• 8 years ago
Ulrich Roski - Des Schleusenwärters blindes Töchterlein 1972

Im alten Spandau an der schönen Havel
steht eine Schleuse und die riecht nach Fisch.
Jedoch am Schleusentor winkt eine Tafel
da steht geschrieben "Wasser täglich frisch".

Der alte Schleusenwärter klinkt die Spundten
und wenn es achtern aus den Rahen drulpt,
pinnt er die Klieken über Luv nach unten
dann wird die Kellin in den Wind gehulpt.

Am Schleusenrand im Abendscheine
steht eine liebliche Gestalt.
Sie hält den Schleusenkater an der Leine,
sie faßt ihn sicher und sie gibt ihm Halt.

Das ist des Schleusenwärters blindes Töchterlein
das winkt die Schiffe ein mit sanftem Schwung.
Und mancher Havelschiffer hält mit Schiff hinein
und grinst sie an, sie ist ja noch so jung.

Mit weißer Mütze stand auf der Barkasse
ein wohlgestalt'er junger Maat
und dem gefiel des Wärters Sohn der Lasse,
die Tochter aber fand er fad.

Er ging in's Schleusenhaus mit jenem Knaben
wo er mit ihm ein Rendezvous besprach
doch auch die Tochter rief "Den will ich haben"
und schlich ihm heimlich in die Koje nach.

Der Maat legt Hand an ihre Hüfte
und zwickt sie auch, da sprach sie "Au".
Doch als er sie dann näher prüfte
rief er "Verflucht das ist ja eine Frau".

Jaja des Schleusenwärters blindes Töchterlein
kam statt des Bruders in der Dämmerung.
Jedoch der junge Maat hat es zu spät geahnt,
ja wie gesagt sie war ja noch so jung.

Und als der Schnösel sie nicht haben wollte
lief sie zum Vater, der die Wanten spliss.
Ob dieser Schmach war er erbost und grollte,
bis er vor wut in einen Tampen biß.

Er schlenzte ihn und er kalpaukte,
maschkeute ihn und holt ihn kiel.
Und als der Maat dann schließlich nichts mehr taugte,
warf er ihn in den feuchten Pril.

Das sah der Lasse an, der schlanke Bruder,
der schalt den Vater einen krummen Hund.
"Er war mein Freund" rief er und griff ein Ruder
und stieß den Wärter in den kühlen Grund.

Na und des Schleusenwärters blindes Töchterlein
das sah ihm traurig nach wie er ertrunk,
warf eine handvoll Sand ins Wasser rein
und sang "Fahrt wohl, ihr wart ja noch so jung".

Die Schleusenwärterin saß auf dem Poller,
die Hand am Kinn und dachte "Bäin se bäin".
Sie sah den Mord, da rief sie "Ach mein Oller
jetzt biste hin, das muß gerochen sein".

Zum Sohn sprach sie "Du mußt jetzt scheiden"
und schnitt ihm rasch die Kehle ab.
Die Blinde aber mocht's nicht leiden
und stieß die Mutter in das feuchte Grab.

Und aus der Schleusenkammer kam die Oma,
die einen Jüngling unter'm Herzen trug.
Sie hat ein köstliches Aroma,
weil sie grad' Butterkuchen buk.

Die nahm des Schleusenwärters blindes Töchterlein
und warf es auch hinein zur letzten Ruh.
Doch ach der Schleusenkater stellt auch ihr ein Bein,
da fiel die Schleusenoma noch dazu.

Die alte Schleuse oben an der Havel,
die ist voll Blut und stinket fürchterlich.
Jedoch das macht ja nichts, verheisst die Tafel
das Wasser ist ja morgen wieder frisch.

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