Mit seinen Nachforschungen und Untersuchungen trug
Prokop zum Beispiel maßgeblich zur Aufklärung im Fall Hans
Hetzel bei - einem der schwerwiegendsten Justizirrtümer der
Bundesrepublik. 1953 wurde eine junge Frau, die aus der DDR
stammte, in Westdeutschland tot am St
.....
Prokop zum Beispiel maßgeblich zur Aufklärung im Fall Hans
Hetzel bei - einem der schwerwiegendsten Justizirrtümer der
Bundesrepublik. 1953 wurde eine junge Frau, die aus der DDR
stammte, in Westdeutschland tot am St
.....
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TVTranskript
00:00Eine Spielszene.
00:02Eine Anhalterin steigt 1953 zu einem Unbekannten ins Auto.
00:07Im Dunkeln fährt das Auto in ein Waldstück.
00:10Wenig später lassen sich beide auf ein intimes Abenteuer ein,
00:14doch plötzlich ist die Frau aus Mitteldeutschland tot.
00:18Der Mann trägt die Nackte weg.
00:20Ist der Fahrer ihr Mörder?
00:22Archivaufnahmen einer Autobahn am Tag.
00:25Ein Mann aus Bremen fährt 1983 durch die DDR.
00:29Auf der Transitstrecke wird er beim Warenschmuggel erwischt.
00:33Was heißt das?
00:35Die anschließende Vernehmung überlebt er nicht.
00:38Er stürzt und prallt mit dem Kopf gegen einen Heizkörper.
00:41Was ist im Verhörraum passiert?
00:43Das Bild läuft rückwärts.
00:45Zwei Kriminalfälle mit vielen Fragen.
00:48Archivaufnahmen.
00:50Und einer, der nach Antworten sucht,
00:52der legendäre Gerichtsmediziner Otto Prokop.
00:56Ich habe in die Seele der Menschen schon hineingeschaut.
00:59Ich weiß ungefähr, was los ist.
01:01An der Berliner Charite leitet er über 30 Jahre die Gerichtsmedizin.
01:06Ein Österreicher in der DDR.
01:09Viel Zeit für seine Familie bleibt ihm nicht,
01:12denn das Verbrechen schläft nie.
01:15Ein stilisierter Fingerabdruck in weißer Schrift.
01:18Kripo Leif, Tätern auf der Spur.
01:21Sein Berufsleben lang gibt er den Toten eine Stimme.
01:25In schwarzen und weißen Großbuchstaben erscheint
01:28Der Tod war sein Leben.
01:30DDR-Gerichtsmediziner Otto Prokop.
01:33Ein Film von Dirk Heinemann.
01:37Ein Sektionssaal.
01:39Rund 50.000 Mal obduzieren Otto Prokop und sein Team Verstorbene.
01:44Ermordete.
01:46Mauertote.
01:48Verunglückte.
01:50Archivaufnahmen.
01:53Eben all jene, die unter zweifelhaften Umständen ihr Leben lassen.
01:58Seine Arbeit im Ostteil Berlins beginnt er Ende der 50er Jahre.
02:02Die Gerichtsmedizin gehört damals zur Charite an der Humboldt-Universität.
02:06Prokop, hier ist die Stätte, wo der Tod sich freut, dem Leben zu helfen.
02:11Ein Filmausschnitt.
02:13Wittenberg, Einfallswinkel ist gleich Ausfallswinkel.
02:16Das haben Sie schon in der Volksschule gelernt, oder nicht?
02:19In der neuen Charite-Staffel der ARD spielt Otto Prokop eine Hauptrolle.
02:23Dargestellt von Philipp Hochmeier.
02:25Prokop zu Assistenten.
02:27Achtung bei der Lunge, da müssen wir gute Stücke rausnehmen.
02:30Wie in Otto Prokops echtem Leben ist der Sektionssaal sein zweites Zuhause.
02:36Hier wird mit er viel Zeit den Toten und der Suche nach den Todesursachen.
02:41Die Charite heute.
02:43Unweit vom heutigen Bettenhaus der Charite hat Otto Prokop gearbeitet.
02:48Das Backsteingebäude in der Hannoverschen Straße ist damals seine Wirkungsstätte.
02:53Das Institut für Gerichtliche Medizin.
02:57Ein Raum ist bis heute unverändert.
03:00Sonnenlicht strömt in einen Raum mit ansteigenden Sitzreihen.
03:04Der Hörsaal.
03:06Hier lehrt Otto Prokop die Wissenschaft vom Sterben und vom Tod.
03:10Als er schon Rentner und vielerorts Gastredner ist, hört ihm auch Sven Hartwig zu.
03:16Der dunkelhaarige Hartwig mit Brille sitzt im leeren Hörsaal.
03:20Der Arzt der Berliner Charite hat sich für seinen Beruf in der Rechtsmedizin auch deshalb entschieden,
03:26weil ihn Otto Prokop begeistert hat.
03:29Ein Schwarz-Weiß-Foto von Prokop bei einer Vorlesung. Hartwig.
03:33Er war ein sehr höflicher Mensch und hat sich immer artig bedankt für das Interesse an dem Fach.
03:38Es ging ihm nicht darum, dass man sich um seine Person scherte, sondern ihm war das Fach wichtig.
03:43Und insbesondere waren es seine auch populärwissenschaftlichen Bücher, die Interesse am Fach geweckt haben.
03:50Und insbesondere aber auch sein berühmter Atlas der Gerichtlichen Medizin.
03:55Bis heute ein Standardwerk in der Fachwelt. Über Tote, Tatorte und Tötungen.
04:02Schwere Kost für den Laien.
04:05Otto Prokop hat all seinen wissenschaftlichen Erfahrungsschatz in diesem Bildband verewigt.
04:11Einblicke in menschliche Abgründe.
04:14In schneller Folge Leichenfotos in Schwarz-Weiß. Eine Buchseite.
04:19Diese toten Frau aus Mitteldeutschland widmet er im Atlas und anderen Fachbüchern besondere Aufmerksamkeit.
04:26Magdalena giert, denn ihr tragischer Tod verändert auch das Leben dieses Mannes.
04:33Ein Foto.
04:34Hans Hetzel aus Baden-Württemberg.
04:37Darauf führt die Polizei Hetzel ab. Hartwig.
04:40Hans Hetzel hat 1953 eine junge Anhalterin mitgenommen, die späterhin nackt und tot nahe einer Fernverkehrsstraße aufgefunden wurde.
04:51Eine Spielszene.
04:53Der 1. September jenen Jahres wird für das weitere Leben von Hans Hetzel verheerende Folgen haben.
05:00Über eine Landstraße fährt er durch einen Wald.
05:04Der 27-Jährige ist damals Vertreter für Spielautomaten und dienstlich Richtung Freiburg unterwegs.
05:11Am Straßenrand entdeckt er eine Anhalterin. Die Frau gefällt ihm auf den ersten Blick.
05:16Giert ist Brünett und trägt ein petrolfarbenes Blusenkleid.
05:20Hallo, dürfte ich ein Stück bei Ihnen mitfahren?
05:22Auf jeden Fall.
05:23Die Entscheidung, die Unbekannte mitzunehmen, wird fatale Folgen haben. Für beide.
05:29Sie steigt ein. Hetzel fährt los.
05:33Dabei beginnt es wie ein Abenteuer.
05:36Im Auto. Hetzel mit braunem Haar und kurzem Bart und Giert lächeln sich an. Mit einem Streichholz entzündet sie zwei Zigaretten.
05:45Die beiden haben offensichtlich Gefallen aneinander gefunden.
05:48Heute würde man sagen, man hat eher eine Spritztour unternommen, ist so ein bisschen ziellos unterwegs gewesen.
05:55Später ist Hans Hetzel als Person identifiziert worden, die mit dieser Frau im doppelten Wortsinne verkehrt hat.
06:03Der Wagen parkt.
06:05Das bahnt sich schon auf der Fahrt an. Hans Hetzel lädt die Anhalterin zum Essen ein. In ein Restaurant in Trieberg im Schwarzwald.
06:14Sie betreten die Gaststätte. An einem Tisch in einer Nische wird ihnen Schnitzel serviert. Sie essen und lachen miteinander.
06:21Die Begegnung beschreibt er später als verlockend und anziehend. Seiner Ansicht nach hätte das auf Gegenseitigkeit beruht.
06:30Lächelnd stoßen sie mit Rotweingläsern an.
06:34Beide genießen den Moment und erzählen nicht viel voneinander. Die Unbekannte ist Ehefrau und Mutter von drei Kindern.
06:42Hans Hetzel ist ebenfalls verheiratet, doch darüber wird nicht gesprochen.
06:47Giert rückt näher zu ihm. Beide trinken. Hetzel erhebt sich.
06:54Hans Hetzel weiß nicht, dass die Frau aus der DDR stammt, aus der Nähe von Karl-Marx-Stadt.
07:00Ihr Mann arbeitet in Offenburg. Sie begleitet ihn manchmal. Damals, 1953, ist die deutsch-deutsche Grenze noch offen.
07:09Doch all das spielt an diesem Abend keine Rolle.
07:12Sie gehen hinaus.
07:14Hetzel gibt später zu Protokoll. Nach dem Restaurantbesuch habe man ein ruhiges Plätzchen aufgesucht.
07:21Im Dunkeln fährt das Auto über einen einsamen Waldweg und stoppt. Die Scheinwerfer erlöschen.
07:26Im Auto. Die beiden küssen sich leidenschaftlich.
07:30Mitten im Schwarzwald seien sich beide dann nähergekommen.
07:34Die Initiative wäre dabei von der Mitfahrerin ausgegangen. Er habe keine Anstalten machen müssen, die Frau zu überreden. Im Gegenteil.
07:44Kleidungsstücke auf der Rückbank. Draußen. Nackt sitzt Giert auf ihm.
07:49Im Wald sei es dann insgesamt zweimal zum Sex gekommen. Tabulos und ekstatisch, so Hetzel später.
07:56Doch das Liebesspiel gerät außer Kontrolle.
07:59Hetzel kniet hinter Giert. Er hält ihr Haar gepackt. Ihr Mund ist lustvoll geöffnet.
08:05Plötzlich zeigt die Frau keine Regung mehr.
08:09Hetzel hört keinen Atem und keinen Herzschlag. Seine Vermutung, sie sei nur bewusstlos, weicht der Gewissheit. Die Frau ist tot.
08:19Panisch rüttelt er sie. Er steht auf und fährt sich durch die Haare.
08:23Hetzel trägt die leblose Giert zum Auto und wirft sie auf die Rückbank.
08:26Mit einem Mantel deckt er sie zu.
08:30Hartwig? Nach seiner Schilderung sei es hier zu einem einvernehmlichen Geschlechtsverkehr gekommen,
08:38in dessen Zuge die Frau plötzlich leblos zusammensank und trotz seiner leidenhaften Wiederbelebungsversuche nicht wieder zu Bewusstsein gelangt.
08:48Er hat dann die Leiche ein Stück weit transportiert.
08:50Hetzels Wagen fährt durch den Wald. Er wirft Gierts Kleid aus dem Fenster.
08:55In Panik befreit er sich von der Kleidung der Frau und von der Toten selbst.
09:01Er hält am Straßenrand und zieht Gierts Leiche aus dem Auto.
09:06An einer Straße legt er die Unbekannte ab. Auf einer feuchten Löschung.
09:11Nackt liegt die Tote im Unterholz.
09:13Zwei Tage danach wird sie gefunden und identifiziert. Als Magdalena Giert.
09:19Als das Hetzel erfährt, stellt er sich der Polizei. Weil er die Leiche entsorgt hat, glaubt ihm keiner. Es kommt zum Prozess.
09:28Archivaufnahmen. Ein Weißhaariger.
09:31Der Gerichtsmediziner Albert Ponsoldt aus Münster übernimmt. Für ihn ist Hetzel ein Perverser, der lügt.
09:37Diese Spur am Hals der Toten sei der Beweis für Mord, so Ponsoldt, und kann nur durch Erdrosselung entstanden sein. Mit einem Strick.
09:46Ein Bericht mit Skizzen des Erdrosselungsvorgangs. Ponsoldt vor Gericht.
09:51Ich habe mir die Vorstellung gemacht, dass dieser Strick wie immer beim Erdrosseln um den Hals herumgelegt wurde.
09:59Und nachdem der Strick dann nicht mehr weiter rutschen konnte, sondern fest dem Hals anlag, gab es eine Druckspur.
10:08Ein Gefängnis. Das überzeugt die Justiz. Hetzel wird 1955 wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt.
10:17Hetzels schlichte Zelle mit Tisch und Waschbecken.
10:19In 16 Jahren hinter Kittern beteuert er immer wieder seine Unschuld.
10:24Sein Anwalt bemüht sich etliche Male um Wiederaufnahmeverfahren. Schließlich gelingt es ihm.
10:31Denn er kann einen Gutachter gewinnen, der alles auf den Kopf stellt. Otto Prokop aus der DDR.
10:38Prokop hat es sich zur Aufgabe gemacht, nach alternativen Erklärungsmöglichkeiten für die Verurteilung maßgebenden zu lassen.
10:46Alte Fotos. Prokop im Hörsaal.
10:49In Vorlesungen und im Fernsehen erklärt Otto Prokop später immer wieder, die Tattheorie der Erdrosselung ist ein fataler Irrtum.
10:57Ein Fernsehinterview.
10:59Ich habe damals gesagt, wenn jemand erdrosselt wird, dann wird das Werkzeug um den ganzen Hals gelegt und zugezogen.
11:06Warum ist nur auf der einen Seite das und nicht auch auf der anderen Seite?
11:09Er trägt eine Brille.
11:10Prokop vertieft sich in den alten Obduktionsbericht.
11:14Demnach ist Magdalena Giert herzkrank gewesen.
11:18Außerdem hat der Gerichtsmediziner Ponsold die tote Frau nie selbst, sondern nur auf diesen Fotos gesehen.
11:25Aber woher rührt nun die Spur am Hals?
11:28Fotos vom Tatort. Prokop.
11:31Sondern habe ich experimentiert. Man darf ja nicht sagen, wie man das macht.
11:34Wenn ich z.B. einen Toten auflege auf einen nassen Ziegelstein, um festzustellen, gibt es Abdrücke am Hals, die so aussehen wie eine Strangmarke.
11:47Seine Experimente im Sektionssaal bestätigen, der Halsabdruck ist nachweislich durch eine feuchte Astgabel entstanden.
11:55Nach dem Tod.
11:57Die Spielszene.
11:58Verstorben ist Magdalena Giert durch die Überanstrengung beim Sex.
12:03Durch Versagen ihres ohnehin schon geschwächten Herzens.
12:07Archivaufnahmen in Schwarz-Weiß. Hetzel in Anzug.
12:11Nach rund 16 Jahren Haft wird Hans Hetzels Fall neu aufgerollt.
12:17Er und sein Anwalt ziehen 1969 noch einmal vor das Landgericht Offenburg,
12:22das Gericht, das ihn einst verurteilt hat.
12:25Das Verfahren wird wieder aufgenommen.
12:28Sie betreten das Gebäude.
12:30Es geht um nichts weniger als um die Beweisführung für Hetzels Unschuld.
12:35Hetzel blickt ernst.
12:37Im Saal des Landgerichts Offenburg sitzt Hetzel dem Mann gegenüber, der den entscheidenden Beweis liefert.
12:45Prokop in der Zeugenbank.
12:46Der Gerichtsmediziner Otto Prokop aus der DDR.
12:50Ein Interview von 97.
12:52Die Gerichtsverhandlungen waren eine sehr spektakuläre.
12:56Ein ostdeutscher Gerichtsmediziner tritt gegen einen westdeutschen Professoren auf.
13:03Gegen den bis dato hochgeschätzten Albert Ponsold.
13:07Der darf nur Zuschauer beim Wiederaufkommen.
13:09Archivaufnahmen.
13:1114 Jahre nach Hetzels Verurteilung wird nun mit Spannung das neue Urteil erwartet.
13:17Angespannt sitzt Hetzel auf der Anklagebank.
13:20Drei Richter treten ein.
13:22Die Richter verkünden eine Sensation.
13:26Die macht im Saal und im ganzen Land sofort die Runde.
13:30Hans Hetzel ist frei.
13:31Das Offenburger Landgericht gesteht damit einen der schwerwiegendsten Justizirrtümer der Bundesrepublik ein.
13:37Ein Reporter zu Hetzel.
13:39Werden Sie irgendwann einmal wieder Vertrauen zu deutschen Strafgerichten haben?
13:45Ja, natürlich.
13:47Unter der Voraussetzung, dass nicht mit solchen Mitteln gearbeitet wird.
13:51Vernehmungsmittel und so weiter.
13:53Vor einem Hotel.
13:55Hans Hetzel erhält 141.000 DM Haftentschädigung.
14:00Lachend schüttelt Hetzel seinem Anwalt die Hand und steigt in ein Auto.
14:04Sein Seitensprung bleibt dennoch folgenschwer.
14:08Magdalena Giert wird nur 25 Jahre alt.
14:11Sie ist in der Gefangenschaft.
14:13Sie ist in der Gefangenschaft.
14:15Sie ist in der Gefangenschaft.
14:17Sie ist in der Gefangenschaft.
14:19Sie ist in der Gefangenschaft.
14:20Magdalena Giert wird nur 25 Jahre alt.
14:22Er selbst verliert 16 Jahre seines Lebens in Haft.
14:26Seine Frau lässt sich scheiden.
14:28Nach seinem Freispruch heiratet er ein zweites Mal.
14:31Das Bild wird schwarz.
14:33Doch so richtig kommt er nie mehr im Leben an.
14:36Die Straße im Wald.
14:38Er leidet unter Depressionen und stirbt mit 52 an Krebs.
14:42Hetzels Wagen entfernt sich.
14:44In einem Brief bedankt er sich bei Otto Prokop.
14:47Hartwig.
14:49Letzten Endes hat er ihm sein Leben zurückgegeben.
14:51Es war erst das Gutachten Prokops,
14:54welches zu einem Freispruch von dem Vorwurf des Mordes führte.
14:59Filmausschnitte.
15:01Auch in der Charité-Serie verblüfft der Berliner Gerichtsmediziner
15:06mit seiner Art Spuren zu suchen und zu dotten.
15:09Im Hörsaal.
15:11Man muss sie lesen können.
15:13Ähnlich wie beim Fall Hetzel
15:14wird vom Verdacht einer Erdrosselung erzählt.
15:17Doch das Drehbuch folgt einem anderen echten Fall,
15:20den Prokop dokumentiert hat.
15:22Wieder ist die Mordtheorie eine Fehleinschätzung.
15:25Warum?
15:27Weil es weder einen Strang noch einen Täter gegeben hat.
15:29Zu einem Kommissar.
15:31Was wir haben? Ameisen.
15:33Ameisen?
15:35Durch die Bildung von Gasen wurde der Hals gebläht.
15:37Und so gegen den festsitzenden Kragen gepresst.
15:40Die Ameisen, die den Körper besuchten,
15:42konnten so unter den Kragen nicht mehr zurück.
15:45Und bildeten durch Fraß und Ameisensäure eine Spur,
15:49die man, fälschlicherweise, wir alle haben es getan,
15:53für eine Strangmarke halten konnte.
15:55Prokop zeigt auf den Hals der Leiche.
15:57Gedreht wurde übrigens nicht in Berlin.
15:59Prag an der Moldau.
16:01Sondern in Tschechiens Hauptstadt Prag.
16:04In einem historischen Gebäude der Karls-Universität.
16:08Philipp Hochmeier spielt die Rolle als Otto Prokop mit Bewunderung.
16:12Für einen Mann, der, wie er, aus Österreich kommt.
16:16Und unermüdlich nach der Wahrheit sucht.
16:18Philipp Hochmeier?
16:20Ein Pferdenleser. Ein hochspezialisierter Pferdenleser.
16:23Und ich glaube, das ist auch das Spannende an der Figur.
16:26Dass er eine sehr klare analytische Haltung
16:28diesen menschlichen Überresten gegenüber hatte.
16:30Und damit auch wirklich Fälle geklärt hat,
16:32die scheinbar ganz anders ausgegangen sind.
16:36Von Berlin aus macht sich Otto Prokop international einen Namen.
16:40Als Forscher und Mediziner, der um die Ecke denkt.
16:44Er hört den Toten zu, sagt man damals über ihn.
16:48Sein Institut in der DDR-Hauptstadt ist genau der richtige Ort dafür.
16:53Denn schon seit Ende des 19. Jahrhunderts ist es den Verstorbenen gewidmet.
16:58Als Leichenschauhaus der Charité.
17:01Schwarz-Weiß-Fotos.
17:03Eine Männergruppe sieht von einem Gang durch ein Fenster.
17:06Die großen Schaufenster erfüllen damals nur einen Zweck.
17:10Ein Mann mit Totenhemd auf einer Bahre.
17:13Die Leichen tatsächlich zur Schau zu stellen.
17:16Öffentlich.
17:18So finden die Berliner vermisste Personen wieder
17:21und helfen bei der Identifizierung.
17:23Ein Raum mit Obduktionstischen.
17:25Gleich nebenan ist der Sektionssaal.
17:27Otto Prokops späterer Arbeitsplatz.
17:30Ein größerer Saal.
17:32Diese Aufnahmen sind im medizinhistorischen Museum Hamburg entstanden.
17:36Weil es hier fast so aussieht, wie in Berlin zu Prokops Zeiten.
17:41Sein eigenes Leben beginnt 1921 in St. Pölten.
17:46Er ist Sohn eines Ärztes und das steckt an.
17:50Ab 1940 studiert er in Wien selbst Medizin.
17:54Prokop mit Arztkittel und Fliege.
17:56Die Fliege ist sein Markenzeichen.
17:59Auch privat trennt er sich nur selten davon.
18:02In einem Schwimmbad.
18:04Außer im Wasser.
18:06Seinem Lieblingsort.
18:07Otto Prokop ist begeisterter Schwimmer.
18:10Das Stadtbad Berlin Mitte in der Gärtenstraße ist ganz in der Nähe seines Instituts.
18:16Hier zieht er regelmäßig seine Bahnen.
18:19Eine Kurzhaarige blickt über das Schwimmbecken.
18:22Sabine Bergmann-Pohl erinnert sich gern an diese liebenswürdige Gewohnheit ihres Chefs.
18:28Sie war Praktikantin bei Otto Prokop.
18:31Sie trägt eine Brille.
18:32In der DDR hat sie sich einen Namen als Präsidentin der ersten frei gewählten Volkskammer gemacht.
18:381990.
18:40Archivaufnahmen.
18:42Sabine Bergmann-Pohl im Plenarsaal.
18:4425 Jahre zuvor beginnt sie mit einem Praktikum in der Gerichtsmedizin.
18:49So lernt sie Prokop kennen.
18:51Im Schwimmbad.
18:53Bergmann-Pohl, CDU-Politikerin.
18:55Otto Prokop ging jeden Morgen, wenn er in Berlin war, hier in dieses Schwimmbad.
18:59Das habe ich ja oft erlebt, dass er hin und wieder auch mal Studenten mitgenommen hat.
19:04Er hat sich wahrscheinlich auch gerne gemessen mit anderen und wollte zeigen, er war ja Jugendmeister in Österreich, wie fit er ja auch ist.
19:14Alte Fotos.
19:16Schwimmen macht den Kopf frei, sagt er.
19:18Im und auf dem Wasser macht er stets eine gute Figur.
19:21Doch hat er viel zu selten Zeit dafür, so ist das Schwimmbad für ihn eine Art Außenstelle des Instituts.
19:29Bergmann-Pohl im Hörsaal heute.
19:31Im Hörsaal hat auch die spätere Lungenfachärztin Sabine Bergmann-Pohl viel erlebt.
19:37In Vorbereitung auf ihr eigenes Medizinstudium macht sie hier ab 1964 ein Praktikum als Laborgehilfin.
19:45Zunächst einmal war für mich Prokop eine Respektsperson.
19:49Also schon sein Auftreten immer sehr adrett mit Fliege und so weiter.
19:55Und er war ja durch seine Ausstrahlung, durch sein Charisma und seine Intelligenz war er natürlich ein Mann, den man einfach bewundern musste.
20:08So ging es mir jedenfalls.
20:09Der leere Hörsaal.
20:11Otto Prokop verwandelt den Hörsaal gerne auch in einen Kinosaal.
20:16Hier zeigt er seine berühmt-berüchtigten Leerfilme.
20:19Manche sprechen allerdings auch von Horrorfilmen.
20:23Sie sehen Aufnahmen über die Leichenfeulnis.
20:27Und das Publikum, das sie sehen soll, soll nur ausgewählt sein.
20:33Diese Filme mussten natürlich sich auch immer Kriminalisten ansehen.
20:38Und dann hörten wir immer die Toilettentür klappen, weil wir im Labor gearbeitet haben.
20:45Und dann habe ich immer gesagt, ach Prokop zeigt wieder seinen Feulnisfilm, weil das haben viele nicht ausgehalten.
20:50In der Pathologie.
20:52Otto Prokop will damit aber nicht Angst und Schrecken verbreiten, sondern das Gegenteil erreichen.
20:57Denn er weiß genau, dass manche Studenten lieber umkehren würden auf dem Weg in den Sektionssaal.
21:05Aber hier bestimmt eben der Tod das Leben.
21:08Eine Spielszene.
21:10Und die Suche nach seiner Ursache.
21:13Ein Verhörraum.
21:15Auch im Fall Rudolf Burkerts.
21:17Der Mann aus Bremen kommt 1983 in einem Verhörraum der DDR-Grenzorgane ums Leben.
21:23Ein Fernsehmitschnitt.
21:24Hier ist das Deutsche Fernsehen mit der Tagesschau.
21:28Ein tödlicher Zwischenfall, der noch weitgehend ungeklärt ist, hat sich vor einer Woche am Grenzübergang Drewitz ereignet.
21:35Auf der Fahrt nach Berlin ist der 46-jährige Rudolf Burkert aus Asendorf bei Bremen während einer Vernehmung durch DDR-Grenzbeamte ums Leben gekommen.
21:44Burkert ist damals durch die DDR Richtung Westberlin unterwegs.
21:49Dort möchte sich der Amateurboxer mit einem Freund einen Boxkampf anschauen.
21:54Vorher trifft er sich auf einem Parkplatz mit seinem Cousin aus der DDR.
22:00Doch die Stasi überwacht regelmäßig die Rastplätze entlang der Transitstrecke.
22:09Burkert wird beim Treffen beobachtet, wie er Westgeld und Westwaren an seinen Cousin übergibt.
22:16Aus DDR-Sicht ist das verboten.
22:19Kurz nach der Weiterfahrt wird er in Drewitz zur Vernehmung gebeten.
22:24Eine Kontrolle.
22:26Rund eine Stunde später ist er tot.
22:29Eine Spielszene.
22:31Mit auffälligen Verletzungen im Gesicht.
22:34Was ist im Verhörraum passiert?
22:37Der Tote hat Wunden an Braue und Schläfe.
22:40Die Frage führt nach Halle in Sachsen-Anhalt, zu dem Mann, der Burkert obduziert hat.
22:46Er ist hier am Institut für Rechtsmedizin bis 2010 Direktor und hat hier heute noch ein Büro.
22:53Manfred Kleiber, übrigens ein Student und Prüfling Otto Prokops.
22:59Kleiber mit weißen Locken.
23:01Um ein Haar wäre ich bei ihm durchgefallen.
23:04Er hat eine, wie ich heute meine, wie wir damals schon alle, die das mitgehört hatten,
23:09eine sehr hinterhältige Frage, die aber sehr witzig war und so gestellt.
23:14Und da bin ich völlig durcheinander gekommen.
23:16Ich musste eine schriftliche Arbeit abliefern und musste das nachträglich machen.
23:22Dann habe ich meine Facharztprüfung bestanden.
23:25Doch in der DDR hält es ihn nicht lange.
23:28Er soll in die SED eintreten und für die Stasi arbeiten, wenn er promovieren will.
23:33So entscheidet er sich 1974 zur Flucht in den Westen im Alter von 34.
23:40Eine leere Leichenkühlzelle.
23:42Das gelingt und er findet in Hamburg Arbeit in der Rechtsmedizin.
23:47Neun Jahre nach seiner Flucht aus der DDR landet nun ausgerechnet der westdeutsche Transitreisende auf seinem Sektionstisch,
23:56der in der DDR gestorben ist, Rudolf Burkert.
24:00Eine Spielszene.
24:01Eine Spielszene.
24:04Der wird laut Vernehmungsprotokoll 1983 in den besagten Verhörraum am ostdeutschen Grenzzollamt Drewitz gebracht.
24:14Im Verhörraum. Ein Zollbeamter sitzt Burkert gegenüber an einem Schreibtisch.
24:19Die Vernehmung soll angeblich ruhig und sachlich verlaufen sein.
24:23Ein zweiter Inzivil lehnt an der Wand.
24:26Name?
24:28Burkert.
24:29Burkert wird von zwei Beamten vernommen.
24:32Vorname?
24:34Rudolf mit F.
24:36Burkert hat dunkles Haar.
24:38Der BRD-Bürger habe bei der Vernehmung alle Fragen beantwortet.
24:43Sachdienlich heißt es im Protokoll.
24:48Mit meinem Versagen, ja, das wissen Sie ja bereits.
24:51Ja, aber Sie dürfen ja keinen Kontakt aufnehmen zur DDR-Bürgerin.
24:54Dass sich Rudolf Burkert dennoch innerlich aufgeregt haben könnte, ist aus medizinischer Sicht sehr wahrscheinlich.
25:01Die Verhörsituation, die psychische Angst, die man dabei hat, auch wenn man Amateurboxer ist und sicherlich einiges gewöhnt ist an Einstecken usw.,
25:12in dieser Situation da festgehalten zu werden, führt zu Alarmhormonen im Körper, führt zur Blutdruckerhöhung.
25:21Hier stellen wir die Frage und nicht Sie.
25:24Für das, was nun passiert, hat es laut Protokoll aber keine Vorzeichen gegeben.
25:30Burkert verkrampft und sackt vom Stuhl. Dabei schlägt er mit dem Kopf gegen einen Heizkörper. Die Beamten eilen zu ihm.
25:38Nach dem angeblichen Sturz hätten die Beamten Burkert in eine stabile Seitenlage gebracht.
25:44Herr Burkert! Herr Burkert!
25:47Er habe auf nichts mehr reagiert.
25:49Eine Kopie von Burkerts Totenschein.
25:52Eine Notärztin wird gerufen. Sie bescheinigt wenig später den Tod Rudolf Burkerts und die Ursache für sein plötzliches Ableben.
26:02Herzversagen.
26:05Die aktuelle Kamera.
26:07Der Leichnam ist am 13. April in die BRD überführt worden.
26:11Dort fallen dem Obduzenten Manfred Kleiber sofort die Gesichtsverletzungen auf.
26:16Blessuren am linken Augenlid und links neben dem Auge mit Blutspuren.
26:23Ein Schwarz-Weiß-Foto. Kleiber.
26:26Und dann kam einem noch die zweite Verletzung am Lippenbändchen, eine Mundverletzung.
26:31Sowas sieht der erfahrene Gerichtsmediziner häufig, wenn er Opfer von Prügeleien untersucht.
26:38Im seitenlangen Sektionsprotokoll werden alle Verletzungen aufgeführt.
26:43Der Tod ist aber nicht dadurch, sondern tatsächlich durch Herzversagen eingetreten.
26:49Unterschrift Oberarzt Manfred Kleiber.
26:53Die Veröffentlichung der Obduktionsergebnisse ist aber Chefsache.
26:59Das übernehmen Kleibers Boss aus Hamburg für die Bundesrepublik und Otto Prokop aus Berlin für die DDR.
27:06Beide kennen sich gut und sind befreundet.
27:08Davon erhofft man sich, dass die deutsch-deutsche Meinungsbildung zu den Verletzungen des Transitreisenden keine Probleme macht.
27:16Jedenfalls nicht aus gerichtsmedizinischer Sicht.
27:20Der Museumssektionssaal. Prokop im Interview.
27:23Das Verhör.
27:25Doch noch bevor die Gerichtsmediziner das Wort ergreifen,
27:29ist die Theorie vom Mord an Rudolf Burkert längst in der westdeutschen Gerüchteküche angekommen.
27:35Die Beamten und Burkert gestikulieren wild.
27:38Der Uniformierte.
27:40Der Uniformierte.
27:42Der Uniformierte.
27:44Der Uniformierte.
27:46Der Uniformierte.
27:47Die Beamten und Burkert gestikulieren wild.
27:50Der Uniformierte schlägt Burkert nieder.
27:55So könnte es gewesen sein, spekuliert man in der Bundesrepublik.
28:00Beim Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen ist Daniela Münkel Historikerin.
28:07Sie hat sich ausführlich mit dem Fall Burkert beschäftigt.
28:11Die Bild-Zeitung titelte Besucher von DDR-Grenzern erschlagen.
28:17Und Helmut Kohl sagte kurzfristig einen anberaumten Besuch des ZK-Sekretärs für Wirtschaftsfragen Günter Mittag ab.
28:27Und beschwerte sich persönlich bei Erich Honecker über den Vorfall.
28:32Bayerns damaliger Ministerpräsident Strauß geht noch mehr in die Offensive und fordert Konsequenzen.
28:38Zur Presse.
28:40Dass die Bundesregierung im Zusammenhang mit diesem Mordfall, anders kann man ihn nicht nennen, sehr entschieden und deutlich auftreten muss.
28:49DDR-Staatschef Honecker reagiert auf den Mordvorwurf mit der Absage seines Besuchs in der Bundesrepublik bei Kanzler Kohl.
28:57Ein Zeitungsausschnitt. Münkel?
29:00Im Osten legte man natürlich darauf hin oder betonte, dass es ein natürlicher Tod war.
29:04Und hier sieht man auch wieder die Systemauseinandersetzung, die sich eben auch in solchen tragischen Fällen immer wieder niederschlägt.
29:12Die Gerichtsmedizin der Charité soll die Lage beruhigen. Otto Prokop handelt wie immer rein wissenschaftlich.
29:22Wie im Fall Hetze soll ein Experiment helfen, diesmal im Verhörraum.
29:28Das Bild wird schwarz. Plastinierte Leichen mit Muskeln und Sehnen in einem Ausstellungsraum.
29:34Ein Mann betrachtet eine Leiche mit einer Taschenlampe.
29:37Mark Benecke hat sich intensiv mit Prokops Vorgehensweise beschäftigt.
29:42Die zentrale Frage lautet, wie hat ein Mensch sein Leben verloren?
29:46Die Grundlage dafür ist Wissen, das bietet das Plastinarium Guben.
29:51Hier entstehen die Ausstellungen Körperwelten.
29:53Benecke ist tätowiert und trägt eine Brille.
29:56Der Biologe aus Köln ist hier oft mit Schülern und Studierenden unterwegs und berichtet gern von Prokops Untersuchungsmethoden.
30:04Die Besonderheit an Prokop war, dass er Experimente gemacht hat. Das heißt, das neue Beweismittel entsteht durch das Experiment.
30:12Ich greife in die Wirklichkeit ein und anstatt zu schwafeln, zu plaudern, zu schwatzen, zu denken, zu meinen, zu glauben, zu hoffen, mach ich was.
30:21Das ist das Besondere im naturwissenschaftlich-kriminalistischen Teil. Ich mache ein Experiment, ich tupfe ins Wasser und gucke mal, was für Ringe da entstehen.
30:30Über den Dächern des Plastinariums erinnert sich Mark Benecke an seine ersten Begegnungen mit Prokop.
30:37Er lernt ihn in dessen späten Lebensjahren kennen, auf medizinischen Kongressen.
30:43Ein Foto mit den beiden.
30:45Und ist fasziniert von ihm. So sehr, dass er zwei Bücher über ihn schreibt, mit zahlreichen Anekdoten aus dem Leben des Gerichtsmediziners.
30:54Dazu gehören auch die seelischen Tiefpunkte eines Menschen, die Prokop zum Thema der Wissenschaft macht.
31:01Zum Beispiel die Selbsttötung.
31:04Da hat er die Waffe benutzt, um zu zeigen, wenn man vorne in den Kopf reinschießt, dann kann das komplett überlebt werden.
31:10Während wenn der Schuss hier reingeht, dann geht gar nichts mehr.
31:14Dann ist die Steuerzentrale wirklich ausgeschaltet und dann bricht alles zusammen.
31:17Das hat ihn natürlich als Experimentator unheimlich interessiert.
31:21Was sind die Schalter, die wichtig sind? Was sind die Schalter, die nicht wichtig sind?
31:25Und welche Verbindungen führen von welchem Schalter zu welchem Schalter und bilden sozusagen welchen Lebenskreis, Stromkreis, Todeskreis?
31:32So verfährt Prokop auch im Fall Burkhardt. Mit Kollegen aus Bremen rekonstruiert er im Verhörraum die Angaben aus dem Vernehmungsprotokoll.
31:43Ein Experiment mit einem Statisten. Der simuliert den Sturz vom Stuhl auf die Tischplatte und auf die Ventile des Heizkörpers.
31:53Ergebnis, genau so sind die Verletzungen entstanden.
31:57Die von der Springerpresse verbreiteten Tartarenmeldungen sind von A bis Z erlogen.
32:02Ein Journalist mit Prokop.
32:05Die aktuelle Kamera schiebt sogar ein Exklusivinterview nach, mit Otto Prokop persönlich.
32:11Er räumt auf Nachfrage jeglichen Verdacht Rabiaterverhörmethoden aus.
32:17Bei Schlägen würde man sofort suchen nach Gegenwertzeichen. Hat er sich gewehrt oder wie?
32:23Dann hat er irgendwo Unterblutungen, die wir bei der Sektion und jedes gute Institut bei der Obduktion sofort überprüft und hier war nichts dergleichen.
32:32Verwirrsspiel um den Toten von Drehwitz. Unter dieser Schlagzeile druckt der Stern die Sicht des Bremer Gerichtsmediziners.
32:41Der schließt sich Otto Prokop an. Burkert sei eines natürlichen Todes gestorben.
32:47Ein Schwarz-Weiß-Foto von Prokop im mittleren Alter. Er lächelt.
32:52Otto Prokop mag solche politischen Verwicklungen nicht, aber er kommt in der DDR nicht daran vorbei.
32:58Ein Filmausschnitt aus Charité. Polizisten mit Stacheldrahtrollen.
33:03Die dritte Staffel Charité macht sein Problem deutlich.
33:07Sie spielt im Jahr des Mauerbaus 1961, vier Jahre nach Prokops Berufung, in die DDR-Hauptstadt.
33:15Auf dem Charité-Gelände wird der Stacheldraht gespannt.
33:18Weil er die Staatsbürgerschaft der DDR und Österreichs hat, kann er zwar weiter zwischen den Systemen wechseln.
33:25Heute Abend gibt es Schnitzel in Wien, versprochen.
33:28Aber seine Familie und er sind nun mittendrin, im Kalten Krieg.
33:33Ein BMW- und Porsche-Chauffeur unter vielen Wartburg- und Trabant-Fahrern.
33:38Die Ärzte zwischen ihren Autos.
33:41Dieses Foto vom Parkplatz seines Instituts kann symbolträchtiger nicht sein, für Prokops Leben in zwei Welten.
33:48Ein Foto zeigt Prokop mit seinem Porsche.
33:51Deshalb wird er auch von der Stasi überwacht, was ihm nicht verborgen bleibt.
33:56Dann hat er natürlich sehr oft sich zurückgezogen auf die naturwissenschaftliche Wahrheit und damit gezeigt, dass die auch da ist.
34:05Also die Wahrheit ist einfach da, unabhängig von der politischen, sozialen und kulturellen Auswertung.
34:10Und gleichzeitig hat er natürlich aus unserer Sicht kooperiert.
34:17Im Dienste der Wissenschaft.
34:20Dafür hat er zum Beispiel fehlende Labormittel auch manchmal im Westen besorgt.
34:25Besonders am Herzen liegen ihm damals seine weltweit anerkannte Blutgruppenforschung und die Treffsicherheit von Vaterschaftstests.
34:34Eine Vorlesung.
34:36Wir haben zwei Männer zur Auswahl, die also jetzt statistisch konkurrieren.
34:40Wir sagen, der ist wahrscheinlicher und der hier ist nicht so wahrscheinlich.
34:45Aber wie groß ist der Unterschied jetzt zwischen diesen beiden?
34:48Otto Prokop wird vielfach ausgezeichnet, ist Ehrenmitglied nationaler und internationaler Forschungsstätten.
34:56Anerkennung ist ihm wichtig.
35:00Das hat mit seiner akademischen Familie zu tun.
35:04Es ist eine Art Wettstreit, zum Beispiel mit seinem Bruder Ludwig, ein Sportmediziner.
35:10Die Orden sind für die Prokops Segen und Fluch zugleich.
35:13Wenn man Orden bekommt, wenn man belobigt wird, was kommt heraus? Neid, Missgunst, Eifersucht, Hass.
35:24Ich habe das auch irgendwie mitgekriegt.
35:27Du hast es auch mitgekriegt, natürlich, ist ganz klar.
35:29Das Institutsgelände heute.
35:31Das Familienleben Otto Prokops ist nicht einfach. Es spielt sich überwiegend dort ab, wo er arbeitet.
35:39Im linken Flügel des Instituts sind die Privaträume untergebracht, im Erdgeschoss.
35:46Hier brennt oft lange Licht.
35:49Bis tief in die Nacht zu arbeiten, ist für Otto Prokop normal, auch für seine Frau und seine Tochter.
35:59Die dritte Staffel der Charité zeigt den Alltag in der Institutswohnung.
36:04Selbst hier werden Mord und Totschlag diskutiert.
36:08Vergewaltigt, erschlagen und in einem Waldstück abgelegt.
36:11Otto Prokop ist immer im Dienst.
36:15Er lebt in der Charité, er lebt an seinem Arbeitsplatz, seine Kinder werden innerhalb dieser Leichenschauerräume erzogen.
36:22Sein zweites Kind wird 1961 geboren, im Jahr des Mauerbaus.
36:28Während deshalb der Charité das Personal ausgeht, ist ein neuer Erdenbürger unterwegs.
36:33Ein Ausschnitt.
36:38Das Mädchen wird dann doch ein kluger Kerl, wie sein Vater Arzt.
36:43Und der kehrt nach Jahrzehnten erstmals wieder an den Ort seiner Kindheit zurück.
36:51Eberhard Prokop, Chirurg aus Schleswig-Holstein.
36:56An der Schwelle zur Vergangenheit.
37:03Er trägt ein dunkles Hemd zu einer schwarzen Hose und eine Brille.
37:08Ein bewegender Moment für ihn, hier im Alten Hörsaal in Berlin.
37:14Gedankenvoll schaut er nach vorn, nickt leicht und lächelt.
37:18Das war eines der begehrtesten Verstecke hier.
37:22Es war nicht immer offen, aber gelegentlich zugänglich.
37:26Wir wussten auch, wo die Schlüssel versteckt waren, hatten einen guten Draht zu unseren Hausmeistern.
37:30In der Sektionssaal war tabu. Alles andere stand uns praktisch jederzeit offen.
37:35Familienfotos.
37:37Seine Schwester Uta ist fast sechs Jahre älter. Beide verbringen viel Zeit mit ihrer Mutter.
37:43Wilhelmine Prokop schmeißt den Laden und hält die Familie zusammen.
37:48Der Sohn auf Prokops Schoß.
37:50Aufnahmen von Vater und Sohn sind selten, obwohl sich beide sehr nahe stehen.
37:56Eberhard Prokop.
37:57Es war definitiv eine enge Verbundenheit, aber tatsächlich sind die Momente sehr limitiert gewesen und praktisch wurde jeder festgehalten.
38:10Also alle Bilder, die existieren, dokumentieren das, was passiert ist und darüber hinaus war nicht sonderlich viel.
38:19Eine bewaldete Gegend. Schwarz-Weiß-Fotos.
38:22In Teuplitz bei Berlin hat die Familie ein Wochenendhaus.
38:25Weil Otto Prokop Schwimmen und Bootfahren liebt, ist es ein Wassergrundstück.
38:31Hier lassen die Kinder die Seele baumeln. Und es gibt ein Ritual.
38:36Die Zeit mit dem Ehemann und Vater wird akribisch geplant und organisiert.
38:41Die Kinder vor einem Schachbrett. Eberhard Prokop?
38:45Meine Mutter fuhr mit uns, also mit meiner Schwester und mir, immer am Freitag oder am Samstag in dieses Haus,
38:50haben alles vorbereitet und dann wurde alles zelebriert, wenn mein Vater kam, für zwei Stunden, für drei Stunden.
38:57Dann merkte man aber auch schon immer sehr schnell, wann er nervös wurde, wieder ans Labor wollte oder wieder in sein Büro wollte.
39:06Und ja, dann war der Spuk auch schon vorbei. Dann drängte es ihn wieder ans Institut.
39:11Archivaufnahmen. Eine Menschenschlange. Oder zu einer seiner beliebten Vorlesungen.
39:16An vielen Sonntagen bietet die Humboldt-Universität in der Straße unter den Linden eine gut besuchte Veranstaltungsreihe.
39:24Ein vollbesetzter Hörsaal.
39:27Die Menschen kommen in Scharen. Sie möchten unbedingt dabei sein, wenn der berühmte Gerichtsmediziner aus seinem Fachgebiet erzählt.
39:36Über Verbrechen und Verbrecher und die Liebe.
39:40Es gilt doch die Regel, wenn das Herz klopft, steht der Verstand still. Das ist ganz klar.
39:46Das gilt nicht allein in der Liebe, da ist es selbstverständlich, das wissen wir alle, sondern das gilt auch bei jeder Straftat.
39:55Auch mit seinen Sonntagsvorlesungen prägt Otto Prokop wie kaum ein anderer die deutsche Gerichtsmedizin.
40:02Die Charité heute.
40:05Heute heißt sie Rechtsmedizin. Sie hat sich örtlich etwas von der Charité entfernt, mit Sitz in Berlin-Moabit.
40:13Ein moderner, fensterloser Anbau.
40:16Hier treffen wir auch Sven Hartwig wieder. Er zeigt uns ein kleines Lehr- oder besser Gruselkabinett mit Hinterlassenschaften aus der Zeit Otto Prokops.
40:26In einer Vitrine sind Fotos und Körperteile ausgestellt.
40:30Zu seinem Team gehört eine Kollegin, die Prokop verehrt.
40:35Carmen Hoffmann. Sie ist medizinisch-technische Assistentin an der Charité seit Jahrzehnten.
40:42Otto Prokop war ihr Chef, mit dem sie viele Stunden im Labor verbracht hat.
40:47Er hat sich von allem selbst überzeugt, deswegen wusste er ihm auch immer Bescheid, was läuft.
40:52Er kam ins Labor, hatte eine tolle Idee, dann hat er gesagt, dann machen wir dies und das.
41:00Er hat es gemacht, hat zwei Tage das Labor verwüstet, was auch in Ordnung war.
41:07Aber danach hat er gesagt, es lohnt sich oder es lohnt sich nicht, diese Forschung zu betreiben.
41:12Otto Prokop geht 1987 in Rente.
41:16Aber Rentner haben niemals Zeit. Für ihn ändert sich wenig, für seine Kollegen die ganze Welt.
41:24Ich denke, da waren alle traurig. Diese Persönlichkeit, das war was ganz Besonderes.
41:33Die Person, die das Institut geleitet hat, die war dann eben nicht mehr. Das war schon traurig.
41:40Das Institut von oben.
41:43Die Prokops wohnen zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Institut, sondern am Alexanderplatz.
41:49Aber ein Büro in der Hannoverschen Straße behält er. Jeden Tag schreibt er an Büchern und Vorträgen, bleibt international gefragt.
42:01Sein Porträt hat sogar einen Ehrenplatz in der Charité, als Gemälde im Büro seines mittlerweile dritten Nachfolgers.
42:08Ein Mittfünfziger am Computer.
42:11Michael Zokos, der aktuelle Chef der Rechtsmedizin, lernt Prokop erst und einmalig kurz vor dessen Tod kennen.
42:19Er hat graues, welliges Haar.
42:22Dieses Treffen bedeutet ihm viel.
42:25Das war für mich was ganz Besonderes, mit dem Altmeister zu sprechen.
42:32Wir haben uns unterhalten und irgendwann kam seine Frau dazu.
42:37Und da gab es die wirklich kuriose Situation, seine Frau wusste nicht, wer ich bin, wusste auch nicht, über was wir uns unterhalten.
42:45Und sagte dann zu mir, junger Mann, eins kann ich Ihnen raten, werden Sie niemals Rechtsmediziner.
42:50Wilhelmine Prokop steht ihrem Mann immer zur Seite, übersetzt zum Beispiel seine Bücher.
42:56Aber Spontanität im Privaten ist die Ausnahme.
43:00So erklärt sich vielleicht ihr Ratschlag an den Nachfolger ihres Mannes.
43:04Denn die Ehe folgt einem strengen Terminplan, der auch noch oft durchkreuzt wird.
43:10Unsere Klientel hält sich ja nicht an irgendwelche Öffnungszeiten, sondern man muss auch nachts raus.
43:16Es gibt am Wochenende Tatorte, Sofortobduktionen, es gibt viele Kongresse, Kongressreisen, internationale Besuche.
43:22Und ich denke, dass sie das gemeint hat im Hinblick auf die Familie, Rücksichtnahme auf die Familie, auf die Frau,
43:30dass man eben kaum zu Hause ist und nur selten präsent ist. Ich denke, das war so die Intention dieser Bemerkung.
43:35Das Institut aus der Luft. Otto Prokop stirbt 2009.
43:41Er wird direkt hinter seinem Institut beigesetzt, auf dem dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin.
43:47Sein Sohn hat dafür gesorgt, dass die Grabstätte eben genau dort ist, wo Prokop auf die großen Momente seines Lebens schaut.
43:56Auf die Jahre als Chef der Gerichtsmedizin und auf die kostbare Zeit mit seiner Familie.
44:03Prokops Grabstein. Eberhard Prokop im Hörsaal.
44:07Man hat sehr wohl gemerkt, dass er sich diese Zeit, sagen wir mal, abgerungen hat, vom Herzen abgerungen hat.
44:14Und war einer der gütigsten Menschen, die ich kennengelernt habe.
44:21Das war Kripo Live. Tätern auf der Spur. Der Tod war sein Leben. DDR-Gerichtsmediziner Otto Prokop.
44:28Eine Produktion des MDR 2020. Hörfilmfassung Synchron- und Tonstudio Leipzig im Auftrag des MDR 2020.
44:34Text Linda Wolf, Anke Nicolai, Sprecherin Gabriela Reichelt.