Die Tochter persischer Exilanten tanzt beim Berliner Staatsballett. Daneben choreografiert sie Werke, um auf die Notlage iranischer Frauen aufmerksam zu machen.
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NewsTranskript
00:00Vivian Assal-Kunawat tanzt für die Freiheit, nicht nur für ihre eigene,
00:09sondern auch für die Frauen und Mädchen im Iran, die sich nicht offen äußern können.
00:14Für mich ist Tanz genauso eine Ausdrucksform wie die Sprache, nur dass ich anstatt mit Mund
00:25und Zunge zu sprechen, mit meinem Körper all die Gefühle und Geschichten erzähle,
00:29die ich im Kopf habe. Vivian ist Mitglied des Staatsballetts Berlin. Hier hat sie ihre
00:37Heimat als professionelle Tänzerin gefunden. Mehr als 80 Personen gehören zum Ensemble.
00:42Wie frei kann sie sich im Ballett ausdrücken? Das ist schon schwierig, weil Ballett in seinem
00:51Kern und seiner Struktur sehr klassisch ist und wir es aufgrund der Techniken auch so
00:56beibehalten. Aber ich denke, mit der Zeit wird es freier werden. Geboren und aufgewachsen ist
01:10Vivian in Schweden. Dort hat sie ihre Tanzausbildung begonnen. Ihre Eltern stammen aus dem Iran,
01:15wo es verboten ist, in der Öffentlichkeit zu tanzen, insbesondere für Frauen.
01:20Was passiert, wenn jemand beim Tanzen erwischt wird? Ich habe von Leuten gehört,
01:30die verhaftet wurden und deren Instagram-Account gesperrt oder deren Handys konfisziert wurden.
01:36Auf jeden Fall bedeutet es Schwierigkeiten und die Sittenpolizei ist hinter einem her.
01:42Wie erklärt sie sich das Tanzverbot im Iran? Vermutlich, weil es eine besondere Ausdrucksform
01:57ist. Anders als beim Sprechen ist der ganze Körper involviert und den muss man im Iran ja
02:03verhüllen. Um dem Verbot aus der Ferne etwas entgegenzusetzen, choreografiert
02:12und inszeniert Vivian in Berlin eigene Stücke mit klarer Botschaft. Stoppt die Unterdrückung
02:18der Frauen im Iran. Du kannst sie nicht zum Schweigen bringen. Ich bin sie und sie ist ich.
02:27Vivian ist selbst nie im Iran gewesen. Die wachsende Radikalisierung dort bedrückt sie zunehmend.
02:35Die Auseinandersetzung mit den Zuständen im Iran hat bei mir während der Corona-Pandemie
02:46begonnen. Ich hatte viel Zeit zum Nachdenken. Ich habe viel online gelesen und besonders
02:55berührt hat mich die Nachricht von einem Ehrenmord, bei dem ein Vater im Iran seine
03:00Tochter getötet hat, weil sie verliebt war und zusammen mit ihrem Freund abhauen wollte.
03:05Hat sie jemals eine Reaktion iranischer Frauen auf ihre Arbeit oder ihre Botschaft bekommen?
03:17Ich war in Kontakt mit einigen Tanzschülerinnen im Iran und auch mit Frauen, die geflüchtet sind.
03:26Einige sind hierher gekommen und tanzen hier. Ich versuche ihnen bei allem rund um das Tanzen
03:38zu helfen. Häufig sind Kunst und Freiheit unter repressiven Regimen eingeschränkt.
03:46Hat sie den Eindruck, dass ihre Arbeit im Iran als Bedrohung wahrgenommen werden könnte?
03:51Darüber habe ich noch nie nachgedacht oder mich gesorgt. Ich bin einfach sehr konzentriert. Jetzt
04:03gerade bin ich an einem Ort, an dem ich frei sprechen kann und das ist das einzige,
04:07woran ich denke, dass ich diese Stimme habe.
04:09Mit jedem weiteren Jahr wird Vivian Assay-Kunawats Tanz und damit auch ihre Stimme kraftvoller für die Freiheit.