Das Angebot wirkt seriös: Ein neues Leben ohne Dialyse – eine Spenderniere in wenigen Wochen. Hoffnung für Schwerkranke, die auf ein neues Organ warten?
Kategorie
🗞
NewsTranskript
00:00Hier werden menschliche Nieren gehandelt. Und das geschieht ganz offen.
00:13Da war ich jetzt vielleicht, oder bin ich vielleicht dann schon egoistisch, weil ich wollte halt diese Niere.
00:20Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, hätte ich dem nie zugestimmt.
00:26Sie verdienen Geld mit Kindern wie Amon.
00:30Das ist organisierte Kriminalität.
00:32Warum ist Eldoret in Kenia zu einem internationalen Hotspot für Organhandel geworden?
00:39In einer monatelangen Recherche mit der Spiegel und dem ZDF haben wir über ein millionenschweres Organhandelsnetzwerk recherchiert,
00:46das weit über Kenias Grenzen hinausreicht.
00:51Und seine folgenschweren Auswirkungen auf die Betroffenen.
01:00Das ist Amon Kiprutomeli, 22 Jahre alt, aus einem Dorf in Westkenia.
01:14Er dachte, wenn er seine Niere verkauft, könnte er ein neues, besseres Leben anfangen.
01:19Doch diese Hoffnung erwies sich als falsch.
01:21Wie viele junge Kenianer hatte er kein festes Einkommen und wechselte von einem Job zum nächsten.
01:28Bis ihm eines Tages ein Freund von einer schnellen und einfachen Möglichkeit erzählte, viel Geld zu verdienen.
01:34Er sagte mir, wenn du deine Niere verkaufst, ist das ein tolles Geschäft.
01:43Ich habe zuerst immer wieder abgelehnt.
01:46Aber dann habe ich irgendwann doch zugestimmt.
01:48Er hat mich dann mit ihnen in Kontakt gebracht.
01:50Amon wurden 6000 US-Dollar für seine Niere versprochen.
01:59Viel Geld in einem Land, in dem das durchschnittliche Monatseinkommen nur etwa 500 Dollar beträgt.
02:07Ein Mittelsmann brachte ihn ins Medihil-Krankenhaus in Eldoret, wo er von einem indischen Ärzteteam aufgenommen wurde, sagt Amon.
02:16Aber er machte sich Sorgen wegen möglicher Gesundheitsrisiken.
02:20Sie erklärten mir nichts.
02:23Derjenige, der mich hergebracht hatte, zeigte auf die Leute um uns herum und sagte,
02:27schau, sie haben auch alle gespendet und es geht ihnen gut, sie gehen sogar wieder arbeiten.
02:35Sie nahmen Blut- und Gewebetests von Amon.
02:39Dann traf er die Person, die seine Niere erhalten sollte.
02:42Eine ältere Somalierin, sagt Amon.
02:45Zwei Ärzte forderten ihn auf, Dokumente auf Englisch zu unterschreiben, die er nicht verstand.
02:51Er wurde operiert und nach nur wenigen Tagen Erholung schickten sie ihn nach Hause.
02:57Und, so sagt er, sie zahlten ihm weniger als vereinbart.
03:014000 statt 6000 Dollar.
03:04Er kaufte sich mit dem Geld ein Telefon und ein Auto, aber das ging schnell kaputt.
03:10Kurz darauf fühlte er sich elend.
03:12Er aß nichts, ihm war schwindelig und er hatte Schmerzen im Unterleib.
03:16Seine Mutter machte sich Sorgen.
03:23Sie verdienen Geld mit Kindern, wie Amon.
03:30Sie haben mir nichts gesagt.
03:32Ich fand meinen Sohn erst, als er ohnmächtig wurde.
03:35Die Stadt Uyugis, 180 Kilometer entfernt.
03:43Hier machen Gerüchte die Runde, dass mehr und mehr junge Männer ihre Nieren verkaufen.
03:48Willis Okumu, Experte für organisierte Kriminalität, recherchiert dazu und findet heraus, dass einige dieser Männer nur 2000 US-Dollar bekommen.
03:56Viele würden wie Amon unter anhaltenden Gesundheitsproblemen leiden, sagt er.
04:01Es gibt eine rechtliche Grauzone, die dieses Syndikat ausnutzt.
04:06Denn es gibt kein Gesetz, das einen daran hindert, seine Niere gegen Geld zu spenden.
04:11Und man kann dafür nicht strafrechtlich verfolgt werden.
04:16Erlaubt sind nach kenianischem Recht Organspenden an Verwandte oder aus rein altruistischen Gründen.
04:21Wir wollen verstehen, wie das System funktioniert und sprechen mit einem ehemaligen, langjährigen Mitarbeiter des Mediheal-Krankenhauses.
04:32Der Kauf und Verkauf von Transplantaten habe vor vielen Jahren begonnen, sagt er.
04:39Zuerst mit kenianischen Spendern und somalischen Empfängern.
04:45Ab 2022 kamen die Empfänger dann aus Israel.
04:48Und seit letztem Jahr auch aus Deutschland.
04:53Viele der Spender dieser gut zahlenden Kunden werden aus Aserbaidschan, Kasachstan oder Pakistan eingeflogen, sagt er uns.
05:03Jeder Empfänger zahle 200.000 Dollar für eine Niere.
05:06Er erzählt uns, dass ein Mann namens Robert, der für die Agentur Medlead arbeitet, für diesen Teil des Netzwerks zuständig ist.
05:13Wir suchen nach der Webseite von Medlead.
05:26Hier werden eine Erfolgsquote von 97 Prozent und Transplantationen in nur 30 Tagen versprochen.
05:33Und außerdem heißt es, alles geschieht gemäß dem Organspende-Gesetz.
05:38Auf der Facebook-Seite von Medlead Deutschland finden wir Erfahrungsberichte von ehemaligen Klienten.
05:48Mein Name ist Sabine. Ich bin 57 Jahre alt.
05:55Ich habe seit 40 Jahren von mir Probleme.
05:58Im Internet bin ich da auf Merchit getroffen und habe mich dann sofort dafür entschieden, dass ich eine zweite Transplantation im Ausland machen lasse.
06:07Ich kann eigentlich alles nur empfehlen.
06:09Reporter des Spiegel und des ZDF, mit denen wir für diese Recherche zusammengearbeitet haben, reisten nach Gunzenhausen, um Sabine Fischer-Kugler zu treffen.
06:19Sie zeigt ihnen Artikel aus Lokalzeitungen, die ihre Geschichte veröffentlicht haben.
06:25Seit 40 Jahren leidet sie an einer Nierenerkrankung.
06:27Verzweifelt suchte die 57-Jährige online nach einer Niere im Ausland.
06:31Dabei stieß sie auf Medlead.
06:34Aber sie war vorsichtig.
06:35Organhandel kann nach deutschem Recht mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden.
06:42Das wäre natürlich der typische Organhandel.
06:44Du gibst mir deine Niere, dafür kriegst du von mir Geld.
06:47Und das ist im Vertrag drinnen, dass ich das nicht darf, sondern alles dann über die Organisation geregelt wird.
06:55Und im Vertrag das dann auch so drinnen steht, dass man ja dann auch die Organisation, das Krankenhaus, die Ärzte zahlt mir.
07:02Und ja, dass ich dann eigentlich aus der Nummer auf jeden Fall raus bin.
07:06Sie hat ihren Spender kurz getroffen und weiß nur, dass er 24 Jahre alt ist und aus Aserbaidschan kommt.
07:14Bin ich vielleicht dann schon egoistisch, weil ich wollte halt diese Niere und hauptsache der Vertrag passt.
07:22Aber mir ist das klar, ganz sauber ist es nicht.
07:26Wir schauen uns den Kopf von Medlead Robert Spolansky genauer an.
07:31Es ist derselbe Robert, den der ehemalige Krankenhausmitarbeiter zuvor erwähnt hat.
07:35Wir finden die Webseite eines Fitnessstudios in Israel, das ihm angeblich gehört.
07:40Und wir finden seinen Namen in einer Anklageschrift der Bezirksstaatsanwaltschaft Tel Aviv aus dem Jahr 2016.
07:47Darin wird er beschuldigt, Teil eines kriminellen Netzwerks unter der Leitung eines israelischen Staatsbürgers namens Boris Wolfman zu sein.
07:55Laut Anklageschrift ist das Netzwerk für die Durchführung einer großen Anzahl illegaler Nierentransplantationen in Sri Lanka, der Türkei, den Philippinen und Thailand verantwortlich.
08:05Offenbar war Wolfman bereits in anderen Ländern in illegale Transplantationsaktivitäten verwickelt.
08:12Auf Interviewanfragen reagierte er nicht.
08:15Robert Spolansky verließ Israel 2013.
08:18Sein aktueller Aufenthaltsort ist unklar.
08:21Er bestreitet jegliche Verbindung zu Wolfman.
08:25In einer E-Mail an der Spiegel, ZDF und DW erklärt Medlead, dass man nicht an der Spendersuche beteiligt sei,
08:32alle Spender zu 100% altruistisch seien und Medlead seit seiner Gründung transparent und gesetzeskonform arbeite.
08:38Unseren Recherchen zufolge wohnen die Patienten von Medlead vor und nach der Nierentransplantation im Eka-Hotel in Eldoret.
08:53Viele weiße, ältere Menschen sind zu sehen. Einige von ihnen wirken gebrechlich und krank.
08:59Auch ein russischsprachiges Paar frühstückt hier.
09:08Sie sagen, sie warten noch auf ihre Testergebnisse. Der Mann sei der Empfänger.
09:14Wissen sie, ob die Spender bezahlt werden?
09:21Niemand gibt seine Niere umsonst her.
09:23Am nächsten Tag. In dieser Medihe-Klinik sollen heute Patienten ihre Dialyse erhalten.
09:34Ein 72-jähriger Mann aus Israel sagt, er warte auf seine Nierentransplantation.
09:41Man weiß nicht, wer der Spender ist. Das ist etwas verdächtig.
09:45Man soll nicht zahlen, aber man zahlt trotzdem.
09:48Dann muss man unterschreiben, dass alles rechtmäßig ist. Aber das ist es nicht.
09:54In Israel muss man zwischen sieben und zehn Jahren warten. Für mich gibt es also keine andere Lösung.
10:00Er hofft, seine Niere in einer Woche transplantiert zu bekommen.
10:05Uns liegt ein Untersuchungsbericht aus dem Jahr 2023 über die Vorgänge im Medihe-Krankenhaus vor.
10:12Darin heißt es, Empfänger und Spender waren in vielen Fällen nicht verwandt.
10:16Transplantationen wurden trotz schlechter Kompatibilität durchgeführt.
10:21Es wurden Hochrisikotransplantationen durchgeführt, darunter Krebspatienten und Menschen in extrem hohem Alter.
10:28Bemerkenswert ist, dass für alle ausländischen Operationen an Spendern und Empfängern Barzahlungen getätigt wurden.
10:35Der Bericht empfiehlt, dass der Vorwurf des Organhandels von den zuständigen Behörden untersucht werden muss.
10:41Die Schlussfolgerungen des Berichts wurden jedoch bis jetzt nicht umgesetzt.
10:44Von unseren Quellen hören wir mehrfach, das Multimillionen-Dollar-Geschäft werde offenbar von Personen in hohen Regierungspositionen geschützt.
10:54Gründer und Vorsitzender der Mediheal Group ist Swarup Mishra.
10:58Er ist ehemaliger Parlamentarier und soll gute Beziehungen zu Kenias Präsident William Ruto pflegen.
11:04Trotz anhaltender Vorwürfe des Organhandels ernannte ihn der Präsident zum Vorsitzenden des staatlichen kenianischen Biovax-Impfstoffinstituts.
11:13In dieser Funktion vertritt er Kenia als Ansprechpartner für die WHO und ausländische Regierungsvertreter.
11:19Mishra reagierte nicht auf wiederholte Interviewanfragen und ließ einen Fragenkatalog unbeantwortet.
11:24Zurück zu Amon, dem Spender und seiner Mutter.
11:34Obwohl er erst 22 Jahre alt ist, kann Amon weder schwere Gegenstände heben noch körperlich arbeiten.
11:40Er fühlt sich ausgenutzt.
11:42Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, hätte ich das nicht akzeptiert.
11:49Ich hätte mich nicht dazu bereit erklärt, meine Niere herzugeben, selbst wenn sie versucht hätten, mich zu überzeugen.
11:56Ich bin verzweifelt.
11:56Ich bin verzweifelt.
12:12Ich bin verzweifelt.