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Das Abtreibungsgesetz in Polen ist eines der strengsten Europas. Nur nach einer Vergewaltigung oder Inzest dürfen Frauen eine Schwangerschaft abbrechen. Viele hatten gehofft, dass die neue Regierung das fast vollständige Verbot liberalisieren würde.

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Transkript
00:00Natalja Bronjaczyk hatte eine Abtreibung, als sie 28 war, in Polen, verboten.
00:07Aber sie musste es tun, sagt sie.
00:10Sofort, als ich den positiven Schwangerschaftstest in der Hand hatte, sagte mein ganzer Körper, nein, nicht jetzt, nicht mit diesem Partner, nicht in der Wohnsituation, in der ich jetzt lebe.
00:30Das war vor elf Jahren. Natalja hatte so gut wie keine Information, wie man an Abtreibungspillen herankommen könne, erzählt sie.
00:37Aber als sie den Schwangerschaftsabbruch dann durchführen konnte, fühlte sie sich erleichtert, wieder die Kontrolle über ihr Leben und ihren Körper zu haben.
00:46Damals entschied sie sich in Polen für die Rechte der Frauen einzusetzen.
00:50Zusammen mit anderen gründete sie die Organisation Dream Team für Abtreibungsfragen.
00:56Über eine 24-Stunden-Hotline beraten die Frauen durchschnittlich bis zu 130 Hilfesuchende täglich und helfen Frauen, an Abtreibungspillen zu kommen, wenn nötig.
01:07Die Aktivistinnen zeigen sich ganz offen, auch hier im polnischen Parlament.
01:11Ein stiller Protest, während die Abgeordneten im Saal über die Liberalisierung eines der strengsten Abtreibungsgesetze Europas debattieren.
01:21Draußen vor dem Parlament haben sich Abtreibungsgegner versammelt, beten gegen jede Liberalisierung.
01:27Sie haben Bilder toter Föten plakatiert, die wir hier nicht zeigen wollen.
01:32Sie haben ihre Überzeugungen, wir unsere. Aber ich glaube, dass sie nicht die wahren Gegner sind. Die wahren Gegner sind die rechten Politiker.
01:43Einer der rechtsnationalistischen Politiker, die gegen die Inkriminalisierung von Abtreibung gestimmt haben, ist Sebastian Kaleta.
01:50Ich halte eine Liberalisierung für böse. Ich finde, dadurch wird ein Leben beendet, ein unschuldiges Leben.
01:55Wenn Sie mit Frauen sprechen, die abtreiben wollen oder abgetrieben haben, was sagen Sie ihnen dann?
02:01Ich habe tatsächlich noch nie mit einer Frau gesprochen, die abgetrieben hat. Aber ich habe mit Frauen gesprochen, die über ihre Einstellung in dieser Frage nachdenken.
02:12Für Nataljas Mitstreiterin Justyna Wodzińska ist genau das das Problem. Der Mangel an Gesprächsbereitschaft.
02:19Sie selbst wurde wegen Beihilfe zur Abtreibung strafrechtlich verurteilt. Jetzt will sie Berufung einlegen gegen das Urteil acht Monate gemeinnütziger Arbeit.
02:28Ich war nur eine Frau, die einer anderen geholfen hat. Aber plötzlich stand ich in einem Gerichtssaal, angeklagt von der Regierung. Oh ja, das war beängstigend.
02:43Kurze Zeit später steht das Abstimmungsergebnis fest. Trotz der neuen Mitte-Links-Regierung haben die polnischen Abgeordneten ein liberaleres Abtreibungsgesetz knapp abgelehnt.
02:53Justyna und die anderen Frauen sind enttäuscht, hatten es aber erwartet. Sie wollen nicht aufgeben.
02:59Mit ihrem Abtreibungsmobil starten sie zu einer Sommertour an die Ostseeküste, weit weg von Warschau.
03:06Hier sprechen sie mit den Passanten über ihre Arbeit und verteilen Informaterial. Immer wieder bekommen die Aktivistinnen Zuspruch für ihre Arbeit.
03:16Die Leute reden nicht darüber, weil es immer noch ein Tabu ist. Aber das sollte es nicht sein. Es sollte etwas völlig Normales für diese Frauen sein.
03:29Andere würden lieber auf die Anwesenheit der Aktivistin auf der Promenade der Kurstadt Sopot verzichten.
03:36Ich bin erschüttert und entsetzt. Denn für mich ist es nicht nur die Tötung eines Kindes, eines lebendigen Wesens.
03:44Es ist nicht nur die Verstümmelung einer Frau, die eine Abtreibung vornimmt, sondern vor allem die Tötung von Vernunft und logischem Denken. Solche Ereignisse erschrecken mich.
03:56Für Natalia ist diese Art von Kritik Alltag. Doch deswegen aufhören kommt für sie nicht in Frage.
04:02Wir wollen keine Abtreibungsgegner überzeugen. Wir sind für die Menschen da, die vielleicht eine Abtreibung brauchen.
04:11Und wir respektieren, wenn jemand anderer Meinung ist. Aber wir wissen, dass man als ungewollt Schwangere manchmal seine Meinung ändert und sich für eine Abtreibung entscheidet.
04:22Und für diese Art von Menschen sind wir da.
04:28Eine Botschaft, die Natalia in ganz Polen verbreiten möchte.

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