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Wochenlang in einem schlammigen Schützengraben liegen, bei Kälte und Hunger? In den sicheren Tod geschickt werden? Viele ukrainische Soldaten haben sich den Krieg offenbar anders vorgestellt - und desertieren. AFPTV hat mit einigen von ihnen gesprochen, die dann doch wieder zur Armee zurückgekehrt sind.

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Transkript
00:00Ein Erste-Hilfe-Kurs für ukrainische Soldaten. In einem Zelt in der Nähe der Front. Was ist zu tun,
00:08wenn ein Geschosssplitter im Bauch steckt? Wie legt man einen Druckverband an? Unter
00:14den müde dreinblickenden Soldaten ist Oleksander. Der 45-Jährige hat schon zu Beginn des Krieges
00:20als Soldat gegen die russischen Truppen gekämpft. Doch irgendwann ist er desertiert.
00:26Wir haben uns zurückgezogen, weil wir unter heftigem Beschuss standen. Viele wollten dann
00:36nicht mehr zurück zu unseren früheren Stellungen. Unser Kommandeur hat diejenigen versammelt,
00:41die noch übrig waren. Aber wir wollten nicht zurück. Das war ein entscheidender Zeitpunkt.
00:47Wir wollten leben. Wir hatten ja keine Kampferfahrung. Wir waren nur normale Arbeiter
00:53vom Land. Nach mehr als einem Jahr in seinem Heimatdorf, das er vor allem mit dem Trinken
01:05von Alkohol verbrachte, kehrte Oleksander zurück in die Armee, unter anderem wegen seiner Schuldgefühle
01:12den anderen Soldaten gegenüber. Auch dieser Soldat ist desertiert und wieder zurückgekehrt.
01:19Man hält die Stellung, man kämpft, man ist ständig unter Beschuss. Alle denken,
01:27dass das nicht so schlimm ist, weil man ja nicht verbundet wird und ins Krankenhaus kommt. Doch
01:33wenn man ununterbrochen beschossen wird, dann macht dich das kaputt im Kopf. Man wird verrückt.
01:38Man ist immer unter großem Stress und man kann sich dann selbst nicht mehr kontrollieren.
01:44Desertieren ist eine Straftat in der Ukraine und die Zahl der entsprechenden Verfahren ist
01:56zuletzt stark gestiegen. Dank einer Amnestieregelung bleiben diejenigen straffrei,
02:02die freiwillig zurückkehren. Im Krieg ist alles knapp. Zeit, Essen, Wasser, Geld und die Soldaten
02:13sind es auch. Es kann gar nicht so sein, dass alles glatt läuft. Viele Männer denken,
02:19dass Krieg so ist wie im Film. Alles läuft toll, man schießt, man rennt weg. Aber Krieg ist komplett
02:25anders. Man sitzt wochenlang in einem Schützengraben, manche stecken knietief im Dreck. Es ist kalt,
02:32alle sind hungrig, weil man nicht leicht an Essen kommt. Also, wie könnte man die Zahl der Deserteure
02:39senken? Ich weiß es nicht. Wir müssen den Krieg beenden, nur das würde etwas helfen.
02:44Obwohl Oleksi Kommandeur ist, kann er die Angst der Soldaten verstehen.
02:52Die Zahl der Deserteure nimmt zu, weil uns die Freiwilligen ausgehen. Uns gehen die Männer aus,
03:04die für Geld in den Krieg ziehen. Jetzt ist es so, dass diejenigen, die an die Front kommen,
03:10irgendwo aufgegriffen wurden gegen ihren Willen. Sie werden gezwungen, aber es geht eben nicht
03:16anders. Das lässt die Zahl der Deserteure ansteigen. Dass Soldaten erst desertieren,
03:28dann aber zur Armee zurückkehren, ist ein Massenphänomen in der Ukraine.
03:33Die Armee gibt ihre Zahl allein für November mit 8000 an.

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