Die lieben Mitmenschen (1972)E05-Um des lieben Friedens willen

  • vorgestern
Transcript
00:00Untertitel der Amara.org-Community
00:30Untertitel der Amara.org-Community
01:00Guten Morgen, Frau Richter.
01:09Guten Morgen, Frau Bärenburg.
01:17Hans! Hans!
01:38Was ist denn los?
01:40Wer ist das?
01:41Wer denn?
01:42Dieser Mensch dort.
01:43Na, der Hauptmann, das siehst du doch.
01:45Und wo wohnt er?
01:47Na, bei uns.
01:49Och, was soll das? Zu Nacht schlafender Zeit. Entschuldige mich bitte.
01:54Du wirst mir jetzt antworten, Hans.
02:01Ich habe es nachts um drei im Rechenzentrum gehört.
02:04Ich bitte das zu respektieren, verehrte Tante.
02:08Erst möchte ich wissen, wie dieser Offizier in meine Wohnung kommt.
02:12Ich warte.
02:20Also gut, was willst du wissen, Hans?
02:23Wie kommt dieser Offizier in meine Wohnung?
02:26Du meinst den Genossenhauptmann?
02:29Wen denn sonst? Wie kommt der hier rein?
02:33Entschuldige, aber ich verstehe dich nicht. Du kennst ihn doch.
02:37Natürlich. Das heißt natürlich nein. Ich meine, so kenne ich ihn nicht.
02:42Mal ganz ruhig. Du weintest gestern bei deiner Freundin Tegla zum Kaffeekränzchen.
02:47Da hast du mich angerufen und gefragt, ob mir ein Herr Hauptmann als Untermieter recht wäre.
02:52So ist es. Dann lass mich jetzt schlafen.
02:56Ich dachte, er heißt Hauptmann.
02:58Er heißt Hauptmann und er ist Hauptmann. Was stört dich daran?
03:03Aber du hast gesagt, er sei Journalist.
03:07Ja. Er arbeitet bei einem Verlag von der NVA.
03:11Nationale Volksarmee. Habe ich dir auch gesagt.
03:15Ach, zum Teufel mit euren Abkürzungen.
03:21Gestern Abend fandest du ihn ganz sympathisch.
03:23Da war er in Zivil.
03:26Er hatte noch Urlaub. Heute ist sein erster Arbeitstag.
03:32Hör mal, was passt dir eigentlich nicht?
03:35Seit wann hast du was gegen die Armee? Kannst du es nicht erklären oder willst du nicht?
03:41Sag mal, rasierst du dich öfter im Bett?
03:45Manchmal. Warum? Soll ich nicht?
03:49Ob dieser Hauptmann das auch macht?
03:53Schon möglich, aber ...
03:56Ich finde, das wäre ein Grund, ihn ordnungsgemäß zu kündigen.
04:00Tantin, ob du es glaubst oder nicht, die Volksarmee ist auch zu deinem Schutz da.
04:04Ich fühle mich nicht bedroht.
04:06Auf Gefühle verlässt man sich in so einer Sache lieber nicht.
04:09Ich bin eine alte Frau.
04:12Habe nichts für und nichts gegen euer Militär.
04:17Und was hast du dann gegen den Hauptmann?
04:20Was passt dir nicht?
04:26Dass er Hauptmann ist.
04:29Willst du lieber einen General oder den Verteidigungsminister?
04:34Er hat im Voraus bezahlt. Ich habe er quittiert.
04:38Nein, ich kann ihn nicht ohne weiteres raussetzen. Da kriege ich Ärger.
04:43Ja, der lässt bei dir einmarschieren.
04:49Kündigung ist ausgeschlossen.
04:52Na gut, nicht zu Ende.
04:56Aber dann muss er für die nächsten Tage unsichtbar bleiben.
05:00Er darf nicht zu sehen sein.
05:02Schon gar nicht in Uniform.
05:04Natürlich. Er wird sich einnebeln lassen.
05:07Wie im Manöver.
05:10Bloß wird er wissen wollen, warum.
05:12Und ich auch.
05:14Liliane kommt.
05:15Liliane? Wer ist das?
05:16Frau Neurath, meine Freundin aus Frankfurt am Main.
05:19Habt ihr doch davon erzählt.
05:21Frau Neurath aus Frankfurt am Main?
05:24Ach, und deswegen soll der Hauptmann?
05:31Vielleicht beurlauben wir gleich die ganze Volksarmee.
05:34Und wer denn das?
05:38Für mich ist das gar nicht lustig.
05:40Die beiden dürfen sich nicht begegnen.
05:44Und warum nicht, bitteschön?
05:48Weil du wirst mir dabei helfen.
05:52Ich soll wohl lachen.
05:54Du bist ja an diese Affäre schon verwickelt.
05:57Wieso?
06:00Schmeckt der Kaffee?
06:04Ja. Warum?
06:07Rate mal, woher der stammt.
06:12Wenn ich meinen ganzen Scharfsinn zusammennehme.
06:15Ein Paket aus Frankfurt.
06:16Na, siehst du?
06:19Einen anderthalb Zentner schweren Hauptmann.
06:22Gegen ein paar Fäckchen Kaffee.
06:25Ist das nicht ein bisschen billig?
06:28Willst du damit sagen, dass ich käuflich bin?
06:31Ich werde dir mal was zeigen.
06:47Hm.
07:07So, komm mal her.
07:10Hier, zieh dir das mal an.
07:13Hier, zu meinem 15. Geburtstag.
07:17Ja, das ist sie, die Kleine.
07:20Sie ist jünger als ich.
07:22Und hier, das war zu ihrer Konfirmation.
07:25Wir haben gemeinsame Erinnerungen.
07:28So was verbindet. Verstehst du?
07:30Sie war mal meine beste Freundin.
07:32Und ich freue mich, dass sie kommt.
07:34So.
07:41Dann verstehe ich dich erst recht nicht.
07:44Wenn man jemand schätzt, macht man ihm doch nichts vor.
07:47Franz, schau mal.
07:50Sie war so viele Jahre nicht hier.
07:53Die neuen Verhältnisse.
07:55Das muss sie doch erst verdauen.
07:57Na gut.
07:58Aber das geht nur, wenn sie Sie richtig kennenlernt.
08:00Man kann doch nicht gleich das schwerste Geschütz auffahren.
08:04Ein Offizier in der Wohnung.
08:05Zwei.
08:07Was?
08:09Zwei Offiziere.
08:10Ich bin Unterleutnant.
08:13Unterleutnant?
08:15Du meinst wohl Untermieter.
08:18Ich bin als Unterleutnant der Reserve entlassen.
08:20Kannst dir schriftlich zeigen.
08:21So.
08:23Na ja.
08:26Bei dir ist das nicht so schlimm.
08:29Du trägst ja keine Uniform.
08:34Und bloß Reserve.
08:36Es wäre ja nicht schwer, dass du dich ein bisschen reserviert verhältst.
08:44Liliane will mich wiedersehen.
08:46Mich und ihre alte Heimatstadt.
08:51Reine Privatsache.
08:53Hat doch mit Politik überhaupt nichts zu tun.
08:55Wir wollten die ganze Zeit übers Wetter reden, ja?
08:57Das darfst mal unsere Sorge sein.
08:59Hauptsache, ich kann mich auf dich verlassen.
09:02Tante, ich habe dir nichts versprochen.
09:04Hans, du musst dich einfach ein bisschen unpolitisch geben.
09:08Nur mal rein menschlich.
09:10Die Sonne scheint über Ost und West.
09:13Ist das so schwer?
09:34Liliane!
10:00Liliane!
10:02Liliane!
10:07Liliane!
10:10Carola, lass mich ansehen.
10:13Ich habe dir so viel zu erzählen.
10:15Wie geht es Richard?
10:16Lässt herzlich grüßen.
10:17Und wir sollen beim Schwarzen das Luftholen nicht vergessen.
10:20Die Männer.
10:21Wir haben viel Zeit, Liliane.
10:23Das ist aber mal ein netter Dienst.
10:25Nehmen Sie bitte die Tasche auf.
10:26Das ist Hans, mein Großneffe.
10:28Hochheimer.
10:29Entschuldigung.
10:30Herzlich willkommen.
10:32Das ist mein Sohn.
10:34Guten Tag.
10:37Tag.
10:38Tag.
10:41So klein war er damals.
10:43Und jetzt studiert er auch schon Physik.
10:45Chemie, liebe Frau Bärenburg, Chemie.
10:48Die beiden werden sich bestimmt prima vertragen.
10:50Aber wunderbar.
10:56Ja, so hatte ich es in Erinnerung.
10:59Ah, bei Bärenburg war es immer so anheimelnd.
11:03Sie wohnen sicher gern bei Ihrer Tante.
11:05Ja, es gefällt mir.
11:07Schade, dass mein Mann nicht mitkommen konnte.
11:10Der Tee ist gleich fertig.
11:12Ja, wie schön.
11:13Darf ich fragen, warum Ihr Mann nicht mitgekommen ist?
11:16Ja, das war...
11:18Wie soll ich Ihnen das sagen?
11:19Du hast geschrieben, Richard hat zu viel zu tun.
11:21Richtig ja, die Konjunktur.
11:24Leider.
11:25Das heißt Gott sei Dank, mein Mann ist nämlich Bauunternehmer.
11:27Das scheint ja eine Riesenwohnung zu sein.
11:30Wohnen Sie beide alleine hier?
11:32Ja.
11:33Was kostet denn da die Miete?
11:3490 Mark.
11:35Was?
11:36Nur 90 Mark?
11:37Ja, 90 Mark.
11:40Das ist wirklich nicht teuer.
11:43Was recht ist, muss recht bleiben.
11:46Es gibt ja noch einen Untermieter.
11:50Ja, ein Verlagsangestellter.
11:54Ein stiller, unauffälliger Mann.
11:59Hauptmann.
12:01Ja, der liebe Herr Hauptmann.
12:03Bitte.
12:04Tante mag ihn sehr.
12:06Er geht immer so adrett gekleidet.
12:08Er geht früh, kommt spät.
12:10Ihr werdet ihn kaum zu sehen kriegen.
12:13Er ist ein bisschen menschenscheu.
12:15Aber wir haben ja so viel anderes.
12:16Nimmst du Zucker?
12:17Ja, danke.
12:18Du auch, Johann?
12:19Aber darf ich überhaupt du sagen?
12:21Nein, danke.
12:24Ich meine den Zucker.
12:26Bitte bleiben Sie beim Du, Frau Bernburg.
12:31Ach, Carola, dein Edward.
12:34Solche Ärzte sind ganz selten geworden, auch bei uns.
12:36Er hatte goldene Hände.
12:38Na, so schwierig war ich an deinem Blinddarm nicht.
12:42Was für ein Mann.
12:45Hattest du eigentlich gewusst, dass ich ein bisschen verliebt in ihn war?
12:49Du hast es mir nicht nur einmal gestanden.
12:52Ja, ja, die Erinnerungen.
12:59Bitte entschuldigen Sie mich.
13:04Ja?
13:05Hey, komm jetzt hoch, es ist soweit.
13:08Da ist doch noch Zeit.
13:10Hey, nimm die Beine unter den Arm.
13:13Na gut, ich komme.
13:16Bitte entschuldigen Sie mich.
13:18Herr Hochheim, wir werden doch nicht etwa überwacht?
13:21Aber Frau Neurath.
13:23Mama, nur eine technische Spielerei, Frau Neurath.
13:26Ganz harmlos.
13:28Und geh schon, sonst schnurrt das Ding wieder.
13:31Kann man da mitkommen?
13:33Wenn es Sie interessiert.
13:37Ein reizender Pupp, dein Großneffe.
13:42Du hast bestimmt viel Freude an ihm.
13:46Im Allgemeinen, ja.
13:49Zu steil.
13:51Nein, es müsste hinkommen.
13:53Doch nicht bei einer Bahnleitung von 51,7 Grad.
13:56Es muss tiefer.
13:58Dann müssten wir das Dach aufreißen.
14:00Wir stellen was unter das Stativ, ganz einfach.
14:02Hast du was?
14:03Na klar habe ich was.
14:09Hey, pass doch auf, Flasche.
14:11Entschuldigen Sie, Menschenskind.
14:13Tut mir leid, ist mir so ausgerutscht.
14:16Entschuldigung.
14:18Es wäre ein Ausgangspunkt, dass wir uns dusen.
14:21Das spricht sich dann leichter.
14:23Einverstanden.
14:37Als wäre man erst gestern hier gewesen.
14:40Alles so wie es war.
14:42Irgendwann geht die Zeit spurlos vorbei.
14:48Die schöne Holzplastik ist auch noch da.
14:52Ich habe mich immer gefragt, was die wohl kosten mag.
14:55Wozu? Die verkaufen sie ja doch nicht.
15:05Hier habe ich zur Konfirmation gestanden.
15:08Erinnerst du dich noch an mein Kleid?
15:10Ja.
15:11Damals waren wir beide noch jung und hübsch.
15:14Ja.
15:15Und jetzt?
15:16Nein.
15:17Du hast Grund zum Jammern.
15:19Bist ein gutes Stück jünger als ich.
15:21Und die meisten Männer würden dich noch unter 50 schätzen.
15:24Meinst du?
15:30Du hast dich aber auch sehr gut gehalten.
15:33Ich meine, angesichts der Lebenslage hier.
15:38Weißt du...
15:40Ach, lass mir das.
15:43Ich finde es wirklich sehr hübsch hier.
15:46Obwohl...
15:48Es wirkt ein bisschen klein.
15:51Vorigen Winter waren wir in München.
15:54Wenn ich an die Kirchen dort denke...
15:56Und nicht nur an die Kirchen, irgendwie sind Westen alles größer.
16:00Hoffentlich nicht auf der Liebe Gott.
16:0211 Uhr 52.
16:06So, Tadashi.
16:08Mal sehen, ob ihr pünktlich seid.
16:11Hier, damit kriegen Sie sie.
16:13Kriegst du sie auch.
16:14Jeder kommt ran.
16:16Ich muss sie bloß erst drin haben.
16:21Leute, ich bin richtig aufgeregt.
16:23Warum?
16:24Die Demonstration ist doch nicht neu.
16:26Wobei, gibt es Fernglas hier?
16:27Nee, nee.
16:28Sehen möchte ich das schon.
16:32Offen gesagt.
16:33Ich bin seit vielen Jahren nicht mehr hier gewesen.
16:36Du?
16:37Das ist doch nicht dein Ernst.
16:39Warum sollte ich lügen?
16:42Es hat angefangen, als unser Junge gefallen ist.
16:46Aber, Karola, das ist doch ein Vierteljahrhundert her.
16:50Ob ein Viertel oder ein ganzes Jahrhundert.
16:53Für eine Mutter ist das egal.
16:56Du kannst es nicht beurteilen.
16:59Ich bin sehr froh darüber.
17:02Ja, aber wir sind doch nach 45 gemeinsam hier gewesen.
17:07Ich habe dabei nur einen Gedanken gehabt.
17:10Wenn es einen Gott gibt, der wirklich allmächtig ist,
17:14warum lässt er dann Kriege zu?
17:18Sind eben Prüfungen.
17:20Davon gibt es im normalen Leben schon genug.
17:23Unfälle, Krankheiten.
17:26In manchen Ländern wird noch gehungert.
17:29Wozu auch noch Kriege?
17:35Wir kleinen Menschen können das nicht beantworten.
17:39Hast du es mal versucht.
17:41Es führt doch zumindest.
17:46Karola, erinnerst du dich noch an den jungen Pfarrer,
17:50wegen dem wir uns damals ganz nach vorn gesetzt haben?
17:53Du musst dich doch dran erinnern.
17:55Der wurde doch so herrlich verliehen,
17:57weil wir ihm doch so nah auf seinen geweihten Leib riefen.
18:01Um Gottes willen.
18:03Ach, das hört doch niemand.
18:05Um Gottes willen.
18:06Was ist denn?
18:07Der Braten.
18:08Mein Braten steht in der Röhre.
18:13Jetzt kann ich erst du erkennen.
18:15Ja?
18:16Gib mal her.
18:18Mann, da möchte ich mal mitfliegen.
18:20200 Kilometer hoch.
18:22Und ganz in Blau.
18:24Ah, ein Romantiker.
18:26Die Zeit kommt, wo dabei industriell was rausspringt.
18:29Diamanten aus dem Hochvakuum.
18:31Schaumstahl.
18:32Wir werden das noch erleben.
18:34Viel Glück, Genossen.
18:36Kommt heil wieder runter.
18:38Genossen?
18:39Wieso nicht?
18:40Ob Russe oder Amerikaner.
18:42Was hat das mit wissenschaftlicher Leistung zu tun?
18:45Nimm mal die Wetterbeobachtung vom Satelliten aus.
18:48Das Wetter ist in keiner Partei.
18:50Das profitieren die Genossenschaftsbauern davon.
18:53Bei euch die Großgrundbesitzer.
18:55Okay.
18:56Aber die kleinen Bauern auch.
18:58Warum werden es dann immer weniger?
19:00Trotz schönem Wetter.
19:02Nee, mein Lieber.
19:03Bei euch gibt es für die Bauern so wenig Mitbestimmung
19:06wie für die Arbeiter.
19:08Mitbestimmung?
19:09Moment.
19:10Sag mal, du bist doch mit einem Notizbuch zur Welt gekommen.
19:13Ich soll vor Freunden von der Eise berichten.
19:15Die sind genauso neugierig wie ich.
19:17Darum bin ich mitgefahren.
19:19Mitbestimmung.
19:20Bei euch herrscht die Diktatur.
19:22Also habt ihr auch keine Mitbestimmung.
19:24Zum Beispiel die Technische Revolution.
19:26Sie wird von Managern gesteuert.
19:28Bei uns heißen sie Herren, bei euch Genossen.
19:30Wo ist da der Unterschied?
19:32Fragen stellt der.
19:33Warum denn nicht?
19:34Du glaubst wohl, ich bin mindestens in der kommunistischen Partei.
19:37Da hätte ich ja nicht mitfahren müssen.
19:39Du kannst jede Frage stellen.
19:41Wir haben auch welche.
19:43Bitte.
19:44Hans, bist du es?
19:46Ja, sprich.
19:48Ja, sprich.
19:49Der Mann im Brot.
19:51Wer?
19:52Ach, lassen Sie den Unsinn, Steffen.
19:54Los, das Essen steht auf dem Tisch.
19:56Hat's nicht noch ein bisschen Zeit?
19:59Tante!
20:02Sie hat's schon wieder kaputt gemacht.
20:04Die Technische Revolution frisst ihre Rentner.
20:06Wenn sie das gehört hat, kannst du woanders essen.
20:12Das war nun mal unser Heim.
20:15Unten das Wohnzimmer.
20:16Da haben wir manche Flasche Champagner getrunken.
20:18Im Garten nur Rasen, beinahe englische Qualität.
20:21Dein Vater war sehr stolz drauf, hat die Pflegearbeiten selbst kontrolliert.
20:25Ja, das Haus, die Firma, das war sein Leben.
20:30Das war ist vorbei.
20:33Na?
20:35Auch Heimatgefühle?
20:37Naja, das lässt mich ziemlich kalt.
20:39Ich bin in Frankfurt aufgewachsen.
20:41Ich bin dort zu Hause, nicht hier.
20:44Denkt dein Vater wie du?
20:46Darüber kann man mit ihm nicht reden.
20:48Mich interessiert die alte Schose nicht.
20:50Und auch nicht die politischen Ambitionen meines Vaters.
20:52Aber sie sind nun mal meine Eltern.
20:55Und der bezahlt mein Studium.
21:05Da hat sich unser Spielzeughafen nicht ganz schön rausgemacht.
21:08Guck mal, die großen Pötte.
21:10Die konnten früher gar nicht rein.
21:13Überleg mal, Carola.
21:15Wofür hat man das alles hier erweitert?
21:18Wofür?
21:20Siehst du doch.
21:22Export, Import, Fischerei, Handel und Wandel.
21:26Eben.
21:28Damit euer Regime sich damit groß tun kann.
21:35Ist das ein Engländer?
21:37Die Flagge deutet darauf hin.
21:39Sicher hat einen Schaden.
21:41Darum hat er den Hafen aufgesucht.
21:44Mama.
21:46Das Schiff wird gerade beladen.
21:48Also dürfte es kaum beschädigt sein.
21:50Naja.
21:52So ist es eben.
21:54Da sieht man es wieder.
21:56Geld stinkt nicht.
21:58Diese Engländer waren immer schon ein Krämervolk.
22:01Ein neues Hotel?
22:03Ist noch nicht lange fertig.
22:07Gefällt es dir?
22:09Ja.
22:11Modern wie eins von Hilton.
22:13Mama, ich hoffe, du hast diesmal nichts auszusetzen.
22:16Durchaus.
22:18Dann bin ich ja beruhigt.
22:20Aber Junge, du weißt ja gar nicht, was das am Ende sein wird.
22:23Ich weiß es nicht.
22:25Ich weiß es nicht.
22:28Aber Junge, du weißt ja gar nicht, was das einmal für ein lauschiges Plätzchen war.
22:32Wie oft sind dein Vater und ich hier gesessen?
22:35Das Meer, die Möwen, die Bänke.
22:38Mama.
22:40Dort sind Möwen.
22:42Da ist das Meer.
22:44Und hier ist deine Bank.
22:48Willst du dich setzen?
22:50Nein.
22:57Danke.
23:11Danke.
23:17Da ist man nun zu Hause und ist doch nicht zu Hause.
23:21Süßungen?
23:23Wie sehr wir die Wiedervereinigung brauchen.
23:25Liliane.
23:27Wer glaubt denn da noch dran?
23:29Man muss.
23:31Bruder zu Bruder, Schwester zu Schwester, Freund zu Freund.
23:33Wir sind alle Deutsche.
23:39Liliane.
23:41Bei uns ist vieles ganz anders.
23:44Sieh mal.
23:46Ist doch im Grunde schön.
23:48Dass den Leuten billige Kindergärten geboten werden.
23:51Und noch so manches.
23:53Ich weiß was dagegen.
23:55Ich weiß wie sehr ich Kinder liebe.
23:57Gottchen.
23:59Ich will ihnen doch nicht die Villa wegnehmen.
24:04Bei der Wiedervereinigung hat der Gesetzgeber einfach dafür zu sorgen,
24:07dass wir ein neues Haus bekommen.
24:09Und dass wir unsere Firma zurück erhalten.
24:15Immerhin seid ihr damals von selbst weggegangen.
24:19War da nicht eine Geschichte mit der Steuer?
24:23Ja.
24:25Ja.
24:27Hatte sich da ein bisschen verkalkuliert.
24:29Na wenn schon.
24:31Bei solchen Summen könnte es vorkommen.
24:33Ist ja lange her.
24:35Eben.
24:37Bitte noch ein Mocha.
24:39Ja bitte schön.
24:41Warum sagst du meiner Mutter nicht die Meinung?
24:45Du hast keine Rücksicht zu nehmen.
24:49Mein Tantchen soll selber den Mund auftun.
24:51Die beiden sind dein Herz und deine Seele.
24:55Dann müsste meine Tante längst im Westen sein.
24:57Sieh mal Carola.
24:59Denk mal darüber nach.
25:01Von euch ein paar soziale Verbesserungen.
25:03Und von uns die freie Marktwirtschaft.
25:05Das wäre ideal.
25:07Vielleicht hast du recht.
25:09Ich habe mir das ja nicht ausgedacht.
25:11Schließlich befassen sich unsere gescheitesten Leute damit.
25:15Bloß.
25:17Sieh mal.
25:19Wenn beispielsweise dein Richard die Baupreise raufsetzt.
25:23Dann würden doch auch die Mieten hochgehen.
25:25Nur zu aller Nei von euch.
25:29Die Leute hier würden sich das nicht gefallen lassen.
25:31Lieber Gott.
25:33Jedes Regime hat seine Schattenseiten.
25:35Aber dafür hätten die Menschen auch ihre Freiheit.
25:37Ich fühle mich nicht unfrei.
25:39Kein Wunder.
25:41Weil du dich daran gewöhnt hast.
25:43Aber was dir deine Untermieter zahlen ist gerade zu lächerlich.
25:45Darfst du die Miete raufsetzen?
25:49Okay.
25:51Aber es ist deine Wohnung.
25:53Ist das Freiheit?
25:57Ist das Freiheit?
26:03Das hätte ich wirklich nicht für möglich gehalten.
26:07Darum wollte ich es dir ja zeigen.
26:15Bei uns wäre das natürlich alles
26:17aufgebaut worden.
26:19Es gab da noch alte Dokumente.
26:21Muss sehr viel Mühe gekostet haben.
26:23Aber es hat sich gelohnt.
26:25Ja.
26:29Für Kulturpflege gibt man bei euch mehr Geld aus.
26:33Ich bin die Letzte die das nicht anerkennt.
26:37Das war früher aber nicht.
26:39Wer soll denn das sein?
26:41Ein lesender Arbeiter.
26:43Irgendeiner.
26:47Das ist nur ganz gut getroffen.
26:49Mir gefällt es überhaupt nicht.
26:53Auch nicht schlechter als die Plastik von dem Bergmann,
26:55die bei uns vom DGB-Haus steht.
26:59Seid ihr denn blind?
27:01Ist doch nicht einfach ein Mann mit einem Buch.
27:03Etwa der Bibel.
27:05Sondern ein Arbeiter mit einer Schrift.
27:07Natürlich einer kommunistischen Schrift.
27:11Da soll er wohl die Regierung verkörpern.
27:13Das wäre nicht ausgeschlossen.
27:17Künstlerisch habe ich nichts gegen die Darstellung von Arbeit nehmen.
27:19Aber vom Regieren haben die doch keine Ahnung.
27:27Sag mal,
27:29soll das so weitergehen?
27:31Was denn?
27:33Willst du dir das ewig mit anhören?
27:35Ich verstehe mich.
27:37Ich denke, dein Vater war Arbeiter.
27:39Ja.
27:41Und jetzt ist der Werkdirektor und Stadtverordneter
27:43bei euch zu Hause.
27:45Er ist mein Neffe.
27:49Worauf willst du hinaus, Tantjen?
27:51Stell dich nicht dümmer, als du bist.
27:57Warum lässt du dir diese Frechheiten gefallen?
28:01Tja, weißt du,
28:03sie ist deine Freundin.
28:05Eben, deshalb sind mir die Hände gebunden.
28:07Aber du,
28:09in eurer Jugend bist du.
28:11Sogar in der Partei.
28:13Ich bin nirgends drin.
28:15Uns alle eint die nationale Front.
28:17Ach was,
28:19selbst ist der Mann.
28:21Oder die Frau.
28:23Natürlich könnte ich ein paar Takte sagen.
28:25Dann tue es endlich.
28:27Aber Tantjen,
28:29gestern früh hast du mich um das genaue Gegenteil gebeten.
28:31Ich bin der Mensch von Grundsätzen.
28:33Du willst mich also ärgern.
28:35Irrtum, mein lieber Großneffe.
28:37Ich habe ein dickes Fell.
28:39Ist ja schließlich deine Politik,
28:41und warum regst du dich dann aus?
28:43Ich? Nicht die Spur.
28:45Dann ist ja gut.
28:49Sieh mal!
28:51Was denn?
28:53Die Sonne scheint über Ost und West.
29:07Hans!
29:09Tag.
29:11Tag.
29:13Wir haben Hundert Dinge gehört, wie großzügig ihr ausgestattet seid.
29:15Ja?
29:17Naja, zugegeben.
29:19Bei uns würden sich hier dreimal so viele Leute auf die Zehen treten.
29:21Liegt an euch, das zu ändern.
29:23Reine Geldfrage.
29:25Naja.
29:27Die Amerikaner zum Beispiel
29:29haben keinen schlechteren Standard als ihr.
29:33Das Entscheidende
29:35fehlt denen genauso wie euch.
29:37Was machst du,
29:39wenn du dein Diplom in der Tasche hast?
29:41Ich verkaufe mich an einen Konzern.
29:43Ah ja.
29:45Jaja, genauso wie du dich an einen staatseigenen Betrieb.
29:49Wirst du Einfluss haben,
29:51was der Konzern mit deiner wissenschaftlichen Arbeit anfängt?
29:53Nein.
29:55Oder habt ihr etwa Einfluss nach dem Examen
29:57auf eure Staatsindustrie?
29:59Den haben wir schon jetzt.
30:01Da musst du dich nur mit Untermietern rumplanen.
30:03Hättest dich das mal träumen lassen.
30:05Anderen Leuten den Schmutz wegräumen in deinem Alter.
30:07Wenn dir das Bücken mal schwer fällt,
30:09gebe ich es eben auf.
30:11Bis jetzt geht's noch.
30:13Früher hattest du ein Köchchen,
30:15ein Hausmädchen,
30:17die haben für euch gearbeitet.
30:19Heute musst du für sie schuften.
30:21Alle sind für bestohlen worden.
30:23Du um dein Personal
30:25und wir um Hausmieter.
30:27Das kann man nur wirklich nicht sagen.
30:29Wieso nicht?
30:31Früher ist es dir doch besser gegangen.
30:33Ja gut, da lebte Edward noch.
30:35Die Ansprüche kann ich natürlich heute nicht stellen.
30:37Warum?
30:39In meinem Alter braucht man nicht mehr viel.
30:41Ja, sicher.
30:43Mit meiner Rente kann ich keine großen Sprünge machen.
30:45Aber durch die Untermieter
30:47wohne ich praktisch umsonst.
30:49Ja, sicher.
30:51Mit meiner Rente kann ich keine großen Sprünge machen.
30:53Aber durch die Untermieter wohne ich praktisch umsonst.
30:55Ja, dein Gruß, Neffe, schön.
30:57Aber wildfremde Leute,
30:59da weiß man doch nie, wen man ins Haus bekommt.
31:01Wenn sie dir mal einen Funktionär schicken.
31:03Oder einen vom Militär.
31:25Mahlzeit.
31:27Mahlzeit.
31:31Siehst du die, da drüben?
31:33Professor?
31:35Ingenieure aus dem elektronischen Gerätewerk.
31:37Unsere Sektion arbeitet mit denen in der
31:39Großforschung zusammen.
31:41Wir sind auch oft bei ihnen drüben.
31:43Leute aus der Werkleitung sitzen mit uns im
31:45Wissenschaftlichen Rat der Universität.
31:47Mit uns?
31:49Ja, mit Professoren und Studenten.
31:51Habt ihr da wirklich was zu sagen?
31:53Findest du, dass ich schweigsam bin?
31:55Er macht seine Sache im Rat ganz gut.
31:57Bloß ums Mensa-Essen kümmert er sich nicht.
31:59Immer diese Bino-Soße.
32:01Schmeckt bei uns auch so ähnlich.
32:03Was wir so alles exportieren?
32:07Pianer.
32:09Du siehst doch, mir geht's nicht schlecht.
32:11Also lassen wir's gut sein.
32:13Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.
32:15Ich hab ja was drauf.
32:19Aber man behandelt dich hier nicht so,
32:21wie es deinem Status entspricht.
32:23Nennt dich hier jemand, Frau Professor?
32:25Bin ich ja nicht.
32:27Hab nie studiert.
32:29Und was hat denn das damit zu tun?
32:31Warum willst du mich nicht verstehen?
32:39Dauert nur eine Minute.
32:47Carola,
32:49ich möchte dich etwas fragen.
33:03Was ist denn?
33:07Frau Bärenburg?
33:09Ja?
33:11Haben Sie einen Moment Zeit?
33:13Was ist denn?
33:15Darf ich reinkommen?
33:17Ich...
33:19Ich hab nicht viel an.
33:21Nehm gerade ein Fußbad.
33:23Hat's Zeit bis später?
33:25Aber ja. Auf Wiedersehen.
33:33Wer war denn das?
33:47Warum hast du ihn denn nicht hereingelassen?
33:51Weißt du, der...
33:53Der hat immer solchen Hunger.
33:55Dann hätte ich erst noch was zu essen machen müssen.
33:57Verliebt er denn so wenig?
33:59Das nicht.
34:01Du wolltest was fragen?
34:03Ja.
34:05Carola, hast du eigentlich nie daran gedacht,
34:07in die Bundesrepublik zu ziehen?
34:11Wie kommst du denn darauf?
34:13Ich bin hier zu Hause.
34:15Hab meine Verwandten hier.
34:17Zu wem sollte ich denn da drüben?
34:19Vielleicht zu uns?
34:21Nach Frankfurt? Eine schöne Stadt.
34:23Ach, Liliane.
34:25Das ist sehr nett.
34:27Verstehe ja, wie du es meinst.
34:29Ich geh mir da sehr verlassen vor.
34:31Aber wir leben dort.
34:33Ja, sicher wir.
34:35Wir würden uns besuchen.
34:37Zum Konditor gehen, wie früher.
34:39Aber im Grunde wäre ich doch allein.
34:41Ne, Carola, du sollst richtig zu uns kommen.
34:45Wir haben unser Haus.
34:47Wie denn?
34:49Zu euch ziehen?
34:51Ja, mit separatem Zimmer.
34:53Eigenem Fernsehgerät, wenn du willst.
34:57Ähm, Carola.
34:59Ich möchte ganz offen mit dir reden.
35:03Wir wollen dir natürlich nicht einfach ein Geschenk machen.
35:05Das würdest du ja auch gar nicht annehmen.
35:07Aber sieh mal,
35:09es ist so schwer,
35:11zuverlässiges Hauspersonal zu bekommen.
35:13Hauspersonal?
35:15Ja, für die Küche
35:17haben wir ein spanisches Mädchen
35:19und zum Putzen.
35:21Und zweimal in der Woche kommt auch jemand für den Garten.
35:23Momentan ein Grieche,
35:25den wir uns mit dem Regierungsdirektor von nebenan teilen.
35:27Gut, aber ich verstehe nicht.
35:29Gott, diese Leute wollen auch leben.
35:31Aber man muss doch ständig
35:33ein Auge auf sie haben.
35:35Und wenn du so als Hausdame zu uns kommst,
35:37wirst du so eine Art Aufsichtsperson.
35:39Mit Schmutzarbeit kommst du gar nicht in Berührung.
35:41Liliane,
35:43ich glaube, dafür eigne ich mich nicht.
35:47Na, fertig?
35:49Ja.
35:51Na, dann ist ja prima.
35:57Tag, Willi.
36:01Hast du jetzt einen Hilfsarbeiter?
36:03Bloß keine Ausbeutung, ja?
36:05Von Autos versteht er jedenfalls mehr als du,
36:07mein Lieber.
36:11Na?
36:13Interessiert mich nun mal.
36:15Hab noch nie in einen russischen Wagen reingeschaut.
36:17Na, mein Junge, ich glaube,
36:19fast du wolltest nicht aufs Blech kloppen,
36:21sondern bei mir auf den Busch.
36:23Das auch.
36:25Wir haben noch eine Übung, muss noch ein paar Genossen abholen.
36:27Bin ein bisschen spät dran.
36:29Ja, und denken Sie mal in Ruhe darüber nach.
36:31Und vielen Dank fürs Helfen.
36:33Tschüss.
36:35Vorsicht.
36:37Ich dachte, es wäre sein Wagen.
36:39Hm.
36:41Worüber sollst du nachdenken?
36:43Na, wie ich Willi kenne, bestimmt nicht bloß über Kfz-Technik.
36:45Da?
36:47Oh.
36:49Das schon.
36:51Aber dann?
36:53Hast du ihn ausgefragt?
36:55Eigentlich war es mir umgekehrt.
36:57Er wollte wissen, wie ich mir das Leben vorstelle.
36:59Wer bei uns die Wirtschaft leiten soll,
37:01wer die Armee kommandiert und so weiter.
37:03Ganz normale Fragen.
37:05Bei uns denken die wenigsten über den nächsten Tag hinaus.
37:07Vielleicht muss man es wirklich tun.
37:09Übrigens war er ziemlich direkt.
37:11Sag mal,
37:13diese Montur, die er da anhatte,
37:15tragen die alle Kraftfahrer?
37:17Nein.
37:19Das ist die Uniform der Betriebskampfgruppen.
37:21Willi kommandiert eine größere Einheit.
37:23Ach, daher.
37:25Übrigens, wenn ich mir vorstelle,
37:27dass so einer meine Mutter ins Verhör genommen hätte,
37:29ich glaube, die wäre in Ohnmacht gefallen.
37:31Unterschätzt du sie dann nicht?
37:33Hm.
37:35Freust du nun,
37:37dass du mitgefahren bist?
37:39Ist nett von Ihnen, Herr Hochheim,
37:41dass Sie sich so um einen Jungen kümmern.
37:43Oh, er ist schon recht selbstständig.
37:45Ich muss mich leider entschuldigen.
37:47Ach, hör mal, wo willst du denn hin?
37:49Das Raumschiff kommt noch mal durch.
37:51Ganz klarer Himmel.
37:53Kann ich mir einfach nicht entgehen lassen.
37:55Ich komme mit.
37:57Aber ziehen Sie einen Vornover über.
37:59Wir sind zwar keine Teenager mehr,
38:01aber vielleicht wäre es doch nicht zu viel verlangt,
38:03Entschuldige bitte.
38:05Ja, lass doch den Jungen gehen.
38:07Ein bisschen Rücksicht kann nie schaden.
38:09Womit ich natürlich nichts
38:11gegen deinen Hans gesagt haben will.
38:13Auf dein Wohl, Carolin.
38:15Auf deine Gesundheit.
38:17Auf alles Gute im Leben.
38:19Wünsche ich Ihnen auch, Frau Bernburg.
38:21Ich danke euch schön. Zum Wohl.
38:25Leider muss ich den Hans entschuldigen.
38:27Eine Versammlung oder sowas.
38:29Mach dir doch deshalb keine Sorgen, Carola.
38:31Das ist ein sehr netter,
38:33sympathischer junger Mann.
38:35Er spricht nicht viel,
38:37aber ich glaube,
38:39er denkt sich seinen Teil.
38:41Ja, da kannst du recht haben.
38:45Ich bin sicher,
38:47er teilt in vielem meine Ansichten.
38:49Ich meine unsere Ansichten, Carola.
38:51Was ist denn daran komisch?
38:53Entschuldige, Mama.
38:55Bin ja für Scherze zu hart.
38:57Bin ja für Scherze zu haben,
38:59wenn ich sie verstehe.
39:01Ich stellte mir gerade vor,
39:03da steht plötzlich ein Kommunist in der Tür.
39:05Womöglich einer in Uniform.
39:07Na und?
39:09Das würde mir auch nicht imponieren.
39:13Guten Abend allerseits.
39:17Nur einen Moment.
39:19Frau Bernburg,
39:21ich möchte Ihnen zum Geburtstag gratulieren.
39:23Sehr herzlich.
39:25Ich danke.
39:27Wirklich, so eine Überraschung.
39:29Darf ich vorstellen, Herr Hauptmann,
39:31meine Freundin Frau Neurath
39:33und ihr Sohn Joachim.
39:35Mein Besuch aus Frankfurt.
39:39Tja, dann will ich nicht weiter stören.
39:41Einen schönen Abend noch.
39:43Ich möchte Sie bitten,
39:45trinken Sie noch ein Glas Wein mit uns, ja?
39:47Vielen Dank.
39:51Aber wirklich nur einen Moment.
39:55Sie kommen aus Frankfurt?
39:57Dann sind wir ja sozusagen Nachbarn.
39:59Ich bin dort aufgewachsen.
40:01Meine Mutter wohnt dort,
40:03ganz in der Nähe vom Kleistheater.
40:05Aha.
40:07So.
40:09Die Frau Mutter.
40:11Bestimmt sind Sie ja schon mal begegnet.
40:15Wieso?
40:17Fast jeder bei uns zu Hause
40:19ist hier schon mal begegnet.
40:21Sie sitzt im Theater an der Abendkasse.
40:25Ach so.
40:29Ja, wir gehen auch gern ins Theater.
40:33Herr Hauptmann,
40:35das ist so.
40:37Meine Freundin ist aus Frankfurt am Main.
40:39Ach so.
40:41Dann entschuldigen Sie den Irrtum.
40:43Aber ich bitte Sie,
40:45kleines Missverständnis.
40:47Was macht das schon?
40:49Wir haben ja nichts voreinander zu verbergen.
40:51Ja, da hast du recht.
40:53Sie, Herr ...
40:55Hauptmann.
40:57Lieber Herr Hauptmann,
40:59sicherlich, wir sind damals von hier fortgezogen,
41:01aber da konnte man das alles noch nicht so
41:03verstehen und überblicken.
41:05Heute,
41:07man hat ja Augen im Kopf.
41:09Und in einem Winkel unseres Herzens
41:11sind auch wir Sozialisten.
41:13Ich habe immer sehr sozial gedacht.
41:15Meine Freundin kann Ihnen das bestätigen.
41:17Gott, uns kleinen Leuten
41:19ist es oft genug schlecht gegangen.
41:21Ja, und noch einmal ja dazu,
41:23dass Sie heute an der Regierung sind
41:25in der Zone.
41:27Ich meine natürlich in der DDR.
41:37Du meinst nicht DDR.
41:39Bitte?
41:41Du meinst nicht DDR.
41:45Entschuldige.
41:47Man kann sich doch mal versprechen.
41:49Ich möchte, dass wir aufhören,
41:51uns gegenseitig etwas vorzumachen.
41:53Du hast für das System hier
41:55so viel übrig, wie eine Katze
41:57auf dem Schwanz vortragen kann.
41:59Und das kannst du ruhig sagen.
42:01Deswegen fällt der Herr Offizier bestimmt nicht vom Stuhl.
42:03Carola,
42:05ich bitte dich.
42:07Es ist einfach nicht anständig,
42:09jemanden so anzuschwindeln.
42:15Ich weiß nicht, was zwischen Ihnen ist,
42:17aber sicher ist es besser,
42:19wenn Sie sich erst einmal allein darüber aussprechen.
42:25In unserem Staat sind Gäste immer willkommen.
42:27Auch aus kapitalistischen Ländern.
42:29Wir erwarten ein Minimum
42:31an objektivem Urteilsvermögen,
42:33aber keine unechten Bekenntnisse.
42:35Wem sollten die nützen?
42:37Bitte bedenken Sie das bei Ihrem nächsten Besuch.
42:39Es tut mir leid.
42:41Ein klares Wort ist nie falsch, Frau Bärenburg.
42:43Guten Abend.
42:47Bist du von allen
42:49guten Geistern verlassen?
42:51Möchtest du mir bitte
42:53gefälligst erklären...
42:55Nicht diesen Ton.
42:57Nicht in meiner Wohnung.
42:59Warum hast du mich denn in dieser Weise bloßgestellt?
43:01Ich denke, es tut dir einen Gefallen,
43:03dass ich mich noch hergebe.
43:05Liliane, hör mich einen Moment an.
43:07Bitte.
43:09Ich habe mich auf deinen Besuch gefreut.
43:11Ich wollte mir deinen Jungen ansehen.
43:13Mit dir über Frühjahr plaudern,
43:15die alles zeigen bei uns.
43:17Ich wollte keinen Streit.
43:19Mit dem Politischen hast du angefangen.
43:21Ich nehme nun einmal kein Blatt vor den Mund.
43:23Dann wirst du auch das Echo vertragen.
43:25Vorhin hast du den Bogen überspannt.
43:27Gut.
43:29Im Grunde bin ich ja schuld an der dummen Situation.
43:31Ich hätte von Anfang an
43:33offener mit dir reden müssen.
43:35Ich möchte nur eines wissen.
43:37Wenn du hier inzwischen Kommunistin geworden bist,
43:39warum hast du mir das nicht geschrieben?
43:41Dann wäre ich überhaupt nicht gekommen.
43:43Kommunistin?
43:45Ich?
43:47Aber für mich ist das kein Schimpfwort mehr.
43:49Ich bin, weiß Gott,
43:51nicht mit allem einverstanden.
43:53Aber woran mir wirklich was liegt,
43:55da hast du mich regelrecht
43:57mit der Nase drauf gestoßen.
43:59Eine Frau deiner Herkunft.
44:01Hast du sie respektiert?
44:03Meine Herkunft?
44:05So ein Angebot zu machen.
44:07Hausdarle.
44:09Wachhund für das arme Volk,
44:11weil sie sonst zu Hause verhungert.
44:13Na, und was bist du denn hier?
44:15Zimmervermieterin.
44:17Eine bessere Putzfrau.
44:19Das ist eine ehrliche Beschäftigung.
44:21Und kein Mensch schaut deshalb auf mich herab.
44:23Hier wirst du als Mensch geachtet.
44:25Auch wenn du kein Bankkonto hast.
44:27Ich weiß nicht,
44:29ob du das so richtig verstehst.
44:31Ich verstehe nur so viel,
44:33dass du dich mit denen hier arrangiert hast.
44:35Nicht einmal so erstaunlich,
44:37wenn ich es bedenke.
44:39Wir haben ja hier Haus und Firma verloren.
44:41Aber du?
44:43Was hat denn dein Mann schon gehabt?
44:45Einen hochtrabenden Titel und ein chirurgisches Besteck.
44:47Mit dem er dir den Blindenarm rausgenommen hat.
44:49Hätte er geahnt,
44:51wie du einmal über ihn reden würdest,
44:53hätte er ihn bestimmt dringelassen.
44:55Also das hörst du dir an.
44:57Sag gefälligst auch ein Wort.
44:59Nein, Mama, das ist eure Sache.
45:01Das finde ich auch.
45:03Na, es ist dir auch bereits alles gesagt.
45:05Wir verstehen uns nicht mehr.
45:07Das tut weh, aber es ist so.
45:09Ich habe immer gedacht,
45:11es wäre schön,
45:13alle Deutschen wieder zusammen.
45:15Aber so wie du denkst,
45:17wie ihr lebt,
45:19nein.
45:21Ich glaube,
45:23wir könnten nicht mehr miteinander auskommen.
45:25Da soll schon jeder dort bleiben,
45:27wo es ihm gefällt.
45:29Carola, wenn es hier einmal anders kommt,
45:31willst du mir drohen?
45:33Das ist nur ein freundschaftlicher Rat,
45:35das hat weiter nichts.
45:37Mein Mann steht in der Politik.
45:39Er sieht weiter als du.
45:41Hier kommen die alten Verhältnisse
45:43jedenfalls nicht wieder.
45:45Hör auf, daran zu denken, Liliane.
45:47Du vergiftest bloß dein Leben damit.
45:49Du hast mich nicht richtig verstanden.
45:51Oh, doch.
45:53Sehr gut.
45:55Du bist jetzt gereizt und wütend.
45:57Genau wie früher,
45:59wenn nicht alles nach deinem Kopf ging.
46:01Ich bin eine wehrlose alte Frau.
46:03Und du willst mir ein bisschen Angst
46:05mit auf den Weg geben.
46:07Ich habe aber keine.
46:09Der Herr Offizier nebenan
46:11und eine Menge andere Leute sorgen schon dafür,
46:13dass ich einen Lebensabend
46:15in Ruhe und Frieden habe.
46:17Ohne Mord und Totschlag.
46:19Und noch etwas, Liliane.
46:21Denk an deinen Jungen.
46:23Er darf den Krieg
46:25nie kennenlernen, so wie meiner.
46:27Der für nichts
46:29und wieder nichts gefallen ist.
46:33Dein Sohn ist für Deutschland gefallen.
46:37Im Kampf gegen den Kommunismus.
46:41Beschämend genug,
46:43dass ich dich daran erinnern muss.
46:45Mama!
46:49Ich möchte mich dafür entschuldigen.
46:53Wo gehst du denn hin?
46:55Ich packe die Koffer.
46:57Dass Sie uns begleitet haben,
46:59ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll, Herr Hochheim.
47:01Nicht der Rede wählen.
47:03Ich glaube, Sie richtig zu verstehen.
47:05Auf Leuten wie Ihnen
47:07ruht eine unserer wichtigsten Hoffnungen.
47:09Muss ich noch mehr sagen?
47:11Nein, Frau Neurath.
47:13Sie können sich ganz auf mich verlassen.
47:17Leben Sie wohl, Herr Hochheim.
47:19Auf Wiedersehen.
47:21Vielleicht war ich nicht das letzte Mal hier.
47:23Du bist immer willkommen.
47:25Grüß deine Freunde.
47:27Und für die das Notizbuch nicht.
47:31Grüß die alte Dame.
47:33Tut mir leid, dass wir den Geburtstag verdorben haben.
47:37Mensch, ich habe vergessen,
47:39ihr Blumen zu besorgen.
47:41War so eine Blamage.
47:43Mach's gut. Tschüss.
47:45Tschüss.
47:55Morgen, Tantjen.
47:57Nachträglich. Entschuldige.
47:59Ich habe es gestern in den Trubel einfach vergessen.
48:01Kriege ich trotzdem ein Frühstück?
48:03Verdient hast du es nicht. Vielen Dank.
48:05Wenn man dich braucht, bist du nicht da.
48:07Hättest du mal den Hauptmann erleben sollen.
48:09Wie der, den Neurath.
48:11Ganz knapp.
48:13Aber alles dran.
48:15Tja, wie kriegen wir ihn bloß aus der Wohnung raus?
48:21Ich weiß nicht.
48:23Ich weiß es nicht.
48:27Willst du Kaffee?
48:29Am besten.
48:31Wir schenken ihm reinen Wein ein.
48:33Wie alles gewesen ist.
48:35Hans, wenn du dich unterstehst.
48:37Das wäre doch nur ehrlich.
48:39Man soll die Ehrlichkeit nicht übertreiben.
48:41Bist du nicht ein bisschen wust?
48:43Tante,
48:45du willst mich bestechen.
48:47Ach, guten Morgen, Frau Wernburg.
48:49Ich habe eine Diensttat.
48:51Gehen Sie in die Küche, damit Sie Bescheid wissen.
48:53Genosse Hauptmann, Moment.
48:55Es gibt da noch ein Problem.
48:59Sie kommen doch an der Uni vorbei.
49:01Da können Sie mich absetzen, ja?
49:03Das geht leider nicht.
49:05Ich bin Unterleutnant der Reserve, Genosse Hauptmann.
49:07Ach so. Los.
49:09Danke. Auf Wiedersehen, Tantchen.
49:11Lass dich bloß nicht so schnell wieder blicken.
49:21Untertitel der Amara.org-Community
49:51Diese Sendung wird live untertitelt.
50:21Untertitel der Amara.org-Community
50:51Die Sendung wird live untertitelt.

Empfohlen