Touristen sind in vielen Regionen inzwischen lästig. Doch auf Sardinien hält sich die Kritik in Grenzen. Inselregierung und Hotelbetreiber bringen mit regionalen und ökologischen Konzepten schon lange Tourismus, Natur und Einheimische unter einen Hut.
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NewsTranskript
00:00Sie protestieren gegen immer mehr Touristen, gegen rasant steigende Mieten, gegen massive
00:07Umweltschäden durch Kreuzfahrtschiffe und Bettenburgen, auf den Balearen wie hier auf
00:12Mallorca, auf den Kanarischen Inseln, in Barcelona oder in Venedig. Die Bilder gleichen sich
00:18und auch die Sorgen der Einheimischen. Sie werden abgehängt, haben nichts von den Milliarden
00:23Umsätzen der großen Hotelketten und sie haben Angst, dass Übertourismus, also viel
00:28zu viele Touristen, das zerstört, was ihre Heimat einzigartig macht.
00:33Es reicht. Es dreht sich alles um den Tourismus, während unsere Leben schwieriger werden und
00:38wir keinen Wohnraum finden.
00:40Dass es auch anders geht, zeigt Sardinien. Die Insel im Mittelmeer gehört zu Italien.
00:451,6 Millionen Menschen leben hier und 7,5 Millionen Touristen besuchten die Insel im
00:50vergangenen Jahr. Eine Menge. Aber Sardinien arbeitet schon seit 10 Jahren daran, den Tourismus
00:57nachhaltiger und für die Insel zumindest verträglicher zu machen, zusammen mit Restaurantbetreibern,
01:02Pensionen und Hotels. Und einige haben schon vor mehr als 30 Jahren über Konzepte zum
01:08Wassersparen nachgedacht, über Müllvermeidung und die Nutzung lokaler Produkte und Nahrungsmittel.
01:16Alles, was auf den Tisch kommt, kommt entweder aus dem eigenen Garten, Gemüse, Tomaten oder
01:22hat einfach ganz kleine Transportwege, kommt von der Insel. Das betrifft natürlich auch
01:26Fisch und Fleisch. Wir nehmen, was immer geht, 90 Prozent mit ganz geringer Anreise.
01:33Bis zu 1.400 Gäste wohnen in dem weitläufigen Ressort, in acht Hotels und Bungalow-Anlagen,
01:39eingebettet in Wald und Gärten. Autos sind hier verboten. Alle Transporte werden mit
01:45dem Fahrrad erledigt oder mit Elektrobuggys. Der Strom kommt von Solaranlagen auf den Dächern.
01:52Denn Sonne gibt es in Sardinien mehr als genug. Lebensmittelabfälle aus den Restaurants werden
01:58kompostiert und für die Gartenanlage verwendet. Lorenzo Gianotti hat das Ferienressort vor mehr
02:04als 30 Jahren aufgebaut. Schon damals machte er sich Gedanken darüber, wie man den Einfluss
02:10einer so großen Anlage auf Natur und Umwelt möglichst klein halten kann. Beim Wasserverbrauch
02:16zum Beispiel. 1.000 Kubikmeter, eine Million Liter, werden hier jeden Tag gebraucht. Und
02:22Trinkwasser ist auch auf Sardinien knapp, vor allem nach der Hitzewelle der vergangenen Wochen.
02:27Gerade erst hat die Regionalregierung für einige Gegenden den Wassernotstand ausgerufen.
02:32Hotelchef Gianotti hat vor langer Zeit einen eigenen künstlichen Stausee anlegen lassen.
02:38Der Stausee kann bis zu 350.000 Kubikmeter Wasser verstauen. Im Winter sammeln wir
02:52üblicherweise genug Wasser, um unseren Verbrauch zu decken. Somit sind wir unabhängig von der
03:00aktuellen Wasserlage und sind selbstversorger. Das gilt auch für die Bewässerung der Bäume
03:07und Gärten. Dafür sei Trinkwasser, egal ob aus der Leitung oder dem Stausee, viel zu schade,
03:13sagt Gianotti. Deshalb hat das Hotel eine eigene Kläranlage. Was nicht besonders appetitlich aussieht,
03:20schont Natur und Umwelt. Wir sammeln das gebrauchte Wasser und recyceln es. Das Wasser wird dann
03:30für die Bewässerung und für die Gartenarbeit genutzt. Jeden Tag werden 700 Kubikmeter Wasser
03:37zurückgewonnen. Das ist entscheidend. Zukünftig werden wir darauf nicht verzichten können.
03:48Offensichtlich steigen die Temperaturen und es regnet immer weniger. Da können wir keinen
03:54Tropfen Wasser verschwenden. Eine Autostunde entfernt liegt die Inselhauptstadt Cagliari.
04:07Mit ihren Sehenswürdigkeiten, der Altstadt und den Restaurants vor allem im Sommer ein Touristenmagnet
04:13und Startpunkt für die Ausflüge zu den Stränden. Die Regierung der autonomen Region Sardinien hat
04:19schon vor zehn Jahren angefangen, den Zugang zu Stränden und Sehenswürdigkeiten zahlenmäßig zu
04:24begrenzen. Um die Natur zu schützen, aber auch das Image der Insel. Massen an Touristen, das wollte man
04:30hier nicht. Die sollen schließlich auch wiederkommen. Es war anfangs schwierig und ist auch heute noch
04:38schwierig. Aber viele unserer Betreiber und Unternehmen haben eine andere Einstellung zur
04:45Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit bedeutet, dass wir was aufrechterhalten für die nächsten Besucher.
04:58Dass dieses Konzept inzwischen gut funktioniert, sieht man an vielen Stellen. Durch die Dünen, die
05:04die Strände für Erosion schützen, läuft hier kaum ein Urlauber. Weil es Schäder gibt, die Funktion
05:10erklären. Und vor allem drastische Strafen. Und niemand stört die Flamingos gleich nebenan.
05:19Zurück in der großen Hotelanlage. Hier treffen wir Marilena Leda. Sie zeigt den Gästen, wie traditionelle,
05:26handgemachten Pastaspezialitäten entstehen. Nach alten Familienrezepten aus Sardinien.
05:36Es ist wichtig, die Erinnerung an unsere Tradition zu erhalten. Und den nächsten Generationen beizubringen,
05:43dass diese Dinge zu unserem Leben, unserer Geschichte gehören. Es ist gut, dass wir hier auch den Touristen
05:51zeigen können, dass dies ein Teil unserer Geschichte ist.
06:01Mit Tradition und Geschichte Sardiniens bestreitet Marilena Leda ihren Lebensunterhalt. Sie ist Künstlerin,
06:09bemalt Porzellan nach traditionellen Techniken. Oder bestickt zusammen mit Freundinnen Kleidung und Textilien
06:16im sardischen Stil. Auftritte in Hotels und auf Festen, sagt sie, bringen die sardischen Traditionen auch
06:23den Besuchern näher. Diese Art von Tourismus ist meiner Meinung nach ideal für uns, weil hier unser tägliches Leben,
06:35unsere Besonderheiten eine Rolle spielen. Und weil die Touristen sich auf diese Weise integrieren und verstehen können,
06:43was es bedeutet, auf Sardinien zu leben.
06:50Bei ganz verschiedenen Aspekten von nachhaltigem Tourismus steht die kleine Insel Sardinien im weltweiten Vergleich
06:57schon heute besser da als andere Tourismusregionen. Aber Raimundo Mandes vom sardischen Tourismusministerium sagt,
07:03man müsse noch mehr tun. Es gibt keinen Planeten B, es gibt kein Sardinien B. Wir sehen uns verpflichtet,
07:13die Zahl der Naturschutzgebiete zu erhöhen. Es gibt bereits sechs Meeresschutzgebiete, zwei national und drei Regionalparks.
07:23Das bedeutet, dass ein Großteil der Natur Sardiniens geschützt ist oder zumindest unter Beobachtung steht.
07:37Und die Erfahrung, sagt er, zeige inzwischen, dass auch immer mehr Touristen die Bemühungen um sanften Tourismus positiv wahrnehmen.
07:45Viele würden nämlich genau deshalb wiederkommen.