Kategorie
🗞
NewsTranskript
00:00Herr Bischof, was haben Sie denn empfunden beim Studium des Berichtes zum sexuellen Missbrauch?
00:05Ein ganzes Gemisch von Gefühlen.
00:09Eine tiefe Trauer, natürlich auch Scham.
00:14Und ich habe immer, schon als ich von den Inhalten das erste Mal gehört habe, am vergangenen Montag, an die Opfer gedacht.
00:24An jene, die noch leben, an jene, die verstorben sind.
00:28Und genau dieser Opferblick, diese Opferperspektive verändert am meisten.
00:35Mich auf jeden Fall hat das in den vergangenen Jahren, seit ich Bischof bin, am meisten geprägt, am meisten beeindruckt.
00:44Und hat mir auch am meisten geholfen zu lernen.
00:49Und ich habe einiges gelernt, aber ich hoffe, dass dieses Lernen noch weiter geht.
00:56Weil es sagt sich ganz leicht, ich mache in Zukunft keine Fehler mehr.
01:01Das getraue ich mich nicht zu sagen, nicht aus einer falsch verstandenen Demut heraus.
01:06Sondern weil die ganze Thematik sehr komplex ist, sehr aufwühlend.
01:12Und das kann man nicht nur einfach betrachten und an diese Thematik herangehen, distanziert.
01:19Wer mit Betroffenen redet, der wird berührt.
01:24Da kann man sich nicht heraushalten.
01:27Welche Hoffnungen verknüpfen Sie denn mit der Veröffentlichung des Berichtes?
01:32Das alles war anstrengend, mühsam. Wir haben mehrere Anläufe gebraucht.
01:39Mir war es immer auch wichtig, möglichst viele Menschen mitzunehmen.
01:43Auch das ist wichtig.
01:45Weil nur wenn möglichst viele mitgenommen werden, dann können wir darauf hoffen,
01:50dass es ein Schritt ist, der zu einer Mentalitätsveränderung führt, zu einem Kulturwandel.
01:56Und das genau ist meine Hoffnung.
01:58Deswegen, so leidvoll das alles ist, vor allem für die Betroffenen, ich verbinde eine große Hoffnung damit.
02:06Die Kirche predigt ja jetzt immer Nächstenliebe, Reue und hält es ja selbst nicht so genau damit.
02:14Ist die Kirche dann ein schlechtes Vorbild bzw. wie kann das Vertrauen der Kirche zurückgewonnen werden?
02:19Durch Ehrlichkeit, durch das Zugeben von dem, was geschehen ist.
02:24Und Missbrauch in all seinen Formen, vor allem auch sexueller Missbrauch.
02:32Das widerspricht zutiefst dem Evangelium. Ohne Wenn und Aber.
02:38Da braucht es die Umkehr, da braucht es eben diese Mentalitätsveränderung.
02:44Und das wünsche ich mir. Das muss uns alle zutiefst beschäftigen.
02:50Persönlich, als Institution, als Kirche, als Gesellschaft.
02:56Und dann bin ich wirklich davon überzeugt, das Evangelium ist schon ein guter Gradmesser.
03:03Auch in dieser Frage.
03:05Und auch wenn wir schmerzlich damit berührt werden, dass diese Fälle zutiefst dem Evangelium widersprechen,
03:13verbindet mich einfach mit dem Evangelium die Hoffnung, wir können uns ändern.
03:18Und wir müssen uns ändern.
03:22Es wurden heute viele Maßnahmen vorgestellt, die in Richtung der Opfer gehen.
03:27Müsste man aber nicht auch mehr Maßnahmen berücksichtigen, die die Priester ins Blickfeld rücken?
03:34Sprich Ausbildung, Prävention?
03:37Das ist ganz wichtig. Das ist wirklich ganz wichtig.
03:40Es wurde auch angesprochen und auch da wurde schon in den letzten Jahren viele Schritte unternommen.
03:46Nicht, dass wir perfekt wären, aber viele Schritte.
03:49Schon die Tatsache, dass all diese Themen heute viel mehr thematisiert werden.
03:54Das war vor 20, 30, 40 Jahren einfach noch nicht so.
03:58Alle diese Fragen und diese leidvollen Hinweise, die aus diesem Bericht herauskommen, die werden heute thematisiert.
04:08Und das müssen wir tun.
04:10Sexualität, der Umgang mit Macht, die Zusammenarbeit der verschiedenen Charismen in unserer Kirche.
04:18Und, was schon auch ganz wichtig ist, die typisch frauliche Perspektive oder das typisch frauliche Schauen auf diese leidvollen Ereignisse.
04:30Das müssen wir noch viel mehr in diese ganze Auseinandersetzung hineinnehmen.
04:35Welche Konsequenzen ziehen Sie denn persönlich für sich aus den letzten Tagen und aus den Ergebnissen des Berichts?
04:44Ich bin froh, dass wir uns dem gestellt haben.
04:47Dass mir viele dabei geholfen haben.
04:50Dass mir Menschen auch Mut gemacht haben.
04:53Die letzten Jahre oder die Entscheidung, die dazu geführt hat, das war nicht einfach.
05:00Das kann gar nicht einfach sein.
05:02Aber jetzt verbinde ich damit eine Hoffnung, weil ich fest davon überzeugt bin,
05:06letztlich ist es die Wahrheit, die uns frei macht, so unangenehm, so schmerzlich, so beschämend es sein kann.
05:13Und ich wäre kein Christ, wenn ich auch nicht mit diesen leidvollen Fragen und Erfahrungen,
05:21wenn ich damit nicht Hoffnung, Hoffnung auch auf eine bessere Zukunft verbinden würde.