Brüssel, meine Liebe? Heißer Herbst um Migration und "Rettet Erasmus"

  • vor 4 Tagen
Im Europäischen Parlament diskutierten in dieser Ausgabe unserer Talkshow drei Abgeordnete über das Reizthema Migration, Ursula von der Leyens Nominierungsvorschläge für die neue EU-Kommission und die geplante Kürzung des populären Erasmus-Programms.

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Transcript
00:00Hallo und herzlich willkommen zu Brüssel, meine Liebe, unserer wöchentlichen Talkshow
00:17heute aus dem Europäischen Parlament in Straßburg.
00:20Ich bin Stefan Grobe und ich freue mich, dass Sie bei uns sind.
00:23Unsere Themen.
00:24Nach jahrelanger Arbeit an einer gemeinsamen EU-Asylpolitik liegen die Mitgliedstaaten
00:29erneut im Klinsch.
00:31Deutschland führte wieder Grenzkontrollen ein, Ungarn drohte damit, Migranten in Bussen
00:36nach Brüssel zu schicken und Frankreich hat einen Migrations-Hardliner zu seinem Premierminister
00:40gemacht.
00:41Was bedeutet dies für die europäische Einheit?
00:44Wird der visafreie Schengen-Raum immer mehr ausgehöhlt?
00:47Und mit Verspätung hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Köpfe vorgestellt,
00:54die in den nächsten fünf Jahren umgeben sollen.
00:56Das sogenannte Kollegium, das seinem Regierungskabinett ähnelt, muss nun vom Parlament bestätigt
01:02werden.
01:03Vorausgegangen war zwischen den Hauptstädten ein Tauziehen um die attraktivsten Positionen.
01:07Und ein Last-Minute-Drama gab es auch noch, den dramatischen Rücktritt des bisherigen
01:12französischen Kommissars Thierry Breton.
01:15Sind nun alle Rollen optimal besetzt?
01:18Fragen an unsere heutigen Gäste, allesamt Europaabgeordnete und zwar Jan-Christoph Oetjen
01:24von der liberalen Renew-Fraktion, Lena Dupont von der europäischen Volkspartei und Martin
01:30Schirdewan von der Fraktion Die Linke.
01:32Seien Sie alle herzlich gegrüßt.
01:35Bevor wir aber hier zur Sache kommen, schauen wir mal, was Brüssel einen heißen Herbst
01:39bescheren könnte, nämlich das Thema Migration.
01:42Die ungarische Ratspräsidentschaft hat noch nicht ganz ihre erste Halbzeit absolviert.
01:50Da sorgt Viktor Orban erneut für Aufsehen.
01:53Budapest weigert sich, eine 200-Million-Euro-Strafe wegen der Verletzung des EU-Asylrechts zu
01:59zahlen.
02:00Stattdessen will es EU-Gelder, um die Einreise an der Grenze zu kontrollieren.
02:04Dieser Streit kommt zu einem Zeitpunkt, an dem Deutschland wieder Grenzkontrollen einführt.
02:11Ein Schritt, der dem Zweck des visafreien Schengen-Raums der EU widerspricht.
02:15Und Schweden bietet Migranten Geld an, damit diese freiwillig in ihr Herkunftsland zurückkehren.
02:26Die ehemalige deutsche Kanzlerin Angela Merkel sagte einmal, Multikulti sei völlig gescheitert.
02:3714 Jahre später ist angesichts einer dysfunktionalen EU-Asyl- und Migrationspolitik zu fragen,
02:43hatte Merkel recht.
02:44Ja, gehen wir diese Frage gleich mal weiter.
02:49Ist die Integration von Zuwanderern aus anderen Kulturräumen gescheitert, Frau Dupont?
02:55Ich glaube, auch in Anlehnung an den Beitrag gerade, da muss man ein paar Dinge mal so
02:59ein bisschen auseinanderziehen.
03:00Integration ist Aufgabe der Mitgliedstaaten, das möchte ich auch auf europäischer Ebene
03:04gar nicht als alleinige Kompetenz haben, weil wir sehen, dass sie vor Ort stattfinden muss.
03:08Dementsprechend können wir unterstützen von europäischer Seite aus.
03:11Wir können versuchen, sozusagen ein geordnetes System drumherum zu bauen, aber die Integration
03:15muss vor Ort passieren können.
03:16Der zweite Punkt, der ja im Beitrag auch ein bisschen angesprochen worden ist, in den letzten
03:2114 Jahren hat sich die Welt um uns drumherum auch sehr verändert, mit einer der Gründe,
03:25warum wir auch so intensiv um diesen Pakt gekämpft haben in der letzten Legislaturperiode.
03:29Wir haben zwölf Rechtsakte gebraucht, um Humanität und Ordnung in Einklang bringen
03:33zu können.
03:34Ein bisschen auch aus meiner Grundüberzeugung heraus, dass wir unsere Werte auch am besten
03:37dann aufrechterhalten können, wenn wir geordnete Strukturen haben.
03:41Das heißt natürlich im Umkehrschluss, im Übrigen auch in Anlehnung an den Beitrag
03:45gerade, die Anwendung, das ist immer sozusagen Last Resort und das, was natürlich auch
03:51möglichst lange verhältnismäßig sein muss und möglichst lange nicht genutzt werden
03:54sollte. Aber das europäische Recht gibt die Möglichkeiten zu Grenzkontrollen her, als
03:58Flexibilität im Schengener Grenzkode.
04:00Kommen wir gleich zu sprechen, Herr Schirrlewan, nochmal auf das Thema Integration.
04:04Sie sind aus Berlin, ein großer Multikulti-Raum, wenn ich mal so sagen darf.
04:09Die frühere Kanzlerin hat gesagt, dass das Konzept sei gescheitert und damit auch natürlich
04:15die Folgeprobleme mit kontinuierlicher Zuwanderung.
04:19Wie sehen Sie das?
04:21Ich denke, die Kanzlerin hätte gut daran getan, wenn sie frühzeitig die Integrationspolitik
04:26in Deutschland auch geändert hätte.
04:27Ich glaube, der Kern dessen, was wir gerade als Problem, als Herausforderung in der
04:32Gesellschaft diskutieren, liegt doch vor allem daran, dass zum Beispiel die Kommunen
04:35unterfinanziert sind, dass die öffentliche Daseinsvorsorge unterfinanziert ist und
04:39deshalb die Gesellschaft vor wirklich große Probleme gestellt ist, wie Gesundheit, wie
04:43Bildung etc. organisiert werden soll und wie auch Menschen, die berechtigterweise zu uns
04:47kommen, um vor Krieg zum Beispiel zu fliehen und auch Anrecht auf Asyl haben, auf Aufenthalt
04:52in Deutschland, dann entsprechend integriert werden können in der Gesellschaft.
04:55Da hätte die Kanzlerin schon längst die Weichen stellen können.
04:59Damals, von daher waren das wohlfeile Worte von ihr, aber auch die aktuelle Bundesregierung,
05:04die Ampel hat da komplett versagt.
05:06Herr Oetjen, der Kanzler hat vor wenigen Tagen in der Mitte des Wahlkampfs Grenzkontrollen
05:13angekündigt, die seit Beginn dieser Woche stattfinden.
05:19Eine Maßnahme, die im europäischen Ausland nicht gut angekommen ist bei den Nachbarländern,
05:23um es mal vorsichtig zu sagen.
05:24War sie denn noch richtig?
05:25Also als Freie Demokraten haben wir ja immer dafür geworben, dass wir diese Grenzkontrollen
05:29auch kurzfristig wieder einführen.
05:31Denn wir haben während der Fußball-Europameisterschaft, wo wir ja aus Sicherheitsgründen diese
05:35Grenzkontrollen auch schon durchgeführt hatten, gemerkt, dass sie wirksam sind, dass
05:40wir also Menschen aufgreifen, die irregulär nach Deutschland einreisen wollen.
05:44Insofern war es aus meiner Sicht ein richtiger Schritt.
05:46Klar ist aus meiner Sicht aber auch, das kann nicht eine langfristige Lösung sein, sondern
05:50langfristig kann eine Lösung der Migrationsfrage nur europäisch sein.
05:54Deswegen haben wir den europäischen Asyl- und Migrationspakt beschlossen vor den Sommerferien.
05:58Der muss jetzt dringend umgesetzt werden, damit wir die Asylverfahren an der Außengrenze
06:01bekommen, damit wir Screening an der Außengrenze bekommen, damit wir wissen, wer kommt nach
06:05Europa.
06:06Und dann können wir hoffentlich auch wieder auf Grenzkontrollen verzichten, denn das ist
06:10natürlich nur ein Mittel der letzten Wahl.
06:12Sie führen die Europameisterschaft an, das ist ja schon ein paar Monate her und das Problem
06:15haben wir natürlich noch länger.
06:17Das schmeckt so ein bisschen nach Wahlkampf in den Mitteln der ostdeutschen Wahlkämpfe.
06:22Kommt auf einmal diese Maßnahme.
06:23Für mich ist das schwer nachzuvollziehen, dass ausgerechnet jetzt und nicht vor einem
06:28halben Jahr oder vor einem Jahr diese Maßnahme also irgendwas bringen soll.
06:32Vor einem halben Jahr, also zu Zeiten der Europameisterschaft, war die Maßnahme ja
06:36schon da.
06:37Sie ist dann ausgelaufen und wurde dann mit einer anderen Begründung natürlich, aber
06:41sie war da und sie wurde jetzt wieder auf den auf den Weg gebracht.
06:45Und natürlich gibt es negative Reaktionen von den Nachbarländern, die finden das nicht
06:49gut.
06:50Und das kann ich auch nachvollziehen.
06:51Wenn man an der deutsch-französischen Grenze diese Woche gewesen ist und ich bin da gewesen,
06:55dann sieht man, dass der Grenzverkehr trotzdem funktioniert.
06:58Und das ist auch wichtig, dass risikoorientiert kontrolliert wird, wird nicht jedes Auto
07:01angehalten.
07:02Da ist kein Schlachtbaum, sondern die Polizei guckt, okay, bei welchem Fahrzeug könnten
07:06möglicherweise irreguläre Grenzübertritte dabei sein.
07:09Und das ist auch richtig.
07:11Klar ist aber auch, gerade Polen war sehr kritisch, aber ganz, ganz viele irreguläre
07:15Einreisen nach Deutschland kommen über Polen.
07:18Insofern müssen die Mitgliedstaaten auch ihre Rolle erfüllen und die Leute registrieren,
07:22damit wir eben diese Situation in den Griff bekommen.
07:24Ich finde ganz klar, dass das ein Wahlkampfsound ist, also um da anzusetzen an dieser Frage.
07:30Ich meine, ehrlich gesagt, müssen wir doch bei den Fakten bleiben.
07:34Schengen wird jetzt ausgesetzt durch Deutschland.
07:36Ich finde das hochdramatisch, weil es da um Grundfreiheiten der europäischen Politik geht,
07:41um den freien Güterverkehr, freien Dienstleistungsverkehr, freien Personenverkehr und so weiter.
07:46Und das natürlich vor den ostdeutschen Landtagswahlen, um irgendwie zu zeigen, dass man da reagiert
07:50auf etwas, was man herbei imaginiert und wo man von der extremen Rechten getrieben wird.
07:55Dieser ganze Sound in Deutschland in der Migrationsdebatte ist doch fatal, weil sowohl die Bundesregierung
08:00als auch die Union da der extremen Rechten hinterherrennen und da den Ton diktieren lassen.
08:04Und wir reden, wenn wir bei den Fakten bleiben, weil Sie Polen angesprochen haben, von 11.000
08:09Menschen, die dort die Grenze überschritten haben in diesem Jahr.
08:12Wir sind ein Land von über 84 Millionen Menschen mittlerweile.
08:15Und jetzt soll mir mal jemand erzählen, dass wenn wir die Kommunen nicht ausreichend finanzieren,
08:19dass wir nicht in der Lage sind, diejenigen auch wirklich aufzunehmen, die bei uns das Anrecht haben,
08:22Schutz zu finden.
08:23Von daher, das ist eine völlig hochgepeitschte Debatte, die natürlich nur Wasser auf die
08:27Mühlen der extremen Rechten ist.
08:29Und das vor dem Wahlkampf zu machen, das ist wirklich absurd.
08:31Frau Dupont, wenn jetzt jeder Staat nach gut dünken, was immer auch die Begründung ist,
08:38Schengen aussetzt sozusagen, wird dann nicht das ganze System sozusagen sturmreif geschossen
08:43und es bleibt am Ende nicht mehr viel übrig?
08:44Also tatsächlich vielleicht nochmal das, was ich vorhin auch schon gesagt hatte, die Einführung,
08:49die neue Einführung von Binnengrenzkontrollen im Schengener Grenzkodex ist das Mittel der
08:53letzten Wahl.
08:54Sie müssen verhältnismäßig sein, sie müssen notifiziert werden, sie müssen begründet
08:57werden.
08:58Die Anwendung von Flexibilisierungsmöglichkeiten, die das europäische Recht vorsieht, im Übrigen
09:03der alte Schengener Grenzkodex, genauso wie der jetzt gerade reformierte Schengener Grenzkodex,
09:08sieht ja genau die Flexibilität für Mitgliedsstaaten vor, in besonderen Lagen zu sagen, wir müssen
09:13stärker kontrollieren, als wir das bisher gemacht haben.
09:15Es sind übrigens nicht nur Deutschland alleine, die das machen, es sind insgesamt
09:17sieben, acht Mitgliedsstaaten, die das ebenso machen.
09:20Ich bin durchaus und ich verstehe sehr gut, dass die europäischen Kollegen da nicht tiefenentspannt
09:26darauf reagiert haben.
09:27Ich glaube, da muss man so ein bisschen auch noch tatsächlich aus der deutschen Debatte
09:30heraus deutlich machen, dass das auch die Folge, ja durchaus auch eine Anschlagsserie
09:34gewesen ist, wo wir gesagt haben, wir müssen gucken, dass wir die nationale Sicherheit
09:38auch wieder etwas besser in den Griff bekommen, das ist einer der Gründe gewesen.
09:42Irreguläre Migration der zweite Punkt.
09:44Und insofern glaube ich, Herr Schirdewan, das, was Wasser auf die Mühlen der populistischen
09:48Kräfte ist, und Sie haben die Überlastung der Kommunen angesprochen, wenn man genau
09:52das nicht löst, sondern einfach lange laufen lässt, sich lange hinstellt und sagt, also
09:56das ist eigentlich gar nicht so und wir sind gar nicht überlastet und die Kommunen, dann
09:59machen wir mal so eins bis drei Flüchtlingsgipfel und dann geht das schon irgendwie.
10:02Und dann aber in der Realität sozusagen nicht nur der Kommunen, sondern auch der Menschen
10:07sich nichts ändert.
10:08Das ist eigentlich simulierte Handlungsfähigkeit.
10:10Das ist Wasser auf die Mühlen der populistischen Kräfte, nicht aber die Anwendung europäischer
10:16Flexibilitätsmöglichkeiten, die das Recht hergibt.
10:18Herr Oetjen, wir haben also die Grenzkontrollen in Deutschland, die Niederlande wollen jetzt
10:23ein Opt-out aus der Asylpolitik, Ungarn zahlt auch nicht die 200 Millionen Strafe.
10:30Das sind also bedenkliche Zeichen, die, glaube ich, bei vielen Leuten den Eindruck hinterlassen,
10:36dass das Schengen, ich will noch mal darauf zurückkommen, quasi abrufbar ist.
10:42Ungarn hält sich ja schon ganz lange nicht an europäisches Recht und ich bin auch der
10:45Meinung, dass wir da deutlich die Daumenschrauben anziehen müssen bei Ungarn und wir haben
10:51da ja Verfahren auch auf den Weg gebracht, das ist aus meiner Sicht der richtige Weg,
10:54klare Kante gegen Ungarn.
10:56Was die Holländer angeht, finde ich ja fast ein bisschen witzig, so nach dem Motto, als
11:00wenn europäisches Recht wünscht dir was ist und wir nehmen mal das eine Recht, was
11:04uns gefällt und das andere Recht, was wir nicht gefällt.
11:06So funktioniert das nicht, sondern klar ist, die sind Teil dieser Europäischen Union und
11:10die müssen auch das europäische Recht, also den Asyl- und Migrationspakt, den wir gerade
11:14beschlossen haben, auch anwenden und Schengen ist ein Raum der Freizügigkeit und es ist
11:20eines der größten und wichtigsten Güter, das wir erreicht haben, eine der größten
11:24Errungenschaften und die Menschen lieben das, weil sie eben in den Urlaub fahren können
11:30nach Griechenland oder nach Spanien, ohne dann eine Passkontrolle zu haben oder im
11:34kleinen Grenzverkehr zwischen mit den Nachbarländern und das zu bewahren, ist wirklich wichtig,
11:39aber das bewahren wir natürlich nur, wenn wir langfristig eine Kontrolle in der europäischen
11:43Migrationspolitik haben an den Außengrenzen, wo alle Mitgliedstaaten auch mitmachen.
11:47Genau an den Außengrenzen, also es geht darum, dass wir auf Menschenrecht und auf dem Asylrecht
11:55basierende Migrationspolitik in Europa organisieren, das ist klar.
11:59Aber wir reden ja gerade von den Binnengrenzen und es war im Übrigen nicht Orban, der jetzt
12:03Schengen ausgesetzt hat, sondern die Bundesregierung, der die FDP unter anderem angehört und es
12:07sind nicht nur die Menschen im Übrigen, auf die sie berechtigterweise hinweisen, die die
12:12Bewegungsfreiheit in Europa sehr zu schätzen wissen, es ist auch die Wirtschaft, Frau Dupont
12:15zum Beispiel, die große Sorgen hat, dass die Lieferketten unterbrochen werden, dass
12:19es zu Staus kommt, weil man muss ja nur hören, was sowohl kleine und mittelständische Unternehmen
12:24als auch große Industriebetriebe geradezu der einseitigen Maßnahme der deutschen Bundesregierung
12:28sagen und ich halte das, wie gesagt, für völlig in die falsche Richtung gehend, da
12:32jetzt so wahlkampftaktisch zu agieren, weil letztendlich sowohl die europäischen Nachbarstaaten
12:38dupiert werden an der Stelle, sich entsprechend auch fühlen und mit dem Finger auf Deutschland
12:44zeigen und das Resultat wirklich sein kann, dass genau diese Ehrungsschaft, die sie gerade
12:47beide so gelobt haben, auch von anderen grundsätzlich in Frage gestellt wird.
12:51Ich möchte zum Thema Ungarn.
12:54Der Budapest weigert sich nicht nur, die 200 Millionen nicht zu bezahlen, sondern droht
12:59auch damit, Migranten in Bussen nach Brüssel zu transportieren, dies hat zu scharfen Gegenreaktionen
13:04geführt, unter anderem vom Bürgermeister von Brüssel, hören wir uns mal beide Seiten
13:09zu diesem Thema an.
13:24Die Regierung Orban wird immer unerträglicher.
13:46Außerdem ist es verrückt, dass er die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union innehat und dafür
13:50verantwortlich ist, einen Konsens zu finden.
13:52Ich bin der Bürgermeister einer Hauptstadt mit 400 Millionen Europäern.
13:56Es ist natürlich wichtig zu zeigen, dass hier Platz für alle ist.
13:59Orbans Regierung ist von einem Gericht erurteilt worden.
14:01Sie werden es nicht zugeben, aber so ist die Rechtsstaatlichkeit, aber Orban hat ein Problem
14:05mit der Rechtsstaatlichkeit.
14:08Frau Dupont, Viktor Orban, der ungarische Ministerpräsident, hätte diese Woche hier
14:12in Straßburg sprechen sollen, es wurde dann abgesagt wegen der Überflutung in Ungarn,
14:17was hätte ihn hier erwartet?
14:19Ich finde es sehr sympathisch, dass Herr Schönewang jetzt sein Herz für Großbetriebe und die
14:24Wirtschaft entdeckt hat, insofern können wir das gerne an anderer Stelle aufnehmen
14:28und fortsetzen.
14:30Natürlich steht Schengen unter Druck, das sieht man ja auch an der Art und Weise, wie
14:34Ungarn das versucht, auch letztendlich von innen heraus gegen die Europäische Union
14:39zu verwenden.
14:40Dementsprechend wäre es vermutlich kein entspanntes Aufeinandertreffen, auch im Plenum geworden,
14:45wenn Sie Ihr Programm vorgestellt hätten, dann wäre da sicherlich eine sehr konstruktive,
14:52aber durchaus kritische Debatte draus geworden, sicherlich an der einen oder anderen Stelle
14:55auch sehr pointiert in der Herangehensweise.
14:58Wir haben ja ein kleines bisschen davon gestern auch erlebt bei der Debatte um die ungarischen
15:03Arbeitsvisa drumherum, wo schon sehr deutlich geworden ist, dass es hier eine sehr einhellige
15:08Kritik auch von Seiten des Hauses gibt, Einzelne, die das Vorgehen verteidigen.
15:14Ich würde mal erwarten und hätte erwartet, dass es für die Key-Debate sozusagen um die
15:18Ratspräsidentschaft drumherum ähnlich gewesen wäre.
15:20Sie haben nicht gesagt, was Sie hier erwartet hätte, sprechen wir hinter der Nacht der
15:25Sendung.
15:26Herr Oettchen, Brüssel, die Stadt Brüssel sieht sich ja so ein bisschen als Kollateralschaden
15:33einer Asylpolitik, die jetzt immer schärfer wird.
15:36Welche Botschaft haben Sie an die Stadtväter und Mütter in diesem Zusammenhang?
15:41Zum einen haben wir in Belgien manchmal Situationen, die, was Unterbringungssituationen für Flüchtlinge
15:47angeht, wirklich nicht optimal ist und wenn die da ihr Haus in Ordnung kriegen, dann ist
15:52das das Erste, was gut wäre.
15:54Das Zweite ist, ich glaube, dass was Orbán da macht, das ist Säbelrasseln.
15:58Ja, also der will nicht, dass die Asyl-Migrationspolitik umgesetzt wird, gegen die er gestimmt hat,
16:04gegen diesen Kompromiss auf der europäischen Ebene, aber es hat halt eine Mehrheit gefunden
16:09und von daher kann er sich da auch nicht aus der Verantwortung ziehen.
16:12Aber klar ist auch, Orbán selber versetzt ja dem Schengen-Raum immer wieder Tiefschläge.
16:17Ja, also mit diesen Arbeitsvisa für Belarusen und Russen, die da auf den Weg gebracht wurden,
16:23wird Orbán selber zum größten Schleuser von Menschen in den Schengen-Raum und das
16:28ist eine inakzeptable Vorgehensweise, die da in Ungarn an den Tag gelegt wird und da
16:32ist völlig klar, die müssen wir als Europäer Einhalt gebieten.
16:35Herr Schörer, was fällt Ihnen ein zum Thema Orbán?
16:38Ich finde, er soll sich erstmal hertrauen und um Ihre Frage zu beantworten, hätte er
16:42von mir zumindest ghanische Kritik gehört und ich freue mich darauf, dass er hoffentlich
16:46bald kommt, aber da muss er erstmal die Traute haben.
16:48Ansonsten ist er ein notorischer Rechtsbrecher, immer wieder wird die ungarische Regierung
16:52auch mit Rechtsstaatlichkeitsverfahren berechtigter Weise konfrontiert vor dem europäischen Gerichtshof,
16:58auch gezerrt, weil Orbán einfach keinen Respekt vor Demokratie, vor Menschenrechten, vor Bürgerrechten
17:03hat, sondern sein Land Ungarn in einen autoritären Staat umbauen will und auch das muss man ihm
17:07in aller Klarheit erzählen, wenn er hier ist und was er jetzt da angekündigt hat oder
17:12seinen Minister, dass die Busse mit Migrantinnen und Migranten gefüllt nach Brüssel geschickt
17:16werden sollen, das ist eben genau dieser populistische Sound, wo auf dem Rücken von Sündenböck
17:21eine Politik gemacht wird, die darauf abzieht, die ganze Debatte in der EU nach rechts zu
17:26verschieben und ich finde das fatal, dass das verfängt, siehe auch nochmal in Deutschland,
17:31wie der Diskurs da gerade läuft und dass wirklich Leute darauf anspringen.
17:35Einen Punkt an dieser Stelle möchte ich in Erinnerung rufen für uns alle, wir sind
17:38ein Land, was seit langer Zeit ein Integrationsland ist, Deutschland, ein Einwanderungsland, wo
17:43Menschen die Industrie, den Bergbau mit maßgeblich geprägt haben, die keine deutsche Biografie
17:49vorher hatten.
17:50Jetzt, wenn man sich die Dienstleistungen anguckt, im zum Beispiel Gesundheitssystem,
17:53im Personennahverkehr und so weiter, nichts würde in Deutschland laufen, wenn diese Menschen
17:57nicht zu uns gekommen wären und auf dieser Ebene und mit diesem Respekt muss man die
18:01Debatte führen.
18:02Frau Dupont, wir haben letzte Woche Umfragen gemacht in Brüssel und die Bevölkerung gefragt,
18:09natürlich at random, zum Thema Asylpolitik und herauskommt eigentlich, dass die Leute
18:15einerseits wollen, dass ein funktionierendes System hier etabliert wird, andererseits
18:21wollen sie auch, dass die Menschen korrekt behandelt werden.
18:24Warum ist das so schwer, diese Regelungen durchzusetzen?
18:28Ich sage mal, auf dem christlichen Menschenbild basierendes System zu entwickeln, womit alle
18:33leben können.
18:34Ich glaube, weil wir als Europäische Union viel zu lange gebraucht haben, eine gemeinsame
18:37Antwort darauf zu finden.
18:38Wenn wir in die vorvergangene Legislaturperiode zurückgehen, dann haben wir schon mal einen
18:42Versuch gehabt, das europäisch gemeinsam zu organisieren.
18:45Wir alle wissen, das ist damals im Rat gescheitert aus unterschiedlichen Gründen, weswegen man
18:49in der letzten Legislaturperiode einen neuen Anlauf gemacht habe.
18:52Auch da muss man sagen, da hätten wir schneller sein können, wir hätten vielleicht auch schneller
18:55sein müssen.
18:56Das hat viel auch mit der Position der Mitgliedsstaaten zu tun, viel auch mit der Position der deutschen
19:01Bundesregierung dann am Ende zu tun gehabt.
19:04Das, was wir mit dem Pakt jetzt geschaffen haben, ist ja eigentlich genau das.
19:08Also die europäische Verantwortung dazu übernehmen, wo wir Dinge europäisch gestalten können,
19:12die Mitgliedsstaaten logischerweise verantwortlich weiterhin für die Aufgaben, die sie übernehmen
19:16müssen, Integration beispielsweise.
19:18Und gleichzeitig ist es, glaube ich, auch deswegen ein so komplexes Problem, weil eben
19:24fast jede politische Ebene am Ende Verantwortung übernehmen muss.
19:27Das Grundprinzip des Paktes ist aber ja genau, denjenigen Schutz zu gewähren und auch alles
19:33sozusagen an Schutz zukommen zu lassen, was wir ihnen zukommen lassen können, während
19:37diejenigen, die nicht schutzberechtigt sind, dann auch konsequent rückgeführt werden
19:40müssen.
19:41Danke.
19:42Wir machen jetzt eine kleine Pause und danach kalkuliertes Drama oder absurdes Theater.
19:48Ursula von der Leyen hat die neue EU-Kommission vorgestellt.
19:51Bleiben Sie bei uns.
19:54Willkommen zurück zu Brüssel, meine Liebe.
20:02Unsere Gäste sind immer noch Lena Dupont, Martin Schirdewan und Jan-Christoph Oetjen.
20:08Auf diesen Moment hatte das Glashaus Brüssel seit Wochen mit größter Spannung gewartet.
20:13Die Vorstellung der Geschäftsverteilung der neuen EU-Kommission an diesem Dienstag durch
20:18Ursula von der Leyen.
20:19Und es war großes Theater.
20:22Dieser Tag hätte viel eher kommen sollen, doch eine Politkomödie in Slowenien verzögerte
20:27den Nominierungsprozess, der dann auch noch einen dramatischen Schlussmonolog hatte, nämlich
20:32den theatralischen Rücktritt des Binnenmarkt-Kommissars.
20:35Zu Letzterem kommen wir gleich.
20:38Das Ensemble steht also.
20:40Haben wir nun einen Talentschuppen, der das Publikum begeistern kann, um im Bild zu bleiben?
20:45Herr Oetjen.
20:47Naja, viele von den Kommissaren, die da benannt wurden, sind unbekannt.
20:51Und insofern werden wir als Parlament genau hinschauen müssen, ob die geeignet sind,
20:57die Rolle, die sie ausführen sollen, die ja immerhin dafür da ist, Gesetzgebungen
21:01vorzubereiten für 450 Millionen Menschen, ob sie dafür auch wirklich geeignet sind.
21:06Herr Schirdewan, es wird ja schon spekuliert darüber, wer als nominierter Kommissar hineingeht
21:13und als Gescheiterter wieder rauskommt.
21:17Haben Sie schon Leute im Blick?
21:18Denn das Parlament muss ja zustimmen bei jedem Einzelnen.
21:22Ja, ich habe da einige auf meiner Shortlist tatsächlich und wir als Fraktion bereiten
21:26uns auch sehr gründlich auf die Anhörung der Kommissaren und Kommissare vor.
21:30Ich würde aber gerne nochmal ein Wort zu dem Theater verlieren, weil das war wirklich
21:33ein sehr interessantes Theaterstück, was Frau von der Leyen da aufgeführt hat, was
21:37im Grunde genommen auch nochmal deutlich macht, in welcher Art und Weise sie gedenkt, europäische
21:40Politik zu gestalten.
21:41Sie hat es nämlich erst der Presse vorgestellt, dieses Kollegium der neuen Kommissare und
21:46Kommissare und dann erst dem Parlament praktisch im selben Atemzug.
21:49Und ich finde, wir als Parlamentarier und als EU-Parlament haben die Pflicht und die
21:53Aufgabe, die Kommission zu kontrollieren.
21:55Und Frau von der Leyen hätte gut daran getan, das auch mit zu berücksichtigen.
21:58Sie wird auf jeden Fall nicht die freischwebende Präsidentin sein, die sie sich erhofft zu
22:02sein, sondern wir werden sie immer wieder auch in das Parlament bitten und dort zur
22:06Verantwortung ziehen.
22:07Frau DuPont, sehen Sie das ähnlich?
22:08Ich finde es zumindestens zuallererst mal interessant, Herr Schönemann, Sie sind, wenn
22:12ich mich richtig erinnere, Fraktionsvorsitzender.
22:14Die Heads of Groups sind von der Kommissionspräsidentin auch hier im Parlament vor der Pressekonferenz
22:20zusammengeholt worden.
22:21Das Portfolio, die Personen sind vorgestellt worden, bevor man dann an die Öffentlichkeit
22:26gegangen ist.
22:27Und insofern ist das vielleicht ein bisschen daneben gegangen.
22:31Wenn ich mir das Gesamtportfolio der Kommission angucke, auch die Aufteilung, dann sieht man,
22:35glaube ich, die Prioritäten, auch die wir alle ein Stück weit aus den Wahlkämpfen
22:39mitgebracht haben, Wettbewerbsfähigkeit, Sicherheit, Entwicklungsperspektiven für
22:43die Europäische Union, durchaus auch gut in den Portfolios wiedergefunden.
22:48An der einen oder anderen Stelle, und das Parlament hat ja eine gute Tradition darin,
22:53auch sehr kritisch, sich im Übrigen auch in allen Fraktionen gut auf die Anhörung
22:57vorzubereiten.
22:58Ich glaube, dass wir jetzt erst mal gut beraten sind, tatsächlich auch uns mit den Personen
23:03zu befassen, uns mit den Portfolios zu befassen.
23:05Und ich bin durchaus kein Freund davon, jetzt schon mit Shortlists rauszugehen, weil ich
23:09glaube, dass das wiederum auch dem Auftrag des Parlaments nicht geeignet wird.
23:12Jeder hat da einen unterschiedlichen Ansatz.
23:13Ich kann nur ganz kurz korrigieren, weil das stimmt nicht ganz, was Frau de Pong gerade
23:17gesagt hat.
23:18Frau von der Leyen war tatsächlich bei den Fraktionsvorsitzenden, hat mit ihnen geredet,
23:22aber sie hat weder die Namen noch die Portfolios vorgestellt.
23:24Das hat sie erst hinterher der Presse gegenüber gesagt.
23:26Einmal hat sie der Presse den Vorhang gegeben.
23:28Kommen wir mal auf die Causa Thierry Breton zu sprechen.
23:31Die französe tat einen Tag vor der Bekanntgabe der neuen Kommission als Binnenmarktkommissar
23:36geräuschvoll zurück, weil er in letzter Minute auf Betreiben von der Leyen von Emmanuel
23:40Macron quasi ausgewechselt wurde.
23:43Damit beendete Breton ein ohnehin zerrüttetes Verhältnis zu Ursula von der Leyen.
23:47Wörtlich sagte er auf der Plattform X Sie, also von der Leyen, haben Frankreich gebeten,
23:53meinen Namen aus persönlichen Gründen zurückzuziehen.
23:56Der Tag dessen weiteres Zeugnis fragwürdigen Regierens bin ich zu dem Schluss gekommen,
24:01dass ich mein Amt nicht länger ausüben kann.
24:04Und er war damit aber noch nicht fertig und postete kurz danach sein offizielles Porträt
24:09der nächsten europäischen Kommission.
24:11Sie sehen es hier ein leeres Bild.
24:14Ja, ist das gekränkte Eitelkeit?
24:17Ist es kindisch oder einfach nur peinlich?
24:20Also ich finde es vor allen Dingen unprofessionell, aber vor allen Dingen von Frau von der Leyen,
24:26weil normalerweise ist der vorgeschlagene Kandidat aus Frankreich gewesen.
24:31Der hat einen guten Job als Binnenmarktkommissar gemacht, auch wenn ich nicht immer mit ihm
24:34einverstanden war.
24:35Aber gerade beim Thema Beschaffung von Rüstungsgütern für die Ukraine hat er richtig guten Job
24:41gemacht und die ihn jetzt sozusagen auf persönliches Betreiben von Ursula von der Leyen auszuwechseln,
24:49ist ein Schlag ins Gesicht und aus meiner Sicht ein inakzeptabler Vorgang.
24:53Auf der anderen Seite muss man sagen, der jetzt vorgeschlagene französische Kandidat
24:57des Stéphane Cizerny ist ein ausgewiesener Europäer, war der Fraktionsvorsitzende unserer
25:02Fraktion hier im Europäischen Parlament.
25:03Das heißt, der ist ein guter Ersatz, aber trotzdem ist es schon etwas unprofessionell.
25:07Alle designierten Kommissionsmitglieder müssen sich demnächst Anhörungen vor dem Parlament
25:11stellen.
25:12Einen Vorgeschmack darauf lieferte bereits die Pressekonferenz Ursula von der Leyen bei
25:18der Zahl der Journalisten kritische Fragen zu den Kandidaten und Kandidatinnen ihrer
25:22Heimatländer stellten.
25:23Dazu hatte dann von der Leyen diese Antwort.
25:26Dies ist sehr wichtig für die allgemeine Zusammensetzung des Kollegiums.
25:34Die Kommissare sind nicht die Vertreter ihrer Länder, sie sind die Vertreter Europas und
25:38unserer gemeinsamen Sache.
25:40Daher können sie, abhängig davon aus welchem Mitgliedsstaat sie kommen, eine wichtige Rolle
25:45spielen.
25:46Andernfalls wäre es nicht der richtige Ansatz für die gemeinsame europäische Sache.
25:50Frau Dupont, Sie klingt schon fast ein bisschen genervt hier bei dieser Antwort.
25:56Hat sie Recht darauf hinzuweisen oder verschleiert sie hier so ein bisschen die Realität?
26:00Naja, wenn wir uns die Verträge angucken, dann ist klar, das Vorschlagsrecht der Mitgliedsstaaten
26:04ist ja wesentlicher Bestandteil auch des europäischen Balance of Power, sozusagen, die wir hier
26:10haben.
26:11In dem Moment, wo die Kommissare dann sozusagen in ihre designierten Rolle und dann später
26:18möglicherweise auch in ihre Kommissarsrolle hineinschlüpfen, sind sie in der Tat der
26:22Europäischen Union verpflichtet.
26:24Und wenn ich das noch einmal kurz aufgreifen darf, Breton hat ja offensichtlich auch nicht
26:28mehr die Rückendeckung seines eigenen Mitgliedslandes gehabt, denn sonst hätte man auch im Zweifelsfall
26:32sagen können, wir bestehen darauf, dass dieser Kommissar bleibt.
26:35Und es passt ja schon auch ein bisschen ins Bild, dass er zwischenzeitlich auch schon
26:39mal hinterfragt worden ist als Kommissar.
26:41Ich finde im Übrigen, als derjenige, der für Binnenmarkt zuständig ist, hätte er
26:45den Bürokratieabbau auch deutlich stärker in den Mittelpunkt stellen können, auch schon
26:48in der letzten Legislaturperiode.
26:49Ein gutes Thema, Herr Schölwann, sind die Kommissare und Kommissarinnen loyaler zu ihren
26:56Herkunftsländern oder loyaler zu ihren politischen Familien?
26:59Naja, in der Theorie sollten sie Europäerinnen und Europäer sein, aber da Nationalisten
27:05auch nominiert wurden, zum Beispiel hat Orban ja auch jemand nominiert oder aus Italien
27:09wird ein Mitglied der postfaschistischen Meloni-Partei geschickt, der im Übrigen
27:13mal wegen Korruption und Verbindung zu organisierter Kriminalität vor Gericht gestanden hat und
27:17so weiter.
27:18Also ob die wirklich der europäischen Idee verpflichtet sind oder eher in nationalstaatlichen
27:21Ideen, das wage ich zu bezweifeln.
27:24Ich denke eher, dass sie nationale Politik umsetzen werden.
27:26Gut.
27:27Irgendetwas sagt mir, dass der Italiener auf Ihrer Shortlist steht, aber das ist nur am
27:31Ende.
27:32Das können Sie so vermuten.
27:33Das soll es zu diesem Thema gewesen sein.
27:34Vielen Dank an unsere Gäste hier im Europäischen Parlament und an unsere Zuschauer zu Hause.
27:39Bleiben Sie bei eurer News.
27:48Willkommen zurück zu Brüssel, meine Liebe.
27:50Ich bin Stefan Grobe, immer noch zusammen mit Martin Schirdewan, Jan-Christoph Oetjen
27:54und Lena Dupont.
27:55Eine der Nachrichten der Woche, die uns ins Auge fiel, war diese.
27:59Die Ankündigung des EU-Rats, das Erasmus-Plus-Budget um fast 300 Millionen Euro zu kürzen.
28:05Von dem 1987 ins Leben gerufenen Studentenprogramm profitierten bislang etwa 12,5 Millionen Menschen.
28:13Ihr Moderator eingeschlossen.
28:15Wir haben eine Universität in Brüssel besucht, um zu erfahren, wie sich die Erasmusstudenten
28:19zu Beginn des neuen akademischen Semesters fühlen.
28:23Hören Sie mal rein.
28:24Das ist ein bisschen schade.
28:27Bildung ist ein großer Gleichmacher in unserer Gesellschaft und ich denke, es macht auch
28:31Spaß.
28:32Diese Art von Projekten gibt den Leuten viele Möglichkeiten, aus ihrer Komfortzone herauszukommen
28:36und mehr internationale Erfahrung und Perspektiven zu bekommen.
28:44Dieses Projekt erlaubte es mir, von Moldawien hierher nach Brüssel zu kommen und Journalismus
28:49zu studieren.
28:50Und obwohl ich erst seit zwei Wochen hier bin, fange ich schon an, die Veränderungen
28:53und alles andere zu spüren.
28:55Es ist so eine lebensverändernde Erfahrung.
29:01Ja, ein paar Stichworte Veränderungen, Lebenserfahrung, neue Perspektiven.
29:05All das werden Studenten künftig weniger spüren, zumindest was Auslandsaufenthalte
29:11angeht.
29:12Ist diese geplante Kürzung des Erasmus-Budgets zu rechtfertigen, Frau Dupont?
29:17Ich sage mal, dass das Gesamtbudget ungefähr 28 Milliarden beträgt.
29:24Das sind 300 Millionen.
29:25Das klingt so ein bisschen wenig, aber dennoch.
29:28Ich glaube, da kann man schon noch mal daran erinnern, dass das Parlament ja auch als
29:31Co-Gesetzgeber für den Haushalt noch seine eigene Position dazu beziehen wird.
29:35Erasmus ist einer der Erfolgsschlager der Europäischen Union.
29:39Ich glaube, jeder kennt entweder persönlich oder in seinem Umfeld viele, die davon profitiert
29:43haben.
29:44Ich finde grundsätzlich tut es allen gut, mal über den Tellerrand hinaus zu gucken.
29:47Und insofern würde ich da erwarten, dass wir eine durchaus kritische Diskussion mit
29:51der Ratsposition an der Stelle dann auch haben.
29:54Welche Botschaft schickt das an junge Menschen?
30:01Das ist eine schlechte Botschaft und deswegen wird meine Fraktion, werden wir Liberalen
30:06hier im Europäischen Parlament auch beantragen, den Ansatz für Erasmus deutlich zu erhöhen.
30:10Wir müssen nicht weniger junge Menschen ins Ausland bringen, sondern mehr junge Menschen,
30:13insbesondere auch mehr Schüler, mehr Auszubildende ins Erasmus-Programm bekommen.
30:17Das ist die richtige Botschaft, um Europa zu stärken.
30:20Insgesamt setzt der Rat, also die Mitgliedsstaaten in Rotstädt an allen möglichen Stellen an,
30:24wo es falsch ist.
30:25Auch bei Frontex wollen die kürzen, dabei brauchen wir eigentlich mehr Außengrenzschutz.
30:28Also von daher schlechte Botschaften aus dem Rat, aber wir werden das hier im Parlament
30:32korrigieren.
30:33Herr Schönemann, schlechte Botschaft?
30:34Habt ihr es dann mitgetragen?
30:35Absolut schlechte Botschaft.
30:36Vielleicht kann Herr Oetjen ja mal Frau Stark-Watzinger anrufen, dass der Rat da seine Position ändert,
30:40also auch die deutsche Regierung im Rat.
30:42Das wäre gut, aber es ist tatsächlich ein katastrophales Signal, weil an dieser Stelle
30:47an der entscheidenden Ressource der Zukunft, nämlich Bildung, der Europäerinnen und Europäer
30:51der Rotstift angesetzt wird und das halte ich wirklich für fatal.
30:54Es geht auch darum, dass Europa auch im internationalen Wettbewerb mit kreativen Ideen, mit innovativen
30:59Produkten standhalten kann und da dient natürlich dieses Programm massiv dazu, Leute einfach
31:05über den Tellerrand hinausblicken zu lassen.
31:06Ich bin ja froh, dass wir hier ausnahmsweise mal offenkundig eine gemeinsame Position vertreten.
31:11Also ich bin gegen diese Kürzung.
31:12Die Briten haben ja auch angekündigt, sie wollen nicht wieder zurückkehren in das Programm.
31:17Das heißt, wir haben also Schengen und wir haben Erasmus, also wahrscheinlich die am
31:21meisten populären Programme in der EU plötzlich im Fragezeichen.
31:27Frau Dubon, was sagen Sie jungen Leuten?
31:30Aber weil das der Rat bisher gemacht hat, heißt es ja noch nicht, dass die Europäische Union das macht.
31:33Sondern Sie haben es ja hier gerade schon gemerkt, es gibt fraktionsübergreifend große Unterstützung dafür,
31:38in der jetzigen Situation so etwas Grundlegendes im wahrsten Sinne des Wortes zu kürzen für
31:45das Fortbestehen.
31:46Die weiteren Geschicke der Europäischen Union halte ich für grundsätzlich falsch.
31:49Und aus meiner Sicht zeigt es vor allen Dingen auch, die EU ist mehr als nur die Summe der
31:52Mitgliedstaaten, sondern viel, viel mehr.
31:54Und das repräsentieren wir hier im Parlament.
31:57Wunderbar.
31:58Schlusswort.
31:59Wir sind am Ende von Brüssel.
32:00Meine Liebe, vielen Dank an unsere Runde und an unsere Zuschauer zu Hause.
32:04Wenn Sie die Unterhaltung fortsetzen möchten, egal zu welchem Thema, schreiben Sie an brüsselmeineliebe
32:09at euronews.com oder in den sozialen Medien.
32:12Das war's für heute.
32:13Ich bin Stefan Grobe.
32:14Ihnen eine angenehme Woche.
32:15Bis bald.

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