissten Fällen,
40:52mit anderen Straftaten abgeglichen und konnten Gott sei Dank keine Parallele herstellen.
40:57Am Landgericht Potsdam findet im Sommer 2016 der Prozess gegen Mike T. statt.
41:04Er ist wegen sexuellen Missbrauchs und zweifachen Mordes angeklagt.
41:11Das Urteil gegen ihn wird am 26. Juli 2016 gesprochen.
41:15Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil.
41:18Der Angeklagte wird zu einer lebenslangen Haft verurteilt wegen Mordes an Leon und Sherim.
41:26Außerdem verhängt die Kammer die besondere Schwere der Schuld.
41:31Lebenslang mit der besonderen Schwere der Schuld sind in Deutschland 25 Jahre Haft,
41:38ohne eine Chance vorzeitig entlassen zu werden.
41:41Ein Antrag auf Sicherungsverwahrung nach der Haft wird vom Gericht vorerst abgelehnt.
41:512019, Lydia, gab es einen Revisionsprozess und es ging um die Sicherungsverwahrung.
41:57Der Generalbundesanwalt in Karlsruhe forderte in seinem Revisionsantrag die Sicherungsverwahrung für den Täter.
42:03Am 28. Juni 2019 ordnete das Gericht die vorbehaltliche Sicherungsverwahrung an.
42:08Das bedeutet, gegen Ende der lebenslangen Freiheitsstrafe wird noch einmal darüber befunden werden,
42:15ob der Täter dann als so gefährlich eingestuft wird, dass er eben nicht in Freiheit leben kann.
42:21Vielen Dank, Lydia, für die Erklärung.
42:23Die Morde an Leon und Sherim gehören zweifellos zu den entsetzlichsten Verbrechen der deutschen Kriminalgeschichte.
42:30Im Jahr 2031 wird das Gericht von Gutachtern erneut prüfen lassen,
42:34ob für Mike T., so haben wir ihn hier im Film genannt, erneut Sicherungsverwahrung angeordnet werden kann.
42:41Für die Familien mag dieser Prozess ein Anfang sein, um ihre Trauer zu verarbeiten und um langsam und endlich Frieden zu finden.
42:50Das war XY gelöst.