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Ballett ist ihre Leidenschaft. Doch in Peru können sich nur wenige Tanzkurse leisten. Maria del Carmen Silva gibt Kindern kostenlosen Unterricht.

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Transkript
00:00Ballett ist ihre Leidenschaft.
00:10Den Traum zu leben in ihrer Heimat Peru eigentlich undenkbar,
00:14denn ihre Familien sind zu arm.
00:17Maricarmen macht es mit ihrer Stiftung und ihrer Hingabe möglich.
00:24Ein Auftritt im Staatstheater in Lima steht bevor.
00:28Doch kurz vor dem Auftritt läuft noch nicht alles rund.
00:50Nur langsam erwacht der Tag im Südosten von Lima.
00:54Um 6 Uhr früh, der Kopf von Laira Marcas ist schwer.
00:58Bis tief in die Nacht hat sie zusammen mit ihrem Vater
01:01an den Hausaufgaben gebastelt.
01:03Denn sehr spät ist sie vom Ballett nach Hause gekommen.
01:06Und im Ballett sind ihre Gedanken auch jetzt.
01:10Ballett ist immer präsent.
01:12Wie wird das Training heute Abend?
01:14Wie wird der Aufschritt?
01:16Wie war die Choreografie noch mal?
01:18So was.
01:21Die Schuhe gespendet.
01:24Verschlissen.
01:26Geliebt.
01:29Ich hebe sie gerne auf.
01:31Es sind schöne Erinnerungen, an denen ein oder anderen auftritt.
01:36Ballett ist hier eher exotisch.
01:39Lairas Eltern arbeiten viel, doch verdienen wenig,
01:42wie die meisten im Viertel.
01:44Weil die Stadt sich wenig um die Menschen hier schert,
01:47haben sich kriminelle Banden angesiedelt.
01:50Es ist kein sicheres Pflaster.
01:52Man muss sich auskennen.
01:54Es gibt nette Leute und nicht so nette.
01:57Konflikten sollte man aus dem Weg gehen.
02:00Denn sonst kann Schlimmes passieren.
02:03Für Mari Carmen ist dieses Theater ein Ort voller Geschichte.
02:09Erinnerungen an Auftritte,
02:12die die leidenschaftliche Ballettlehrerin organisiert.
02:19Die Bühne hat so eine Magie.
02:22Wenn du den Boden betrittst, verliebst du dich.
02:25Es ergreift dich ein Glücksgefühl, das dich verzaubert.
02:30Leicht soll aussehen, was schwer ist.
02:33Das ist Ballett, so ist Mari Carmen.
02:36Ihre Lebensgeschichte voller Brüche.
02:39Ihre Familie verlässt Deutschland vor dem Zweiten Weltkrieg,
02:43fängt bei Null an.
02:45Ein Schicksalsschlag stürzt Mari Carmen von Wohlstand in Armut.
02:53Das Theater, wofür die 60-Jährige alles begann, abgebrannt.
02:57Doch Ballett ist geblieben.
02:59Ist das, was für alle Herausforderungen im Leben stark macht.
03:07Du kannst nicht auf der Bühne explodieren und sagen,
03:11ich kann nicht mehr, das geht nicht.
03:14Was hier passiert, ist aber auch so schön,
03:17dass du die Schmerzen vergisst.
03:22Und Mari Carmen läuft der Zeit meistens hinterher.
03:28Ihre Schülerinnen warten bereits.
03:34Vom kargen Osten in den schicken Westen Limas.
03:38Niemals hätte sich leider Ballettunterricht leisten können,
03:42wenn er bei Mari Carmen nicht kostenlos wäre.
03:45Und es wollte sie auch niemand.
03:51Man hat ihr im Prinzip gesagt, dass sie quasi Modo ist.
03:55Weil der Rücken, weil die Beine,
03:57ich kann gar nicht sagen, was alles war.
04:00Ich habe gesagt, es liegt an dir, du musst dich anstrengen,
04:04dann kommst du voran.
04:06Und heute ist Lyra ein anderer Mensch.
04:10Es war nicht der Plan.
04:12Irgendwie ist Mari Carmen da reingerutscht.
04:15Erst konnte sie, dann wollte sie niemanden abweisen.
04:18Ballett soll für alle sein.
04:20Denn es bringe allen etwas.
04:22Körpergefühl, Teamgeist, Disziplin, Leidenschaft.
04:25In Lucia brennt Willenskraft und Lebensfreude.
04:28Und wenn ihre Mutter Hilda eines will,
04:31dann, dass ihre Tochter das alles leben darf.
04:34Dass sie dazugehört. Und das tut sie.
04:40Was fühlst du, wenn ihr zusammen seid?
04:43Freude.
04:47Jeden Tag der Woche trainieren sie.
04:49Und die meisten können nicht zahlen.
04:51Ohne Spenden wäre der Unterricht unmöglich.
04:54Nur noch 3 Tage bis zum Auftritt im Nationaltheater mit Orchester.
05:04Gelder auftreiben, Wettkämpfe und Auftritte organisieren.
05:08Seit 14 Jahren ist Mari Carmen für ihre Tänzerinnen und Tänzer
05:12im Dauereinsatz.
05:18Ich spüre, ich habe nicht mehr viel Zeit.
05:21Mein Körper ist verbraucht.
05:23Ich werde nicht mehr so viel schaffen.
05:25Ich muss ihnen alles geben, was ich noch an Zeit habe.
05:28So gut wie möglich.
05:31Nicole Chavez gehört zu ihren ersten Schülerinnen.
05:34Ihre Familie wohnt in ärmsten Verhältnissen.
05:39Hier oben in den Hügeln von San Renato.
05:42Nach der Schule, dem Training, für jeden Einkauf
05:45müssen sie und ihre Schwester Kate Hunderte Treppenstufen steigen.
05:53Der Körper ist schon erschöpft.
05:55Und dann kommen noch all die Stufen.
05:57Aber wir machen das ja schon sehr lange.
06:00Und das hat sicher unsere Muskeln gestärkt.
06:05Fließend Wasser gibt es hier selten.
06:084 Zimmer aus Holz, Pressspan und Wellblech.
06:11Für mehr reicht das Einkommen der 5-köpfigen Familie nicht.
06:16Mutter Elcira Ruiz ist Näherin.
06:18Mari Carmen bringt ihr gespendete Kleidung,
06:21die sie an Nachbarn verkauft.
06:23Doch auch wenn das Geld knapp ist.
06:25Durch das Ballett waren ihre Kinder bei Auftritten in Miami,
06:29Barcelona, Orlando.
06:31Es verändert ihr Leben.
06:35Ich habe gelernt, nicht aufzugeben.
06:38Wenn etwas nicht gelingt, machst du weiter, bis es klappt.
06:56Mari Carmen ist auf dem Weg nach San Renato.
06:59Da es für so viele Kinder so schwer ist, zu ihr zu kommen,
07:03bringt sie den Ballett-Unterricht eben zu ihnen.
07:07Es geht nicht anders.
07:13Immer am Wochenende
07:15erhalten die Kinder in einem Jugendzentrum Unterricht.
07:19Kate und Nicole werden von Schülerin zur Lehrerin.
07:23Haltung, fester Blick,
07:25der Samen für die nächste Generation wird gesät.
07:28Absichtlich hier, wo Ballett sonst fern wäre.
07:34Schlag auf Schlag geht es weiter.
07:38Mari Carmen ist sehr aufgeregt wegen des Auftritts in 2 Tagen.
07:43Ich sagte dem Orchesterleiter, dass ich Angst habe,
07:46dass seine Erwartungen an die Mädchen zu hoch sind
07:49und dass es nicht das ist, was er will.
07:53Der Anruf kam von ihm.
07:55Javier Carbone hat peruanische Wurzeln
07:58und spielt zusammen mit Frederic Winterson
08:01in einem Orchester im fernen Deutschland in Mainz.
08:04Sie wollen Talente fördern.
08:06Sie wollen ein hochklassiges Konzert in Lima aufführen
08:09und haben dafür gecastet.
08:13Es ist ein so schöner Beruf und es gibt so viele Talente.
08:17Es wäre traurig, das zu verschwenden
08:19oder dass sie ihre Träume aufgeben.
08:21Ich glaube, wir können helfen.
08:24Die Kultur der klassischen Musik
08:26stecke noch in den Kinderschuhen in Peru, sagt Javier.
08:30Proben fast schon in einer Art Abstellraum.
08:42Eine Woche unterrichten Javier und Frederic
08:45Musikschüler und Studenten.
08:51Viele der Studenten quetschen den Unterricht zwischen Uni und Arbeit,
08:55nehmen dafür eine Anfahrt von 2 Stunden in Kauf.
08:59Javier hat bewusst Mari Carmen eingeladen,
09:02das Konzert mit Ballett zu begleiten,
09:04bietet ihren Tänzerinnen eine große Bühne.
09:11Sie arbeitet mit sehr geringen Mitteln
09:13und sie bringt ihren Schülerinnen nicht nur Ballett bei,
09:16sondern auch wichtige Werte.
09:23Es ist der Tag vor dem großen Konzert im Staatstheater
09:26mit 500 Gästen.
09:30Und noch stimmt nicht jede Figur und nicht jedes Timing.
09:37Hoffentlich geht morgen alles gut,
09:39ohne dass ich auf die Bühne muss, um zu helfen.
09:42Das macht mich nervös.
09:48Leider macht sich auf dem Weg nach Hause.
09:51Jeden Tag ist sie 1-2 Stunden unterwegs.
09:55Zunehmend werden die Straßen leerer, die Viertel rauer.
09:59Die letzten Meter nach Hause kriecht Unsicherheit ins Herz.
10:03Ja, auch heute stehen an der Ecke Gangmitglieder.
10:09Ich habe schon Angst.
10:11Du weißt nicht, wie sie dich anschauen, was sie dir sagen,
10:14wie sie reagieren werden.
10:16Es sind keine guten Leute.
10:20Es sei unsicher, ja.
10:22Aber sie können doch deshalb nicht ihre Lebensträume aufgeben.
10:28Und dann kommt der große Tag.
10:36Doch während sich die Musiker auf dem Weg ins Theater machen,
10:40haben Nicole, Kate und Leida noch anderes zu tun.
10:45Auf dem Wochenmarkt verkaufen sie gespendete Kleidung.
10:48Ein Kleidungsstück kostet etwa 1 Euro.
10:51Mit dem Geld finanzieren sie ihre Reisen und ihre Auftritte.
10:57Auf den letzten Drücker und mitten in der Rushhour
11:00geht es dann zum Staatstheater.
11:03Es darf jetzt kein Chaos geben.
11:09Geschafft. Der 1. Blick in den prachtvollen Saal.
11:16Die Schuhe sind fast alle gespendet.
11:18Solange sie taugen, werden sie angemalt,
11:20damit sie alle dieselbe Farbe haben.
11:25Die Gäste sind da.
11:28Die Geigen gestimmt.
11:31Das Herz schlägt zum Himmel.
11:34Und es geht los.
11:44Sie sollen eine Bühne für ihr Talent bekommen.
11:47Und sie zeigen es.
11:49Die Chance, sich zu präsentieren.
11:52Und sie nutzen sie.
12:01Sie werden gehört.
12:03Sie werden gesehen.
12:09Vielleicht sind sie arm an Geld,
12:11aber sie sind reich an Freude,
12:13Leidenschaft, an Können.
12:15Ein Reichtum, den sie ihren Gästen schenken.

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