Die Nehammer-Pressekonferenz in voller Länge

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Bundeskanzler und ÖVP-Obmann Karl Nehammer hat nach einem Gespräch mit FPÖ-Chef Herbert Kickl über die nächste Regierung eine Pressekonferenz gegeben. Hier das Statement von Nehammer in voller Länge.

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Transcript
00:00Vielen Dank. Meine sehr geehrten Damen und Herren, auf Basis des Wahlergebnisses hat der Herr
00:06Bundespräsident darum gebeten, dass die Chefs der drei stärksten Parteien Gespräche miteinander
00:12führen, um die Möglichkeit für eine Zusammenarbeit auszuloten. Diesem Wunsch bin ich sehr gerne
00:20nachgekommen. Ich habe deshalb heute ein Gespräch mit Herbert Kickl geführt. Sie alle wissen,
00:26dass ich vor der Nationalratswahl sehr klar gesagt habe, was meine Einschätzung und auch meine
00:35Haltung gegenüber der Politik Herbert Kickl ist. Diese Einschätzung habe ich auch nach der Wahl
00:43nicht geändert, bleibe dabei und ich möchte gerne aber hier auch offen und transparent begründen,
00:50wie ich zu dieser Einschätzung komme. Zum einen, und das ist mir persönlich wichtig,
00:56es geht nicht um die Frage der Sympathie zwischen uns beiden. Es ist nicht die Frage,
01:03ob der eine den anderen mag, also damit um Befindlichkeiten, sondern das, was mir wichtig
01:11ist, es geht um die Frage des politischen Tuns und Handelns und gleichzeitig auch der
01:18wesentlichsten Frage der Bereitschaft, politische Verantwortung zu übernehmen. Und Herbert Kickl
01:26ist nicht bereit, und das hat er mehrfach bewiesen in der Geschichte, tatsächlich dies zu tun,
01:32nämlich Verantwortung zu übernehmen. Er hat bei Corona mehrfach bewiesen, dass ihm die
01:41parteipolitische Zustimmung, das Angstverstärken näher ist, wichtiger ist, als in so einer schweren
01:49Situation, auch wenn es nicht einfach ist für eine Oppositionspartei, den Schulterschluss zu
01:54wagen, gemeinsam die Krise zu überwinden und Verantwortung zu übernehmen für 9 Millionen
02:00Menschen, denn das war der Anspruch der Bundesregierung, Verantwortung für 9 Millionen
02:05Menschen, Menschenleben zu retten und damit eben auch gemeinsam die Wucht dieses Viruses zu besiegen
02:13mit all seinen Auswirkungen. Ja, und all auch den notwendigen Aufarbeitungsprozess, wo es in Fehler
02:17passiert. Ich habe immer klargestellt, wir stehen zu den Fehlern auch, die wir gemacht haben. Man kann es
02:22immer nur aus dem Wissenstand von damals beurteilen. Er hat allerdings in der ganzen Zeit, bis auf den
02:29Anfang, wo er einen Totalshutdown gefordert hat von der damaligen Bundesregierung, hat er nie einen
02:35Beitrag geleistet zur Verantwortung, zur Klarheit und das heißt auch manchmal eben auch in Kauf
02:40nehmen, dass man dann das eine oder andere Mal eben nicht mehr parteipolitisch so beliebt ist, wenn es
02:45darum geht, wie gesagt für alle Menschen in Österreich da zu sein und nicht nur für eine gewisse
02:50Gruppe. Darüber hinaus teile ich sein Demokratieverständnis nicht. Ich lehne es zutiefst ab, auch in der
02:58politischen Auseinandersetzung und auch unter dem Feigenblatt der Zuspitzung und der Oppositionsrhetorik lehne
03:06ich zutiefst ab, wenn man innerhalb der politischen Auseinandersetzung angibt, Verhandlungslisten zu
03:11schreiben und wenn man in die politische Verantwortung kommt, nach oben zu treten. Das Problem ist das
03:19Treten. Das Problem ist, dass sich weigern, dass Demokratie eben nicht über Verhandlungslisten und
03:26Treten durchgeführt wird, sondern über Dialog, Zuhören, Kompromiss finden. Übrigens Kompromiss
03:34finden ist das Wesen und das Kernstück unserer Demokratie, vor allem dann, wenn es darauf ankommt
03:40auch Koalitionen zu bilden. Darüber hinaus stellt er sich durch sein Handeln sehr oft auch gegen die
03:46Sicherheit Österreichs. Er hat das mehrfach bewiesen in seinem Umgang als Innenminister mit dem
03:51Innenministerium selbst, mit seiner Zuneigung zu Pferden und Investitionen in diesen Bereich,
03:59aber seiner Verweigerung auch Verantwortung zu nehmen, Verantwortung zu übernehmen bei einem
04:04sensiblen Thema wie damals dem Verfassungsschutz, der Zerschlagung dessen und damit auch der
04:12Destabilisierung einen Beitrag leisten für die innere Sicherheit Österreichs. Und wer hat sich
04:17am meisten darüber gefreut, gerade wenn man die letzten Jahre im Besonderen auf die Aktivitäten
04:23achtet, auch hier die russische Föderation ihrerseits und auch hier Einfallstor dadurch geöffnet hat,
04:31von russischen Interessen, die gegen aber dann, gegen unsere Sicherheitsinteressen und vor allem
04:36gegen unsere Souveränität in Österreich sprechen. Der letzte aktuellste Beweis, dass er gegen die
04:44Sicherheit in unserem Land ist, ist auf der einen Seite, dass er sich weigert zur Kenntnis zu nehmen,
04:50dass der Raketenschutzschirm SkyShield ein wesentlicher Beitrag zur Sicherheit ist. Das ist
04:55gar nicht so sehr das Problem. Das kann in der politischen Auseinandersetzung ja Haltung sein.
04:59Das was aber gefährlich dabei ist, so wie er es auslebpolitisch ist, er meint die Neutralität
05:04werde dadurch gefährdet. Er verunsichert, macht Angst den Menschen. Die Wahrheit ist, die Neutralität
05:10ist durch den Raketenschutzschirm ganz im Gegenteil nicht gefährdet, sondern gestärkt, weil die
05:14militärische Landesverteidigung einem neutralen Land vor allem obliegt und auch die Schweiz als
05:20neutrales Land Partner von uns ist in diesem gemeinsamen Projekt und es ist gemeinsame
05:24Verantwortung eben, wenn man politische Verantwortung trägt, auch abseits des parteipolitischen
05:29Interesses eben für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in Österreich gesamtheitlich zu sorgen
05:36und auch da nicht wieder auf ein Gruppeninteresse zu achten und wieder über das Mittel der Angst.
05:42Darüber hinaus ist er einer, der der Verschwörungstheorie sehr gerne anheim fällt,
05:50der sie selbst lebt, argumentiert. Erinnern Sie sich an seine letzten Ausführungen betreffend
05:56der Weltgesundheitsorganisation, eine Organisation, die sehr viel Gutes getan hat. Österreich ist
06:01Sitz von 52 internationalen Organisationen, insbesondere auch UN-Hauptsitz. Herbert Kickl
06:08sagt aber, die WHO ist die nächste Weltregierung und Vernetzungstreffen wie das Wirtschaftstreffen
06:14in Davos bezeichnete er als Vorbereitung für die Weltherrschaft. Das kann man schon sagen,
06:21aber es ist unglaubwürdig, wenn man gleichzeitig Verantwortung für die Republik übernehmen
06:26will. Es ist unglaubwürdig, wenn man damit auch beweisen möchte, dass man den Stellenwert,
06:32die Haltung und die Ausrichtung Österreichs als einerseits Land mit vielen internationalen
06:38Partnern aufgrund seiner langen außenpolitischen Tradition, aber eben auch als Begegnungsstätte
06:43vieler Nationen damit auch in ein schiefes Licht drückt. Was die Herausforderung bei
06:52all dem ist, was ich Ihnen jetzt aufgezählt habe, es könnte der Eindruck entstehen, dass
06:57das Wählervotum von 1,4 Millionen Österreicherinnen und Österreichern dadurch nicht ernst genommen
07:02wird von meiner Seite. Das sind die, die die FPÖ unterstützt haben und das sind die,
07:05die dafür gesorgt haben, dass die FPÖ auch tatsächlich den ersten Platz erreicht hat.
07:11Ich nehme die Wählerinnen und Wähler der FPÖ sehr ernst. Ich nehme sehr ernst, was
07:16sie bewegt, gerade in Fragen der inneren Sicherheit, was sie bewegt im Kampf gegen
07:22die illegale Migration, wenn es auch darum geht, wie wir die Integration in Österreich
07:28besser, klarer, sichtbarer vorantreiben können, im Kampf gegen den politischen Islam und andere
07:33Herausforderungen. Aber auch hier ist eines ganz wichtig. Auch hier ist wichtig, dass
07:38man bei all den berechtigten Sorgen nie vergisst, dass es notwendig ist, Rechtsstaatlichkeit,
07:45Seriosität, Augenmaß anzuwenden, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen, auch
07:51den dunkelsten Stunden, die Österreich erlebt hat. Und hier zwei ganz wesentliche, auf meiner
08:00Sicht, Aufgaben erfüllt. Einerseits dem Sicherheitsinteresse, dem auch berechtigten gesellschaftspolitischen
08:07Interesse der Integration der Österreicherinnen und Österreicher und damit auch der Wählerinnen
08:12und Wähler der FPÖ gerecht wird und gleichzeitig dafür Sorge trägt, dass das in einem Klima
08:18passiert, das nicht von Hass, Angstmache und Spaltung dominiert wird. Und auch dafür steht
08:25leider Herbert Kickl nicht, denn seine Rhetorik ist geprägt von Angst und von Radikalisierung.
08:32Er bezeichnet die Identitären als NGO von rechts, in Wahrheit werden sie ja als rechtsextrem
08:42eingestuft und sind durch ihre Haltung klar abzulehnen, wie sie agieren und wie sie auftreten
08:48in der Öffentlichkeit, genauso wie abzulehnen sind alle Radikalen auf dem linken Spektrum,
08:53wie radikale, egal, religiös oder politisch motiviert, generell abzulehnen sind und aus
08:58meiner Sicht die Verantwortung eben darin liegt, hier nicht zu polarisieren, hier nicht
09:03wieder nach alten Rezepten zu greifen, die schon mehrfach gescheitert sind in der Geschichte,
09:09sondern durch Klarheit, Haltung, aber den Weg der Mitte nicht verlassend die Probleme
09:17und die Sorgen der Menschen ernst zu nehmen und eben nicht von den Problemen zu leben,
09:22sondern durch echte, tragfähige Lösungen und nicht durch unbrauchbare Lösungsansätze,
09:29die neue Frustration oder Verwerfungen in der Gesellschaft erzeugen, damit Politik zu machen.
09:34Das heißt, ich werde als Bundeskanzler genauso wenig als Bundesparteiobmann der österreichischen
09:42Volkspartei den Steigbügelhalter für Herbert Kickl machen.
09:47Ich halte es auch für eine historische Verantwortung, gerade eben aus der Geschichte lernend und
09:54ich halte es vor allem für meine Verantwortung gegenüber von 1,3 Millionen Wählerinnen
09:59und Wählern, die mir genau für diese Haltung vor dem Wahltag im Umgang mit der Politik,
10:06im Zugang zur Politik das Vertrauen ausgesprochen haben.
10:10Und vielleicht noch ein wichtiger Punkt, der jetzt in der Diskussion vielleicht noch zu
10:16kurz kommt.
10:19Es ist schon auch eine Tatsache, auch entgegen aller Rhetorik von Seiten der FPÖ oder Herbert
10:25Kickl, dass 72% der Wählerinnen und Wähler die FPÖ nicht gewählt haben.
10:32Das heißt also, es ist auch, finde ich, eine gemeinsame Verantwortung tatsächlich mit
10:37den Wählerstimmen verantwortungsvoll umzugehen, nicht die einen in Verlierer und in die anderen
10:43nur in Gewinner zu klassifizieren, sondern das Machbare sichtbar zu machen in der politischen
10:49Zusammenarbeit, bestmöglich den Wählerwillen auch dann darstellend in den zukünftigen
10:55Verhandlungen und dann auch in den zukünftigen Ergebnissen.
10:58Vielen Dank.
10:59Es gibt noch ein paar Fragen zu stellen.
11:00Frau Prospisch, Sie haben das Wort.
11:01Was ist denn die Prämisse von dem Ganzen?
11:02Heißt das eigentlich, das was wir gerade veranstalten mit den Gesprächen ist eh nur noch Formsache
11:13und Sie wollen mit BVP und Neos oder Grünen über eine Regierung verhandeln?
11:19Meine Prämisse ist klar.
11:20Das, was ich vor der Wahl gesagt habe, halte ich nachher auch.
11:23Es ist wichtig aus meiner Sicht in der Politik Verantwortung zu übernehmen und bereit zu
11:27sein für Verantwortung.
11:28All das habe ich vorher gesagt, sehe ich in der Politik von Herbert Kickl nicht und
11:33nicht nur ich, sondern eben auch viele andere.
11:36Der Bundespräsident hat uns beauftragt, die Gespräche zu führen.
11:39Ich habe das getan, auch ganz klar, auch ganz sachlich.
11:42Und gleichzeitig aber ist es mir wichtig, eben der Öffentlichkeit zu erklären, wofür
11:46ich stehe, wofür ich mich einsetze.
11:48Ich werde dementsprechend auch dann den Herrn Bundespräsidenten berichten und wir werden
11:51sehen, wie der Herr Bundespräsident dann weiter entscheidet.
11:53Haben Sie mit Neos und SPÖ auch schon Gespräche geführt?
11:56Nein, es folgt jetzt dann auch das Gespräch mit der SPÖ, so wie von meinem Bundespräsident
12:01beauftragt.
12:02Herr Kickl, Sie haben jetzt ein Bild, bitte.
12:04Das heißt, kann man jetzt aber davon ausgehen, dass eine Koalition der ÖVP mit der SPÖ
12:08und möglicherweise einen dritten Partner fix ist?
12:10Davon können Sie nicht ausgehen, denn das Entscheidende ist ja erstens das Verhandlungsergebnis,
12:15zweitens, und das ist aus meiner Sicht ja das viel Wichtigere, wie jetzt auch der Herr
12:19Bundespräsident weitergedenkt vorzugehen.
12:21Die abschließende Frage, Herr Sabatnik von Tübingen.
12:24Aber ist das jetzt die endgültige Absage an die FPÖ für eine Koalition?
12:29Also, vielleicht muss ich mich nochmal genau ausdrücken.
12:32Ich habe gerade gesagt, dass ich nicht der Steigbügelhalter für Herbert Kickl sein werde
12:37und dabei bleibt es.
12:38Sie unterscheiden weiter zwischen Kickl und der FPÖ?
12:41Ja, natürlich, weil eine demokratische Partei ist im Spektrum der demokratischen Parteien
12:45auch Realität und Wirklichkeit in einer Demokratie und aus meiner Sicht auch für die Vielfalt wichtig.
12:51Und ich habe vor der Wahl klargemacht, dass es mit Herbert Kickl eben aus den eben erwähnten
12:54Gründen aus meiner Sicht so nicht geht.
12:56Und man wird sehen eben, was dann die weiteren Verhandlungen mit den anderen Parteien erbringt.
13:01Eine abschließende Frage von Herrn Wieler vom Profil und dann müssen wir weiter.
13:04Und was haben Sie denn jetzt eigentlich mit Herbert Kickl besprochen, außer dass Sie
13:07nicht mit ihm koalieren wollen?
13:09Die Gespräche sind vertraulich.
13:11Das finde ich ist auch richtig und gut so.
13:13Ich habe Ihnen meine Haltung erklärt, meinen Zugang zu den Gesprächen und aus meiner Sicht
13:17ist damit alles gesagt.
13:19Wie haben Sie sich vor Ort geäußert nach den Gesprächen mit den anderen Parteien?
13:22Also zunächst war es mal wichtig, aus meiner Sicht klarzustellen, weil es eben jetzt diesen
13:26Auftrag gab, des Herrn Bundespräsidenten und auch meine Klarlegung vor der Wahl klarzumachen,
13:31wofür ich nach der Wahl stehe und auch nach dem Gespräch mit Herbert Kickl.
13:34Dankeschön.
13:36Vielen Dank für's Zuhören.

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