ROLF APPEL (1920-2019), EIN HERAUSRAGENDER DEUTSCHER FREIMAURER

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Rolf Appel (geboren am, 16. Juni 1920 in Hamburg, verstorben am 3. April 2019 in Hamburg mit 98) war einer der wahrscheinlich bedeutendsten Freimaurer unserer Zeit. Schon der Vater war Logenmitglied und als solches dem massiven Druck der Nazis ausgesetzt. Dass er sich dennoch stets unbeugsam zum Bund bekannte, beeindruckte den Sohn so sehr, dass er sich später ebenfalls einer Loge anschloss.
Appel schrieb bisher mehr als 50 Bücher über Freimaurerei, verhandelte mit dem Vatikan die Annäherung von Freimaurerei und katholischer Kirche (Lichtenauer Erklärung) und war lange Zeit u. a. freimaurerischer Weggefährte von Br. Axel Springer.

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Transcript
00:00Das freimaurische Bestreben nach Vollkommenheit, nach ethischen Werten, das ist von Anfang an in der Menschheit drin gewesen.
00:14Ich liebe die Kritik, die Auseinandersetzung, die Suche nach der Wahrheit.
00:25Goethe war Freimaurer, Herder war Freimaurer, Lessing war Freimaurer, Karl von Ossetzi war Freimaurer.
00:32Dann sage ich mir immer, und du? Was hier und heute geschieht, das ist das Entscheidende.
00:40Wolf Appel, geboren 1920, dreimal im Krieg, schwer verwundet, seit 1948 Freimaurer.
00:57Einer der bedeutendsten über Deutschland hinaus. Wirkte engstens mit dem Erneuerer der deutschen Freimaurerei Theodor Vogel zusammen.
01:06Schriftsteller und Verleger. Schrieb über 50 Bücher, nicht nur zu freimaurerischen Themen.
01:13War Vorstandsmitglied des Norddeutschen Buchhändler- und Verlegerverbandes.
01:18Arbeitete mit Max Tau und Lev Koppelheff zusammen.
01:2223 Jahre lang Vorstand beim Sozialwerk des Deutschen Buchhandels.
01:27Redakteur des Hanseatischen Logenblatts und der Bruderschaft der Zeitschrift der Vereinigten Großlogen.
01:34Später vier Jahre lang der Humanität.
01:38Redakteur der beiden Jubiläumsschriften Ein Vierteljahrtausend Freimaurer in Hamburg und Aufbruch nach 250 Jahren.
01:46Dein Vater war seit 1922 Freimaurer und er hat dich zur Freimaurerei gebracht.
01:54Er war dein Bürger und in der Nazizeit hat er sich den Nazis sehr mutig entgegengestellt.
02:01Was hast du selber unmittelbar mitbekommen? Du warst ein kleiner Junge oder ein junger Mann dann später.
02:08Ich darf mal erzählen.
02:10Der Kreisleiter offenbarte meinem Vater, dass sie dem Hitler, unserem Führer wie er sagte,
02:18die Verdoppelung der Mitgliederzahl seiner Partei zum Geburtstag schenken wollten.
02:24Und mein Vater sei doch noch nicht Mitglied.
02:26Worauf mein Vater antwortete, ich bin Freimaurer.
02:31Und Freimaurer können nicht anerkennen, dass dort politische Grenzen die Menschen einsperren.
02:38Dass rassische Grenzen da sind.
02:41Und diese Dinge werden in der Freimaurerei überwunden.
02:46Wir sind ein weltweiter Bund.
02:48Und von daher kann ich bei ihnen nicht Mitglied werden.
02:52Der Kreisleiter sprang sofort auf und rief,
02:55wissen Sie was wir da sagen? Sie sind wohl verrückt geworden.
02:59Sie beleidigen den Führer.
03:01So in dem Stil brüllte er ihn an.
03:04Und dann schließlich besänftigte er sich, denn er wollte ja meinen Vater zum Mitglied haben.
03:10Sie waren doch sicher nur einer von den verführten Mitgliedern.
03:14Und bereuen heute, dass Sie Freimaurer sind.
03:19Worauf mein Vater sagte, Sie sollten eigentlich wissen,
03:23dass einer der sich mutig zu seiner Sache bekennt,
03:27dass der wertvoller ist als die nur bei Fall klatschenden Mitläufer.
03:32Die gibt es ja in Ihrer Partei zur Genüge.
03:35Dann sprang der Kreisleiter auf, Sie wissen ja gar nicht was Sie sagen.
03:40Brüllte die anderen auch.
03:42Und dann machte er Heil Hitler, reckte die Hand hoch und dann gingen sie raus.
03:47Und gab es konsequenzenpolitische?
03:49Zunächst passierte nichts, aber später.
03:54Am 15. November 1945 saß Axel Springer neben mir im Information Control Service
04:14der britischen Militärregierung hier in Hamburg am Valentinskamp.
04:19Wir hatten beide einen Antrag gestellt auf Zulassung als Buchverleger.
04:23Er bekam die Lizenz, ich bekam sie auch.
04:26Es waren zunächst nur acht Hamburger, die die Lizenz bekamen.
04:30Mehr Druckereien existierten nämlich nicht,
04:32die die Verlagsproduktion durchführen konnten.
04:36Ihr habt euch dann später als Brüder wiedergetroffen.
04:39Wir haben uns 1958 wiedergefunden.
04:42Und zwar hat ein besonderer Wunsch Axel Springers dazu geführt,
04:49dass die sogenannten Kolloquien, die monatlich von der Loge durchgeführt wurden,
04:54in den letzten Jahren wiedergefunden werden.
04:56Und das war dann das erste Mal.
04:58Ein besonderer Wunsch Axel Springers dazu geführt,
05:01dass die sogenannten Kolloquien, die monatlich von der Loge durchgeführt wurden,
05:06nicht im Logenhaus stattfinden, sondern bei ihm in seinem Bibliotheksgebäude, in seinem Haus.
05:13Und dann waren wir dort und das war eine ganz großartige Sache.
05:20Ich weiß, dass der Paul Sete, der ist dir sicher bekannt,
05:25der Fritz Senger, der Chef der Deutschen Presseagentur,
05:29oder Herr Ernst Fromm vom Weltärztebund,
05:35der Chef, oder Dahlgrün, das war der Bundesfinanzminister.
05:43Und es war also ein gewisser Creme war in der Loge vorhanden.
05:47Und dazu gehörte eben auch Axel Springer.
05:49Die deutsche Freimaurerei betont immer, sie wolle nicht politisch sein.
05:53Das ist eine verkürzte Darstellung.
05:55In unserer freimaurischen Ordnung heißt es nicht, dass politische Gespräche untersagt sind,
06:00sondern parteipolitische.
06:03Und auch nicht religiöse Gespräche sind verboten, sondern konfessionelle Gespräche.
06:10Das heißt also all das, was zu Streit und Fanatismus führen kann, das ist untersagt.
06:17Bruder Rolf, was ist denn das Spezifische deiner Ansicht nach der deutschen Freimaurerei?
06:25Das kann ich zum Ausdruck bringen mit der Frage Theodor Vogels an den Prelaten Johannes de Todt 1967,
06:37als der bei Theodor Vogel ankam und fragte, ob die deutschen Freimaurer zu einem offiziellen Dialog bereit sind.
06:44Worauf Theodor Vogel fragte, wieso denn gerade wir Deutschen?
06:49In England ist der Ursprung der Freimaurerei.
06:52Und in Frankreich, in Amerika haben wir die großen Mengen an Freimauern,
06:58worauf geantwortet wurde, wir haben in den uns zur Verfügung stehenden Archiven alles studiert
07:05und festgestellt, jetzt hören wir nur Staune,
07:09dass die Freimaurerei in Deutschland am reinsten betrieben wird.
07:13Und deshalb möchten wir den Dialog mit den deutschen Freimaurern führen.
07:17Würdest du es auch so sehen, am reinsten betrieben wird und was heißt das genauer?
07:22Das kann man abgrenzen.
07:25In Frankreich hat sich die Freimaurerei nie befreien können mit von den Tendenzen der großen Revolution.
07:32Die Freimaurerei dort hat einen politischen Touch, zum Teil auch parteipolitisch.
07:41In England, da ist alles traditionsbewusst.
07:45Der Engländer pflegt die Aussagen, die freimaurischen Aussagen, so wie sie vor 200 Jahren waren.
07:52In Deutschland hat man die Freimaurerei vergegenwärtigt.
07:57Und dann warst du der ideale Mann, dich später zu kümmern,
08:01auch um einen Dialog mit der katholischen Kirche.
08:11Und der Papst hat es dann der Glaubenskongregation vorgelegt
08:15und die Glaubenskongregation hat zugestimmt,
08:18sodass der Codex juris canonici, das Kirchenrecht, geändert wurde
08:24und es findet der Begriff Freimaurerei keine Aufnahme mehr, keine Erwähnung im Kirchenrecht.
08:31Das heißt, danach könnte ein Katholik auch freimauern.
08:36Absolut.
08:37Du hast selber mal gesagt, Freimaurerei ist eine Notwendigkeit. Wie meinst du das?
08:43Wenn ich in unsere Umwelt hineinschaue, wie viel Gier, wie viel Habsucht,
08:49wie viel Geltungsbedürfnis sich dort austobt,
08:53das alles soll in der Freimaurerei gebremst werden und wird es auch.
08:58Ich weiß es von mir selber.
09:01Der Ausdruck königliche Kunst, der ist bereits bei Plato aufgetaucht.
09:07Und da meinte er einfach, es ist eine königliche Kunst, Recht zu leben
09:13und mit seinen Mitmenschen auf richtige Weise auszukommen.
09:19Das ist die königliche Kunst, so Plato.
09:23Ist die Freimaurerei nach deiner Ansicht nicht erheblich in ihrer Existenz bedroht?
09:30Es gibt schwindende Mitgliederzahlen.
09:33Ja, na schwendende Mitgliederzahlen haben wir auch bei den Gewerkschaften,
09:37in den Kirchen, in den Sportvereinen.
09:39Das hängt einfach damit zusammen, dass es so viele Mitglieder gibt,
09:42dass es eine gewisse Zahl der Mitglieder gibt.
09:44Und das ist die Grundlage für die Freimaurerei.
09:47In den Gewerkschaften, in den Kirchen, in den Sportvereinen.
09:50Das hängt einfach damit zusammen, dass die Menschen gleichgültig geworden sind.
09:54Sie leben voller Ansprüche und das ist der Zustand unserer Gesellschaft.
10:00Und gegenwärtig befinden wir uns in einem Umbruch.
10:03Das hat es aber immer gegeben.
10:05Aber der freimaurerische Geist, der ist immer erhalten geblieben.
10:09Und der wird auch immer bleiben.
10:11In deinem Buch Jonas, Erinnerungen aus dem Jahr 1933 bis 1945, schreibst du,
10:17auch ich will träumen, denn auch ich gehöre zu den Hoffenden.
10:23Von welcher Art Freimaurerei träumst du?
10:28Ja, dann kann ich nur von dem Ideal-Analoge sprechen,
10:32wo sie alle brüderlich miteinander umgehen
10:37und dass Trende des Berufes oder der Religion oder sonst wie überhaupt keine Rolle spielen,
10:43sondern nur das Du mein Bruder.
10:46Das ist mein Ideal, auf das strebe ich zu.
10:59Goethe war Freimaurer, Herder war Freimaurer, Lessing war Freimaurer,
11:02Karl von Ossetzki war Freimaurer.
11:04Und du?
11:07Was hier und heute geschieht, das ist das Entscheidende.

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