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Auch nach der Präsidentenwahl streitet Moldau über den künftigen Kurs: Zwischen Pro-Europäern und Russlandfreunden, zwischen Jung und Alt, klafft ein tiefer Graben. Ist eine Verständigung zwischen den Lagern möglich?

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Transkript
00:00Die Grenze einer zerrissenen Nation.
00:03Hier, in der moldawischen Stadt Bazarabiaska, ist die Ukraine nur wenige Meter entfernt.
00:09Wir haben das Gefühl, dass wir uns im Krieg befinden.
00:13Wir können uns nicht richtig entwickeln.
00:15Zwar gibt es in Moldau schon länger eine prorussische Region, die sich abspalten will,
00:20aber seit dem Krieg in der Ukraine gibt es um das Land ein geopolitisches Tauziehen.
00:25Anfang November haben die Wähler ihre provestliche Präsidentin wiedergewählt.
00:29Eine knappe Mehrheit für einen EU-Beitritt Moldaus.
00:32Die Stichwahl war überschattet von einem Skandal, umgekaufte Stimmen, Bombendrohungen
00:37auf Wahllokale im Ausland und Berichten über illegale Wählertransporte aus Russland.
00:43In dieser Region des Landes erwarten einige nicht viel von der Zukunft.
00:49Es wird sich nichts ändern.
00:50Ich weiß nicht, es könnte sogar noch schlimmer werden.
00:52In der Hauptstadt Chisinau ist die Stimmung optimistischer.
00:55Vor allem, nachdem die amtierende Präsidentin Maya Zandou im November
00:59gegen ihre russlandfreundliche Herausforderin gewonnen hat.
01:03Es waren vor allem Mitglieder und ehemalige Mitglieder der moldawischen Diaspora,
01:07die ihr den Sieg gesichert haben, wie der Koch Emil Boschewsko.
01:11Ich hätte am liebsten alle geküsst, die für eine bessere Zukunft gestimmt haben.
01:23Emil Boschewsko wuchs im sowjetischen Moldau auf, verließ das Land und lebte 13 Jahre
01:28in London, bevor er zurückkehrte.
01:30Jetzt führt er hier ein beliebtes Restaurant.
01:38Europa ist für mich der einzige Weg, sich weiterzuentwickeln.
01:41Für Moldau geht es um Fortschritt.
01:43Es geht darum, besser zu werden, sich zu steigern, vor allem kulturell.
01:46Auch wirtschaftlich wird es viel besser werden.
01:49Es braucht einfach Zeit.
01:51Moldau pendelt schon immer zwischen Europa und dem Osten,
01:54dem russischen Einfluss der Sowjetunion.
02:00Das kleine Land mit seinen 2,5 Millionen Einwohnern steht noch immer zwischen Ost und West.
02:07Wir fahren in die halbautonome Region Gagauzien.
02:10Die Straßen hier wurden mit EU-Geldern gebaut, aber rund 95 Prozent der Menschen hier
02:15haben im letzten Monat gegen den EU-Beitritt gestimmt und gegen die provestliche Präsidentin.
02:21Obwohl Rumänisch die einzige Amtssprache Moldaus ist, sind die Schilder hier russisch.
02:27Gagauzien ist eine der ärmsten Regionen in einem der ärmsten Länder Europas.
02:32Deshalb ist dieser Freizeitpark eine willkommene Abwechslung,
02:35auch wenn es zu dieser Jahreszeit zu kalt für die jungen Besucher ist.
02:38Hier treffen wir den Aktivisten und Parkaufseher Ivan Bazab.
02:43Der sagt, die Menschen wollen sich nicht von Russland abwenden.
02:46Sein Park wurde von einem Milliardär mit engen Verbindungen zum Kreml finanziert.
02:51Wir sind daran interessiert, mit Russland zusammenzuarbeiten.
02:56Wir müssen nach Osten schauen, aber auch woanders hin.
02:59Wir werden die Menschen nicht spalten, wir werden die Länder nicht spalten.
03:03Wir wollen neutral bleiben, wie wir es bis heute waren.
03:06Aber wir wollen nicht, dass die Europäer uns in einen Konflikt mit den Russen drängen.
03:13Diese Idee, dass die pro-westliche Regierung das neutrale Moldau
03:17in eine kriegerische Auseinandersetzung mit Russland drängt, hört man hier immer wieder.
03:22Die Analystin Viktoria Olari sagt, dass auch im Internet diese Vorstellung verbreitet sei.
03:27Es habe Verhaftungen wegen versuchten Stimmenkaufs gegeben,
03:30Telegram-Bots, die Leuten Geld anbieten, um Inhalte gegen die Regierung zu posten.
03:34Auch eine russische Bank sei involviert.
03:37Das hier ist ein Deepfake, bei dem Präsidentin Sandu sagt, sie sei eine westliche Marionette.
03:42Und Moldau werde das gleiche Schicksal wie die Ukraine erleiden.
03:45Der Kreml streitet jegliche Wahlmanipulation ab.
03:49Doch Viktoria glaubt nicht daran. Sie sagt, Moldau sei leicht vom Aussand zu beeinflussen.
03:5450 oder 100 Euro in der Tasche und dafür wie gewünscht abzustimmen,
04:00das ist dem armen Teil der Bevölkerung einfach näher, als auf Reformen zu warten,
04:04die das Land langfristig voranbringen.
04:09Russland nutzt dieses Bild des Großen Bruders, besonders im Kontext des Krieges in der Ukraine.
04:14Und die Leute haben Angst, den Großen Bruder zu verärgern.
04:23Die Fähigkeit, freie und faire Wahlen abzuhalten, ist ein wichtiges Kriterium für einen EU-Beitritt.
04:29Die moldawischen Behörden haben zwar versucht, ausländische Einflüsse zu unterdrücken,
04:33doch internationale Wahlbeobachter sagen, dass es keinen fairen Wahlkampf für Oppositionskandidaten gab.
04:39Wir haben die Regierung damit konfrontiert.
04:43Jeder Bericht von internationalen Organisationen hat das Ziel, wertvolle Empfehlungen für die Behörden zu geben.
04:50Wir sind offen dafür, diese zu prüfen, zu analysieren und auch umzusetzen.
04:56Demokratie ist nichts, was man einfach hat. Man muss dafür kämpfen, sie aufbauen, sie fühlen.
05:03Die Zukunft eines neuen Moldaus wird sich an Menschen wie Emils 13-jähriger Tochter Mia entscheiden.
05:09Aber sie hat ihre eigenen Vorstellungen von der Zukunft.
05:13Ich denke, ich will nach Großbritannien oder in die USA auswandern.
05:18Siehst du den Trend bei der jungen Generation? Sie träumen immer noch davon, Moldau zu verlassen.
05:26Es gibt noch viel zu tun, um sie davon zu überzeugen, im Land zu bleiben und Bürger eines europäischen Landes zu werden.
05:37Der nächste Stresstest für Moldaus Demokratie kommt Anfang nächsten Jahres mit den Parlamentswahlen.
05:43Emil sagt, er hoffe, dass sein Land sich trotz der Zerrissenheit langsam weiter in Richtung Europa bewege.

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